goufanaAWB f. ō-St., nur in Gl. 1,387,39
(Rb) und Gl. 4,219 Anm. 3 (11. Jh., bair.):
‚Höhlung, die durch das Zusammenlegen der
gekrümmten Hände entsteht, eine Handvoll;
poples‘ 〈Var.: cophina〉. — Mhd. goufe sw. f.
‚die hohle Hand‘, ält. nhd. gaufe f. ‚die hohle
Hand‘.
Ahd. Wb. 4, 371; Splett, Ahd. Wb. 1, 316; Schützei-
chel⁶ 137; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 485; Starck-Wells
235; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 10; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 296. 440; Seebold,
ChWdW8 147; Graff 4, 177; Lexer 1, 1058; Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 500 (poples); Dt. Wb. 4, 1542 ff.;
Kluge²⁴ s. v. — Müller-Frings 1966—68: 1, 21; R. Lühr,
in Meid 1987: 69.
Zu ahd. goufana stellen sich: aisl., nisl.
gaupn, fär. geykn, nnorw. gaupn, nnorw.
dial. gaukn, gaufn, adän. gøbn, gjøven, dän.
veralt. gjævn, nschwed. göpen, ngutn. gaukn
‚hohle Hand‘ (die Formen mit -kn- sind wohl
das Resultat einer Dissimilation von -pn- >
-kn- [vgl. Lühr 1988: 338 Anm. 2189]; aus
dem Nordgerm. ist me. goupen, ne. gowpen
‚zwei Hände voll‘ entlehnt; vgl. Björkman
[1900—02] 1973: 70; Thorson 1936: 30): <
urgerm. *au̯p(a)nō-. Es liegt eine Ableitung
mit dem Verbalsubstantiva bildenden Suffix
urgerm. *-(a)nō- (Krahe-Meid 1969: 3, § 94;
ob das ahd. -a- als Sproßvokal aufzufassen
oder zum Suffix gehörig ist, kann aus den
belegten Formen nicht entschieden werden;
jedoch sprechen die daneben stehenden
Formen ahd. goufa ‚eine Handvoll‘ [s. d.]
eher für eine bindevokallose Form; vgl. Lühr
1988: 338); ebenfalls kommt das Suffix
urgerm. *-nō- auch in weiteren Körperteil-
bezeichnungen wie urgerm. *ferznō ‚Ferse‘
und *ōksnō ‚Achselhöhle‘ vor) zu einem st.
Verb urgerm. *eu̯pe/a- ‚aufnehmen‘ vor.
Das Verb ist wohl einmal im Ae. (Rätsel 23,
9) als 1.sg.ind.prät. geap ‚ich nahm auf‘
bezeugt: ealfelo attor þæt ic ær geap ‚das
tödliche Gift, das ich zuvor aufnahm‘.
Falls die uridg. Etymologie (s. u.) tatsächlich
auf eine für das Germ. zu erwartende Lau-
tung *-f/- weist, könnte sich das germ. *-p-,
das in allen Belegen vorliegt, aus dem Wort
für ‚hohle Hand‘ *au̯/fnō > *au̯pnō (mit
*-n- > *-pn-) verselbständigt und das *-f/-
der übrigen Formen verdrängt haben (vgl.
Lühr 1988: 338 f.); so wurde dann etwa ein
ursprüngliches *au̯/fōn- durch *au̯pōn- >
ahd. goufa ‚eine Handvoll‘ (s. d.) ebenso wie
ursprüngliches *eu̯fe/a- durch *eu̯pe/a- er-
setzt.
Fick 3 (Germ.)⁴ 137; Seebold, Germ. st. Verben 227;
Heidermanns, Et. Wb. d. germ. Primäradj. 234 f.;
Holthausen, Ae. et. Wb. 127; Bosworth-Toller, AS
Dict. 366. 427; Suppl. 287; ME Dict. s. v.; OED² s. v.;
Vries, Anord. et. Wb.² 159; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
320; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 1, 566;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 81; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 321; Ordb. o. d. danske sprog 7,
539 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 149; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 323; Svenska akad. ordb. s. v. — Lühr 1988:
338 f.
Urgerm. *eu̯pe/a- ← *eu̯fe/a- < vorur-
germ., vorurbalt. *ĝheu̯p- ‚mit der Hand auf-
nehmen‘ hat lediglich in lit. žiùpsnis ‚so viel
man auf einmal fassen kann, eine halbe
Handvoll, ein wenig, hohle Hand‘, lett.
župsnis ‚so viel man mit 3 Fingern fassen
kann, ein wenig, eine kleine Baum- oder
Strauchgruppe‘ < *ĝhupsni- eine verwandte
Bildung. Bei den balt. Wörtern liegt eine Ab-
leitung mit dem Suffix *-sni- der Verbalwur-
zel vor (zum Suffix vgl. Endzelin 1923:
211 f.).
Nicht ganz ausgeschlossen werden kann je-
doch, daß die balt. Wörtern auf *ĝhubsni- mit
Assimilation von *-bs- > -ps- zurückgehen
(zum Lautwandel vgl. Endzelin 1923: 147;
Endzelin 1971: 64); in diesem Fall wäre die
vorurgerm., vorurbalt. Wurzel als *ĝheu̯b-
anzusetzen, wobei die germ. Fortsetzer mit
*-p- lautgerecht wären.
Walde-Pokorny 1, 566; Pokorny 449; Fraenkel, Lit.
et. Wb. 1315; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 4,
832. — Rasmussen 1989: 191.