gerstî
Band IV, Spalte 183
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gerstîAWB f. īn-St., nur Gl. 2,321,10
(10. Jh.): Groll, Garstigkeit; rancor. Das
Wort ist ein īn-Abstraktum zu einem im
Ahd. nicht belegten Adj. *garst(i); vgl. mhd.
garst adj. ranzig, verdorben schmeckend
oder riechend
, st. m. ranziger, stinkender
Geschmack oder Geruch
, frühnhd. garst adj.
(seit dem 15. Jh. durch garstig ersetzt), garst
m. Geruch von verdorbenem Fleisch, Gar-
stigkeit, Groll
.

Ahd. Wb. 4, 234; Splett, Ahd. Wb. 1, 289; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 367; Schützeichel⁶ 133; Starck-Wells
198; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 444; Graff 4,
265; Lexer 1, 739; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 552 (ran-
cor); Dt. Wb. 4, 1374 f.; Kluge²¹ 233 (garstig); Klu-
ge²⁴ s. v. garstig; Pfeifer, Et. Wb.² 399 (garstig).

In den anderen westgerm. Sprachen sind nur
entsprechende Adj. belegt: mndd. garst
(auch garstich, gerstich) ranzig, verdorben,
stinkend
; mndl. garstisch, gerstich, gerst
dss., nndl. garstig. Im Aisl. kommt ein sw.
Verb gersta ärgern, quälen, reizen und ein
Part.-Adj. gerstr unbehaglich, trübe [Wetter,
Tag], mürrisch, gereizt [Person]
vor. Die
Sippe ist im Engl. nicht belegt.

Fick 3 (Germ.)⁴ 130; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 233; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2,
1, 21; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 14; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 2, 925 f.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 176; Vries, Ndls. et. wb. 185; Et. wb. Ndl. F-Ka
174; Vries, Anord. et. Wb.² 165; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 365; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 83.
Zupitza 1896: 171 f.

Germ. *arst- ist anscheinend ein altes Ver-
baladj. auf -t (vgl. Heidermanns, a. a. O. und
Wilmanns [190630] 1967: 2, § 336) zu ei-
ner idg. Wz. *ghers- : *ghors- : *ghs- etwa
drohen, ärgern, quälen, mit Abscheu erfül-
len
(anders Pokorny 445: Widerwille, Ab-
scheu, Ekel
). Zu dieser Wz. gehört wohl
arm. garim habe Abscheu vor (< *ghs-)
und zu einer Variante *ghres- : *ghros- gehö-
ren lit. grasùs Überdruß erregend, unaus-
stehlich, widerwärtig, unfreundlich [auch
vom Wetter]
, grastìs Androhung, strenges
Verbot
, grìsti überdrüssig werden, grsti,
grasìnti, grasti drohen, abschrecken usw.;
lett. grasât, grasît drohen; toch. AB krās-
ärgern, quälen. Alles Weitere ist höchst un-
sicher.

Air. goirt bitter, wenn aus *ghorsti-, würde germ.
*arst- genau entsprechen, aber gewöhnlich wird das
Wort auf *ghorti- zurückgeführt, mit aksl. goьkъ-
scharf, bitter verbunden und zur idg. Wz. *gher-
heiß, warm, (brennend vom Geschmack) gestellt
(vgl. slowen. gorǝk warm, bitter, atschech. hok
bitter, aber ntschech. hork warm; Pokorny 495;
Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. z. d. aksl. Texten 30.
238 [Nr. 242]). Pokorny stellt die germ. Wörter nicht
nur zu *ghers- (S. 445), sondern auch zu *ghers- (S.
495)!, was semantisch sehr fraglich und lautlich,
wenn man das Seeboldsche Gesetz (vgl. E. Seebold,
ZVSp 81 [1967], 104 ff.) gelten läßt, unmöglich wäre.
Man hat auch versucht, sowohl air. goirt als auch
aksl. goьkъ- von *gher- zu trennen und zusammen
mit den germ. Wörtern und sogar lat. rancidus
ranzig, stinkend, ekelhaft zu einer Wz. *gher- zu
stellen (H. Reichelt, Glotta 6 [1915], 70 f.; vgl. auch
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 416 f.). Aksl. goьkъ-
ist jedoch kaum von aksl. gorěti brennen zu trennen
(vgl. auch die oben angeführten slowen. und tschech.
Wörter, die auch warm bedeuten); deshalb ist auch
air. goirt wohl mit air. for-geir erwärmt, erhitzt, mir.
gorim, guirim erhitze, erwärme ( gor) zu verknüp-
fen.

Problematisch ist auch der Vergleich mit lat. horreō
rauh sein, starren, schaudern, sich entsetzen und ai.
hárate, hyati wird starr, ist erregt, freut sich (vgl.
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 439). Erstens weichen
die Bedeutungen voneinander ab und zweitens wer-
den diese Wörter gewöhnlich zur Wz. *her- starren
mit palatalem Anlaut gestellt (Pokorny 445 f.). Den-
noch deuten verwandte Formen im gveda wie ghu-
erregt auf einen velaren Anlaut in den ai. Wörtern
(vgl. Mayrhofer, Et. Wb. d. Altindoar. 1, 517); da jav.
zarǝiiamna- erregt, aufsträubend dagegen einen pa-
latalen Anlaut hat, sind nach Mayrhofer, Et. Wb. d.
Altindoar. 2, 807 f. in den ai. Wörtern zwei Wurzeln
zusammengefallen, d. h. idg. *hers- und *ghers- (vgl.
auch W. P. Schmid, FS Untermann 1993: 381 Anm.
25). Es wäre also theoretisch möglich, die ai. und lat.
Wörter zusammen mit der Sippe von idg. *ghers- :
*ghres- und viell. auch die von idg. *gher- hervor-
stechen
( grana, grât, grazlîcho, grezzenach) zu
einer idg. Wz. *gher(s)- rauh, stachelig sein, hervor-
stechen
zu stellen, die einerseits die Bedeutung rauh
behandeln, widerlich, anstößig sein
(> drohen, är-
gern, quälen, mit Abscheu erfüllen
; s. o.), anderer-
seits die Bed. sich sträuben, erregt sein entwickelte.
Dagegen läßt sich aber einwenden, daß eine zweite
Wz. *hers- mit palatalem Anlaut und ähnlicher Bed.
angesetzt werden müßte, zu der jav. zarǝiiamna-
(s. o.), arm. jar Mähne des Pferdes, alb. derr
Schwein (Borstentier), derk Ferkel und wohl auch
gr. χήρ Igel, χοῖρος m. f. Ferkel, lat. ēr m. (< *hēr)
Igel gehören.

Wohl fernzuhalten ist lat. fastīdium Ekel, Widerwille,
Überdruß
, denn dialektisches f- für h- ist ganz ohne
Anhalt
(Walde-Hofmann, a. a. O. 1, 461).

Walde-Pokorny 1, 610 f. 688 ff.; Pokorny 445. 493 f.;
Bartholomae, Airan. Wb.² 1684; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. 1, 413 (ēr). 460 f. (fastīdium). 659
(horreō); 2, 416 f. (ranceō); Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 200 ([h]ēr). 299 f. (horreō); Meyer, Et. Wb. d.
alb. Spr. 64; Demiraj, Alb. Et. 131 f.; Hübschmann,
Arm. Gr. 432; Solta 1960: 371 f.; H. Petersson, ZVSp
47 (191516), 258; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. z.
d. aksl. Texten 30. 238 (Nr. 242); Fraenkel, Lit. et.
Wb. 166 f. (s. v. grsti 1.); Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. 1, 638; Dict. of Irish G-131; Pedersen
[190913] 1976: 1, 33; Windekens, Le tokharien 1,
234; Adams, Dict. of Toch. B 215. J. Loewenthal,
PBB 54 (1930), 318 (verfehlt).

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