gleifAWB (oder gleifiAWB) adj., nur in zwei Gl.:
‚schräg, abgeschrägt, abhängig (als gramm.
Terminus); obliquus‘ 〈Var.: nom.pl. m.?
cleifi 2,159,23, alem., 8./9. Jh., St. Galler
Donatgl.; akk.pl. f. kleiffo 1,286,22, alem.,
frühes 9. Jh.〉. Für die morphologische Be-
stimmung von cleifi gibt es zwei Möglich-
keiten: Entweder ist die Endung -i (für zu
erwartendes -e) des Nom.Pl. m. nach lat. ob-
liqui verschrieben, oder es handelt sich um
den Nom.Sg. m. eines ja-stämmigen Adj. mit
inkorrekter Numeruswiedergabe. Die Dop-
pelschreibung in kleiffo ist aber kein Indiz
für einen ja-St., da 〈ff〉 nach Langvokal
auch Graphie für verschobenes *p sein kann
(Braune-Reiffenstein 2004: § 176). — Mhd.
gleif ‚schief, schräg‘, subst. gleif st. m. ‚das
Abschüssige, Schräge‘. Im Frühnhd. und
nhd. dial. ist lediglich das mhd. Subst. fort-
gesetzt: schwäb. gleif m. f. n. ‚schiefe Ebe-
ne‘, pfälz., südhess. gleif f. n. ‚schräge Wand
einer Fensternische‘ (südhess. auch m.),
osächs. gleif f. ‚Grätsche‘, schweiz., els.
gleipf n. ‚Abschrägung von Wandöffnun-
gen‘, glifer m. (Bedeutung unsicher, wohl
‚glatter, abschüssiger Fels‘) in der Wendung
glatt wie glifer. Das Subst. ist im Schwäb.
und Osächs. auch in FlurN zur Bezeichnung
abschüssiger örtlicher Gegebenheiten erhal-
ten. Zum Verb ahd. gleifen s. d.
Ahd. Wb. 4, 303; Splett, Ahd. Wb. 1, 309; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 479; Schützeichel⁶ 135; Starck-Wells
231; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 472; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 247. 296 (II). 725 (I);
Seebold, ChWdW8 146 (nur cleifi); Graff 4, 293; Le-
xer 1, 1031; 3, Nachtr. 213; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
439 (obliquus); Dt. Wb. 7, 8282 f. — Bergmann 1983:
Nr. 169. — Schweiz. Id. 2, 607. 639; Martin-Lienhart,
Wb. d. els. Mdaa. 2, 260; Fischer, Schwäb. Wb. 3,
689; Christmann, Pfälz. Wb. 3, 343 f.; Maurer-Mulch,
Südhess. Wb. 2, 1387; Frings-Große, Wb. d. ober-
sächs. Mdaa. 2, 115.
Ahd. gleif ist ein Verbaladj., das nur in
mndd. glp, gleppe ‚schief, schräg‘, mndl.
substantiviert glepe ‚das Schiefe, Schräge‘ <
westgerm. *glai̯pa- eine Entsprechung hat.
Die Ableitungsbasis bildet ein st. v. I, das
erst in mhd. glîfen ‚schräg, abschüssig sein‘
< westgerm. *glei̯pe/a- überliefert ist. Aus
dem Nordgerm. schließt sich das st. v.
nschwed. dial. glīpa ‚geöffnet sein‘ an, wenn
sich die Bedeutung ‚offen stehen‘ aus der
Bedeutung ‚schräg sein, Winkel bilden‘ ent-
wickelt hat (Fick 3 [Germ.]⁴ 148). In diesem
Fall gehören auch folgende Substantive da-
zu: mndd. glepe, glippe ‚Spalt, Ritze‘, nndd.
glipe, glippe ‚Zugreuse‘ (benannt nach der
Öffnung); nndl. dial. glip ‚Spalt‘; nnorw.,
nschwed. dial. glīp m. ‚Fischreuse‘, nnorw.
dial. glīp n., glīpa f. ‚Öffnung‘, nschwed. di-
al. glip n. ‚Öffnung, Schlund, Riß‘ <
*lipi̯ōn-.
Weiteres zur Etymologie → gleifen.
Heidermanns, Et. Wb. d. germ. Primäradj. 245;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 120; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 118 f.; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 2, 1993 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 173; Jóhannes-
son, Isl. et. Wb. 379; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 88; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 327; Ordb. o.
d. danske sprog 6, 1057 f.; Torp, Nynorsk et. ordb.
164 f.; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 285 f.; Svenska
akad. ordb. s.vv.