gires
Band IV, Spalte 370
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giresAWB mhd. st. m., nur in Gl. seit dem
12. Jh.: Giersch, Geißfuß; macedonicum (Ae-
gopodium podagraria L.), Meisterwurz (Peu-
cedanum ostruthium L.), Große Strenze; ostri-
cium (Anstranzia maior L.)
Var.: girst (Gl.
4,362,7, 13. Jh.) mit epithetischem /t/ nach /s/;
vgl. Paul 2007: § L 118; giritse (Gl. 3,598,26,
13./14. Jh.); dat.sg. gerese (Gl. 3,593,59,
13. Jh.) mit Senkung von /i/ > /e/ vor folgen-
dem /e/; vgl. Weinhold [1867] 1985: § 11>.
Älteres nhd. gierisch, daneben gersch m.
Geißfuß; aegopodium podagraria, nhd.
Giersch Geißfuß (seit dem 18. Jh.). Das
Wort ist heute vorwiegend mdartl. verbreitet,
bevorzugt im Mittel- und Niederdt. (thür.,
osächs., preuß., schles., meckl., schleswig-
holst.), obd. sind nur schweiz. gerrisch Mei-
sterwurz, Geißfuß
und schwäb. girsch.

Der zu den Doldengewächsen gehörende Giersch, der
durch weiße Blüten, lange hohle Stengel und doppelt
dreizählige Blätter charakterisiert ist und heute als Un-
kraut gilt, wurde im Mittelalter in Klostergärten für me-
dizinische Zwecke kultiviert und als schmerzlinderndes
Mittel gegen Rheumatismus und Gicht eingesetzt.

Ahd. Wb. 4, 285; Splett, Ahd. Wb. 1, 301; Schützeichel⁶
135; Starck-Wells 198; Schützeichel, Glossenwort-
schatz 3, 464 f.; Graff 4, 238; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
385 (macedonicum). 458 (ostricium); Dt. Wb. 5, 3733
(gersch); 7, 7388 f. (giersch); Kluge²¹ 257; Kluge²⁴ s. v.
Graßmann 1870: 100 ff.; Hoops 1905: 367 f.; Marzell
[194358] 2000: 1, 124 f. 505 ff.; 3, 646; Sauerhoff
2003/04: 14 f. Schweiz. Id. 2, 404; Ochs, Bad. Wb. 2,
4140 (ohne Beleg); Fischer, Schwäb. Wb. 3, 663; Nach-
trag 6, 2042; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 2, 1355;
Spangenberg, Thür. Wb. 2, 635 f.; Frings-Große, Wb. d.
obersächs. Mdaa. 2, 103 (neben m. auch f. Giersche);
Mitzka, Schles. Wb. 1, 423; Mensing, Schleswig-holst.
Wb. 2, 376; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. 2, 376;
Frischbier, Preuß. Wb. 1, 228; Riemann, Preuß. Wb. 2,
390.

Die mhd. Pflanzenbezeichnung hat ihren Aus-
gangspunkt wohl im Niederdeutschen. Das
Wort hat Entsprechungen in mndd. gers, gērse
Große Petersilie, Giersch und nndl. mdartl.
geer, geers dss.: < westgerm. *gersa-.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 80; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 73; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
2, 1561 f. Heukels 1907: 6.

Verwandte sind lediglich im benachbarten
balt. und eventuell im slaw. Sprachgebiet
nachweisbar, wobei im Unterschied zum
Germ. die Wurzelsilbe eine o-Stufe fortsetzt:
lit. gav Geißfuß, gaas, gar En-
gelwurz
, gatis Kerbel; lett. gārsa, gra,
gāri Giersch, Geißfuß: < urbalt. *gorso-,
*gorso-, *gorsia-. Damit stimmt im Slaw.
formal überein: bulg. grach, russ., ukrain.
goroch, wruss. garóch, poln. groch, tschech.
hrách, slowak. hrach, slowen. gràh, osorb.
hroch, ndsorb. groch Erbsen; serbo-kroat.
grȁh Bohne: < urslaw. *gorchъ (mit -ch- <
*s vor *r), wobei die slaw. Wörter die jewei-
lige einzelsprachlich zu erwartende Realisie-
rung der Liquidenmetathese zeigen. Die dem
Balt. und Slaw. gemeinsame Vorform
*ghorso- stünde so im Ablaut zu vorurgerm.
*gherso-. Was die semantische Seite dieser
Verbindung angeht, so bezeichnen ahd. gires
usw. zwar unterschiedliche Pflanzen:
Giersch bzw. Bohne, Erbse. Das ge-
meinsame Bedeutungsmerkmal könnte je-
doch stark wuchernd sein, da es sich bei
diesen Pflanzen um Gewächse mit stark wu-
chernder Ausbreitung handelt. Unter Um-
ständen kann so die germ.-balt.-slaw. Iso-
glosse aufrechterhalten werden.

Walde-Pokorny 1, 611; Pokorny 445; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 79 f.; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 331 f.; Tru-
baev, Et. slov. slav. jaz. 7, 45. 49 f.; Vasmer, Russ. et.
Wb. 1, 297; Schuster-ewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 349 f.;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 138; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-
dt. Wb. 1, 618 f.

S. auch astrenza, gers.

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