goumenAWB sw. v. I, im Abr und weiteren
Gl., im T, bei O und N: ‚speisen, jemandem
ein Mahl bereiten, jemanden erquicken, auf
etwas, jemanden achtgeben, hüten, für je-
manden sorgen; cenare, epulari, reficere; at-
tendere‘; in Verbindung mit ni ‚verachten,
mißachten; abicere‘ 〈Var.: c-, k-; -au-〉. —
Mhd. goumen sw. v. ‚eine Mahlzeit halten,
auf etwas achtgeben‘, nhd. nur noch mdartl.
fortgesetzt: schweiz. gaumen ‚sich hungrig
hinstellen und ohne Worte betteln, Wache
halten, achthaben, hüten‘, tirol. gâmen ‚das
Haus hüten, Kinder beaufsichtigen‘, bair.
gâumen ‚achthaben, Aufsicht halten, Sorge
tragen für‘, bad. gaumen ‚Kinder beaufsich-
tigen, daheimbleiben, um das Haus zu hüten‘
(Abschiedsgruß gaumet wōl), schwäb. gau-
men ‚achthaben, das Haus oder Vieh hüten‘.
Ahd. Wb. 4, 380 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 317; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 486; Schützeichel⁶ 138; Starck-Wells
236. 849; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 15 f.;
Seebold, ChWdW8 147; Graff 4, 204 f.; Lexer 1,
1062; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 60 (attendere). 98
(cenare). 226 (epulari). 2 (abicere); Dt. Wb. 4,
1579 ff.; Kluge²⁴ s. v. gaumen. — Riecke 1996: 344 f. —
Schweiz. Id. 2, 300 f.; Stalder, Versuch eines schweiz.
Id. 1, 430 f.; Ochs, Bad. Wb. 2, 306; Fischer, Schwäb.
Wb. 2, 106 f.; Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 912 f.; Lexer,
Kärnt. Wb. 110; Schöpf, Tirol. Id. 171; Schatz, Wb. d.
tirol. Mdaa. 1, 208.
Das Verb hat in den meisten germ. Sprachen
Entsprechungen: as. gōmian ‚achthaben, hü-
ten, bewirten‘, mndd. gōmen ‚achthaben,
merken; schmausen, feiern‘; mndl. gomen
‚beobachten, sorgen für‘; ae. gīeman, gȳman
‚sich kümmern, beachten, heilen‘, me.
gēmen, ne. obsolet yeme ‚bemerken, betrach-
ten, sich sorgen um, schützen, kontrollieren‘;
aisl., nisl. geyma ‚beachten, sorgen für‘, fär.
goyma, anorw. geyma, nnorw. gøyma,
nschwed. gömma, ält. dän. gømme, ndän.
gemme; got. gaumjan ‚bemerken; βλέπειν,
διαβλέπειν, ἰδεῖν, κατανοεῖν‘: < urgerm.
*au̯mii̯e/a-.
Die Grundbedeutung des Verbs ist wohl
‚wahrnehmen, achtgeben, sich kümmern‘
(anders Rooth 1926: 17 f., der von einer
Grundbedeutung ‚essen‘ ausgeht; dagegen
einleuchtend F. Slotty, IF 46 [1928], 366 ff.).
Denn die Bedeutungen ‚essen, speisen, be-
wirten‘ sind nur im Ahd. und As. (nur ein
Beleg im Hel mit der Bedeutung ‚bewirten‘)
belegt. Aus ‚sich um jemanden, etwas küm-
mern‘ — Bedeutungen, die in allen angeführ-
ten germ. Sprachen nachweisbar sind, müßte
dann die Bedeutung ‚jemanden bewirten,
speisen‘ hervorgegangen sein.
Fick 3 (Germ.)⁴ 121; Holthausen, As. Wb. 28; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 207; Berr, Et. Gl. to Hel. 163; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 133; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 6, 143; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 2, 2058 ff.; Holthausen, Ae. et. Wb. 129. 140;
Bosworth-Toller, AS Dict. 494 f. 414; Suppl. 467 f.;
Stratmann-Bradley [1891] 1995: 278; ME Dict. s. v.;
OED² s. v.; Vries, Anord. et. Wb.² 165 f.; Jóhannes-
son, Isl. et. Wb. 388; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske
sprog 1, 592 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
84; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 314; Nielsen,
Dansk et. ordb. 154; Ordb. o. d. danske sprog 6,
763 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 193; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 323; Svenska akad. ordb. s. v.; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 207; Lehmann, Gothic Et. Dict. G-72.
— Rooth 1926: 1 ff.; O. Ramtoft, GHÅ 56, 3 (1950),
261—271.
Urgerm. *au̯mii̯a- stellt sich zu dem aisl.
sw. v. gá ‚achtgeben, vorsehen, schonen‘ (II.
und IV. Kl.; Noreen [1923] 1970: § 532, 6) <
urgerm. *au̯-ō-, für das sich nur im Lat. und
Slaw. Anknüpfungspunkte finden. Es wird
verbunden mit aksl. gověti ‚verehren‘, russ.,
wruss. govet’ ‚fasten, sich durch Fasten aufs
Abendmahl vorbereiten‘ (lit. gavti und lett.
gavêt ‚fasten‘ sind aus dem Wruss. entlehnt;
Brückner 1877: 83. 171), ukrain. hovíty, ser-
bo-kroat. gòvjeti ‚sich nach jemandem rich-
ten‘, slowen. dial. goveti ‚mürrisch schwei-
gen‘, tschech. hověti ‚Nachsicht haben, ge-
währen, schonen‘, osorb. howić ‚begünsti-
gen‘ < vorurslaw. *gu̯hou̯-éi̯e- und lat. faveo
‚bin gewogen‘ < vorurit. *gu̯hou̯-éi̯e- mit
*-ou̯- > urit. *-au̯- nach der Thurneysen-
Havetschen Regel (Schrijver 1991: 441 f.;
Meiser 1998: § 61, 7; anders LIV² 147 f.: lat.
faveo < *dhou̯-éi̯e-, fortgesetzt auch in ai.
dhāváyati ‚fährt [den Wagen]‘ [aus semanti-
schen Gründen nicht haltbar]).
Walde-Pokorny 1, 635 f.; Walde-Pokorny 2, 144; Po-
korny 453; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 464 ff.;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 220 f.; Berneker, Slav.
et. Wb. 1, 338; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu den
aksl. Texten 30. 238 (Nr. 246); Vasmer, Russ. et. Wb.
1, 282; Fraenkel, Lit. et. Wb. 142. — Persson 1912: 2,
729 f.