getilôs
Band IV, Spalte 194
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getilôsAWB adj., nur in Gl. seit dem
8./9. Jh.: zügellos, mutwillig, ausgelassen,
ausschweifend; lascivus, luxuosus, petulans
(vgl. Diefenbach, Novum gl. lat.-germ. 242:
luxosus)
Var.: k-; -te-, -to-, -tti-, -tte-; gei-
de- (mfrk.). Mhd. get(e)lôs zügellos,
mutwillig
, nhd. veraltet gätlos, getlos fröh-
lich, zügellos, mutwillig
.

Ahd. Wb. 4, 241; Splett, Ahd. Wb. 1, 302; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 368; Schützeichel⁶ 133; Starck-Wells
199. XLI; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 447;
Graff 4, 144; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 368 (lascivus).
384 (luxuosus). 489 (petulans); Lexer 1, 943; Dt. Wb.
4, 1494; 5, 4388; Kluge²¹ 235 (s. v. Gatte).

Ahd. getilôs besteht aus *ađa-, zur germ.
Wz. *ađ- vereinigen, eng verbunden sein,
zusammenpassen
( gigat, gataling; zu den
vorherrschenden Formen ohne Gemination
vgl. Gröger 1911: § 59) + -lôs (s. d.) und be-
deutet eigtl. unschicklich; vgl. nhd. getelich
passend, schicklich. S. auch ahd. urgetilîh
rauh, ungesittet; hirsutus, urgetilîcho un-
natürlich; portentuose
. Offenbar verwandt
ist aisl. geðlauss, das aber wankelmütig,
charakterlos
bedeutet und zu aisl. geð n. ja-
St. (< *ađa-) Einstellung, Gesinnung,
Sinn, Zuneigung, Lust
, nnorw. gjed Stim-
mung, Eifer
gehört. Wegen des Bed.-
unterschiedes hat man die skand. Sippe zu-
sammen mit ahd. getilôs von germ. *ađ-
getrennt und zur idg. Wz. *ghedh- bitten,
begehren
gestellt (z. B. Vries, Anord. et.
Wb.² 159; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 411 f.;
Pokorny 488: alle unsicher), eine Etymolo-
gie, die bestimmt abzulehnen ist. Erstens
kann ahd. getilôs keineswegs von mhd. gete-
lich, ahd. urgetilîh usw. getrennt werden, die
zweifellos zu *ađ- gehören; zweitens ist ei-
ne Grundbedeutung Leidenschaft für die
skand. Sippe unbegründet (vgl. C. C. Uhlen-
beck, PBB 22 [1897], 544, der aber trotz die-
ses Fehlers den richtigen Vergleich mit got.
gadiliggs usw. getroffen hat); drittens ist die
Herleitung aus *ghedh- lautlich unmöglich,
wenn man das Seeboldsche Gesetz (vgl. E.
Seebold, ZVSp 81 [1967], 104 ff.) gelten läßt.
Obgleich die skand. Sippe höchstwahr-
scheinlich zur germ. Wz. *ađ- gehört, be-
reitet die semantische Kluft zwischen den
skand. und dt. Wörtern große Schwierigkei-
ten. Vielleicht ist die Grundbed. der skand.
Sippe Einstellung aus einer früheren Bed.
was einem paßt, woran man festhält ent-
standen (etwas ähnlich schon G. S. Lane,
JEGP 35 [1936], 23; vgl. auch F. A. Wood,
JEGP 13 [1914], 501 f., der aber zu Unrecht
auch got. gatils passend vergleicht).

Fick 3 (Germ.)⁴ 123 f.; Vries, Anord. et. Wb.² a. a. O.;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 81; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 1, 566 f.; Torp, Nynorsk
et. ordb. 155. Walde-Pokorny 1, 531 ff. 673; Pokor-
ny 423 f. 488.

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