gougalAWB n. a-St., nur BWG, BWB, Npg
und Gl. seit dem 12. Jh.: ‚Zauberei, Blend-
werk; praestigium‘ 〈Var.: c-, k-; -ǒ-, -o-, --;
-k- (Dissim. gegen den Anlaut), -ch-; -el,
-il〉. — Mhd. gougel, goukel n. ‚dss.‘, auch
‚närrisches Treiben, Possen‘, nhd. (veraltet)
Gaukel m. f. ‚Possen, Hanswurst‘.
Ahd. Wb. 4, 371 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 316; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 485; Starck-Wells 235. 819; Schütz-
eichel⁶ 138; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 10;
Graff 4, 134; Lexer 1, 1059; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
514 (praestigium); Dt. Wb. 4, 1548 f.; Kluge²¹ 236
(s. v. gaukeln); Kluge²⁴ s. v. gaukeln; Pfeifer, Et. Wb.²
402 (gaukeln).
Ahd. gougal hat nur im Mndd. eine Entspre-
chung: mndd. gōkel- in Zss. wie gōkelman
‚Gaukler, Taschenspieler, Narr‘, gōkelspil
‚Gaukelspiel, Taschenspielerei‘ usw. (aus
dem Mndd. entlehnt sind ndän. gøgl ‚Nar-
renpossen, Spaß‘, nschwed. gyckel ‚Scherz,
Spaß‘).
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 131; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 131; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 322; Nielsen, Dansk et. ordb. 169; Ordb. o. d.
danske sprog 7, 494 f.; Hellquist, Svensk et. ordb.³
314 f.
Das Wort war also aufs Dt. beschränkt und
ist erst seit dem 11. Jh. belegt. Die Ableitung
gougalri ‚Zauberer‘ (s. d.) kommt dagegen
schon im 8./9. Jh. vor und hat Entsprechun-
gen in manchen anderen germ. Sprachen
(vgl. bes. as. geōgelere ‚Zauberer‘). Da die
Etymologie dieser Wörter dunkel ist, hat
man früher vermutet, daß gougalri aus lat.
ioculator ‚Spaßmacher‘ entlehnt worden sei
(z. B. Schade 1882: 344; Wesche 1940: 28);
also wäre gougal offenbar als eine Rückbil-
dung zu erklären. Aus semantischen (wie
auch lautlichen) Gründen scheint aber solch
eine Entlehnung ausgeschlossen zu sein. Die
lat. Sippe hat nur die Grundbed. ‚Scherz,
Spaß‘, während die germ. Wörter eine
Grundbed. ‚Zauberei‘ voraussetzen (nur in
ein paar späten Hss. der Canonesgl. [Gl.
2,119,19: 10.—11./12. Jh.] hat gougalri die
jüngere Bedeutung ‚Schauspieler, Mime;
scaenicus‘; zur späteren Bed.entwicklung
s. u.). Wenn die germ. Wörter tatsächlich aus
dem Lat. entlehnt sind, dann wäre eher an
mlat. cauclearius ‚Zauberer (Wetterzaube-
rer?)‘ zu denken (vgl. Mittellat. Wb. 2, 387;
H. Mordek und M. Glatthaar, AKG 75
[1993], 39 und Anm. 29), aber dieses selte-
ne, spät bezeugte Wort könnte ebensogut aus
obd. cauc(a)lari entlehnt sein.
Versuche, die Sippe auf einen germ. Ur-
sprung zurückzuführen, sind bisher mißlun-
gen, weil sie die jüngere Bed. der mhd.,
mndd. und nhd. Wörter als Ausgang nehmen
und diese Wörter daher mit einer anderen,
wohl nicht verwandten Sippe verknüpfen (→
gougarôn).
Deshalb ist Verwandtschaft mit ahd. gouh ‚Kuckuck,
Narr‘, nhd. Gauch abzulehnen (vgl. Weigand [1909—
10] 1968: 1, 630; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 207; da-
gegen Vries, Ndls. et. wb. 214); auch der Ansatz einer
idg. Wz. *gheugh- ‚spielend oder ausgelassen sich
umhertreiben, ulken, Possen treiben‘ bei Walde-
Pokorny 1, 566 (nicht mehr bei Pokorny!), der auf ei-
ner falschen Deutung von ahd. gougalôn und ae. geō-
gelere, mehreren späten (mhd., mndl.) Belegen, die
wohl zu einer anderen Sippe gehören, und nur einem
(falschen) außergerm. Vergleich (lett. gaugties; vgl.
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 1, 694; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 116 f.) beruht.
Ein Vergleich mit anderen idg. Wörtern mit
der Grundbed. ‚Zauber(ei), (be-)zaubern‘
zeigt, daß sie oft auf Wurzeln mit Bed. wie
‚rufen, anrufen, (be-)singen‘ zurückgehen
(vgl. ahd. [bi-]galan, galstar [s. d.], lat. in-
cantare). Es gibt auch eine idg. Wz.
*ĝhau̯(ǝ)- ‚rufen, anrufen‘ (Pokorny 413 f.),
zu der lit. žavéti ‚(be-)zaubern, besprechen,
verwünschen‘, lett. zavēt ‚zaubern, hexen‘
und av. zauuaiti ‚ruft an, verwünscht‘ gehö-
ren. Hierher zu stellen sind auch die „expres-
siven Iterativbildungen“ av. zaozaomi ‚rufe
nach, herbei‘, gr. καυχάομαι ‚rühme mich,
prahle‘ (< *ĝhau̯gha[u̯]-); vgl. Frisk, Gr. et.
Wb. 1, 803 f. (nach Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. 3, 586 sind av. zaozaomi und ai.
johavīti ‚ruft an‘ unabhängige Bildungen, die
nicht unmittelbar mit gr. καυχάομαι zu ver-
knüpfen sind). Ahd. gougal < urgerm.
*gaug- (+ l-Suffix wie bei ahd. sezzal, stap-
fal usw. [s.dd. und vgl. Wilmanns [1906—30]
1967: 2, § 205 ff.]) entspricht der Form nach
den gr. und av. Wörtern mit Reduplikation
und der Bed. nach den lett. und av. Wörtern
ohne Reduplikation. Für Verben mit der Bed.
‚zaubern‘ wäre eine „expressive Iterativbil-
dung“ bestimmt geeignet. Diese Etymologie
kann aber nicht als sicher gelten, weil genaue
außergerm. Entsprechungen fehlen. Möglich
wäre auch eine idg. Wz. *ĝhai̯-gh- mit *-gh-
Erweiterung, die aber sonst nicht bezeugt ist.
Die Bed.entwicklung der jüngeren (mhd.,
nhd., mndd.) Belege ist wohl mehreren Ur-
sachen zuzuschreiben: erstens hat man nicht
immer einen scharfen Unterschied gemacht
zwischen echtem Zauber und der Taschen-
spielerei eines Jahrmarktskünstlers; zweitens
ist wohl mit dem Einfluß von lat. ioculator
zu rechnen; drittens hat (bes. im Ndd.) das
Wort gouh ‚Narr‘ (ndd. gōk neben gōkel-)
die Bedeutung beeinflußt; viertens sind z. T.
zwei gleichlautende Sippen zusammengefal-
len: germ. *gaug-¹ ‚zaubern‘ und gaug-²
‚müßig, undiszipliniert, ausgelassen sein‘ (→
gougarôn).