gelstarAWB n. a-St., bei I, in den MF und in
Gl. seit dem 8./9. Jh.: ‚Abgabe, Steuer, Zoll,
Opfer; tributum, vectigal, sacrificium‘ 〈Var.:
k-; gh- I; gilstar Gl. 1,470,17, 9./10. Jh.〉. In
der Bedeutung ‚Opfer‘ begegnet das Subst.
bei I und in den MF, die Bedeutung ‚Abga-
be‘ ist auf die Gl.belege beschränkt.
Ahd. Wb. 4, 204; Splett, Ahd. Wb. 1, 297; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 364; Schützeichel⁶ 132; Starck-Wells
196; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 432; See-
bold, ChWdW8 144; Graff 4, 194; Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 582 (sacrificium). 677 (tributum). 696 (vec-
tigal). — Eggers 1960: 105; H. Wesche, PBB 61
(1937), 47. 49. 50 f. (zu den Bedeutungen von ahd.
gelstar).
Ahd. gelstar mit anaptyktischem -a- hat eine
genaue Entsprechung in got. gilstr ‚Steuer;
φόρος‘ (n. a-St., nur akk.pl. gilstra): < ur-
germ. *el-stra- mit der hinter dentalem
Wurzelauslaut aufgekommenen Variante
*-stra- neben sonstigem *-þra-/*-đra-. Das
Wort ist vom st. v. III got. fra-gildan ‚vergel-
ten, erstatten; ἀποδιδόναι‘, ahd. geltan ‚ent-
richten, zukommen lassen‘ < urgerm. *elđ-
e/a- (< vorurgerm. *gheldhe/o- ‚entgelten,
büßen‘ [LIV² 197]) abgeleitet.
Fick 3 (Germ.)⁴ (nur zu geltan und gelt); Seebold,
Germ. st. Verben 222; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 215;
Lehmann, Gothic Et. Dict. G-88. — Bammesberger
1990: 87; Casaretto 2004: 551; Kluge 1926: § 141;
Krahe-Meid 1969: 3, § 138, 2; W. Meid, IF 69
(1964/65), 237 f.; Wilmanns [1906—30] 1967: 2, 282).
— Speziell zum Suffix -stra- H. Osthoff, ZVSp 23
(1877), 313—333, zu ahd. gelstar 315.
Urgerm. *el-stra- geht auf ein Nomen in-
strumenti vorurgerm. *ghelts-tro- ‚womit et-
was entgolten, gebüßt wird‘ (aus vorurgerm.
*gheldh-tro- mit Assimilation von *-dht- >
*-tt- > *-tst-) zurück. Für die Entstehung der
urgerm. Lautgruppe *-stra- werden im We-
sentlichen zwei Möglichkeiten in Betracht
gezogen. Nach Kluge 1913: § 39 und Bam-
mesberger (a. a. O.; sich anschließend: Casa-
retto, a. a. O. 550) wurde nach der Entwick-
lung von vorurgerm. (ebenso vorurital. und
vorurkelt.) *-tst- > *-ss- (Meiser 1998: § 87;
Thurneysen 1980: § 155 f.) in der Abfolge
*-s(s)r- sekundär ein Übergangslaut *-t- ein-
geschoben (vgl. ahd. swester ‚Schwester‘
[s. d.] mit analogischer Übernahme der Ver-
bindung *-st- aus dem schwachen Stamm
urgerm. *swestr- < vorurgerm. *swesr-); al-
so: vorurgerm. *ghelts-tro- > *elssra- >
*el-stra-.
Ist aber der t-Einschub älter als die Entste-
hung von uridg. *-ss- < *-tst-, dann gewinnt
die zweite Annahme, nämlich daß sich die
Lautfolge *-tst- vor folgendem *-r- im Germ.
zu *-str- mit Erhaltung des zweiten *-t- ent-
wickelte, also *ghelts-tro- > *elssra- > *el-
stra-, die größere Wahrscheinlichkeit (so W.
Meid, a. a. O.; insgesamt zur Problematik
von s in Verbindung mit t-haltigen Suffixen
218—255). Der gleiche Lautwandelprozeß ist
auch im Lat. feststellbar: lat. rōstrum
‚Schnabel‘ < *rōts-tro- < *roh₃d-tro- zu lat.
rōdō- ‚ich nage‘ (Meiser, a. a. O.; Leumann
1977: 197 hält den Wandel *-tstr- > -str- mit
Ausnahme des Ai. für idg., bringt aber nur
Beispiele aus dem Lat. bei).
Im Ai. wird die Folge *-tstr- zu -ttr- restituiert (s. KS
Hoffmann 1975/76: 2, 400).
Die Suffixvariante urgerm. *-stra- blieb
nicht auf Ableitungen mit dentalisch auslau-
tender Wurzel beschränkt, sondern erlangte
eine gewisse Produktivität, indem das Suffix
auch an Wurzeln auf Tektal antrat: aisl.
bakstr ‚das Backen, Gebäck‘ zum sw. v. ba-
ka ‚backen‘; aisl. bolstr, bulstr ‚Polster, Kis-
sen‘, ae. bolster, ahd. bolstar, polstar ‚Pol-
ster, Sockel‘ (s. d.), mndd., mndl. bolster,
bulster ‚Polster, Fruchthülse‘ < urgerm.
*ulstra- < *ulχstra- zu ae., as., ahd. belgan
‚aufschwellen‘ (vorurgerm. *bhelĝhe/o-
‚schwellen‘).
Walde-Pokorny 1, 632; Pokorny 436. — Olsen 1988:
21; Porzig 1974: 76—78; G. R. Solta, Sprache 9
(1963), 182.