habênAWB sw. v. III (prät. habêta; nach der
I. sw. Kl. hebita, hapta), seit dem 8. Jh.: ‚ha-
ben, halten (für), hüten, ergreifen, besitzen,
innehaben, enthalten, behalten, festhalten, zu-
rückhalten, erhalten, haben als, sich befinden,
empfangen, sich zuziehen, (als Hilfsverb) ha-
ben, sein; adhaerere, aestimare, arbitrari, ca-
pere, conectere, copulari, credere, detinere,
esse, gerere, habere, obtinere, possidere, se
alligare, sustinere, tenere‘; in zahlreichen
Verbindungen: in âgezze, in gidâhti, in hasse,
in giluste, in muote, in firsihti habên
‚vergessen, bedacht sein auf, hassen, verlan-
gen nach, einprägen, verachten‘, zi bismere, zi
huohe, zi spotte habên ‚verhöhnen, verspot-
ten‘, zi liobêm habên ‚lieben‘, zi worte habên
‚als Entschuldigung vorbringen, sagen‘, dank,
durfti, gaganstelli, lîb, lougan, minna, ginâda,
namon, nôtdurfti, ruochûn, setî, skiera,
sorgûn, stillo, giwâsheit, teil habên ‚belohnt
werden, nötig haben, sich gegenüber stehen,
verschont, unbelästigt sein, leugnen, lieben,
sich erbarmen, heißen, brauchen, Beachtung
schenken, sorgen für, gesättigt sein, Sorge tra-
gen, verwalten, sich kümmern, innehalten,
verstummen, vertraut, ungestört sein, teilha-
ben‘, gifangan habên ‚befallen werden‘, sih zi
etewiu habên ‚in einer Beziehung stehen‘,
habên furi ‚halten für, betrachten als, achten
als‘, habên zi ‚halten für, betrachten als, rich-
ten auf‘, in refe habên ‚schwanger sein‘
〈Var.: heb-, hau-, heu-; -p-, -f-〉. Seit dem
11. Jh. (z. B. Npw und sonst im Bair.) sind im
Schwachton entstandene Kurzformen belegt
(am frühesten P hat versalt, 9. Jh.): z. B. WH
präs.sg.2. hâst, 3. hât, prät. hâte; RhC prät.
hate (vgl. LeidW hafda, hadde). — Mhd. ha-
ben, hân, nhd. haben ‚besitzen, sein eigen
nennen, bekommen, erhalten‘, als Hilfsverb
in der Verbindung mit dem Part.Prät. zur
Umschreibung des Perfekts.
Die synkopierten Präterita des Typs *habda,
*sagda, *libda sind im Ahd. zumeist durch
Ausgleich zugunsten von Formen der III. sw.
Kl. beseitigt; aber I, MF hapta neben hebita
(part. gihebit) in obd. Quellen (späteren bair.
Glossen), prät. hebiton (Rb), konj. hebiti
(Sam). Doch kommen zu habên im Präs. e-
Formen vor: z. B. sg.ind. hebis (MH), hebist
(Sam), hebit (I, B, MH, Npg), hevit als Ver-
mischung mit heffen? (MF); neben sg. 1. ha-
bu (T), habo (Nps) nach den sw. Verben der
I. Kl. auf -u, haben (T), 3. habet (B, Nps).
Zu H habbe s. Lühr 1982: 546 f.
Die Perfektumschreibung beginnt im frühen Ahd. Sie
ist das Ergebnis einer Bedeutungsübertragung. Zuerst
wurde ein Zustand bezeichnet. Dann wird die Zu-
standsbezeichnung zur Bezeichnung eines Vorgangs.
Daher erscheint habên (eigan) zunächst nur bei Ver-
ben, die ein passives Part. bilden können, also bei
transitiven Verben, und zwar bei solchen Objekten,
die im Besitz des Subjekts gedacht werden können;
z. B. T 149,4 senu nu andero fimui ubar thaz haben
gistriunit ‚siehe da, ich habe damit andere fünf [Zent-
ner] gewonnen‘ (superlucratus sum) (Behaghel 1924:
271 ff.). Zur Konkurrenz mit eigan ‚besitzen‘ und zur
Verwendung als Hilfsverb mit Part.Prät. vgl. B.
Zadorožny, PBB 95 (Halle, 1974), 386 f.
Ahd. Wb. 4, 532 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 362; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 503 f.; Schützeichel⁶ 144; Starck-Wells
246. XLII. 821. 849; Schützeichel, Glossenwortschatz
4, 95 f.; Seebold, ChWdW8 155; Graff 4, 711 ff.; Lexer
1, 1131 ff.; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 6 (acceptare). 7 f.
(accipere). 22 (aestimare). 26 f. (agere). 32 (alligare).
50 (arbitrari). 62 (attinere). 87 (capere). 89 (captator).
153 (copulare). 158 (credere). 190 (detinere). 201 (dis-
cere). 208 (dives). 228 ff. (esse). 260 (ferre). 276 (fra-
ternitas). 288 (gerere). 296 f. (habere). 298 (habitare).
299 (haerere). 391 (manēre). 430 (niti). 442 (obtinēre).
445 (occupare). 466 (parvipendere). 476 (percipere).
502 (possidēre). 523 (procreare). 556 (recipere). 574
(retinere). 615 (sociare). 647 (suscipere). 649
(sustinēre). 659 (retinēre). 664 (texere); Dt. Wb. 10,
45 ff.; Kluge²¹ 278; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 490. —
Braune-Reiffenstein 2004: § 368; Schatz 1907: 150;
Franck [1909] 1971: §§ 211 f. 197; Schatz 1927:
§§ 501 f.; Paul 1998: §§ 253. 284. — Matzel 1970:
241. 424 f.; Sanders 1974: 227. — HWPh 3 (1974),
981—983; Röhrich 2004: 1, 609 f.
In den germ. Sprachen entsprechen: aisl. hafa
(präs.sg. 1. hefe, alt auch hef, spät hefir, 2.3.
hefer, alt oft hefr, pl. 1. hǫfom, hafum, 2. ha-
feþ, 3. hafa, prät. hafða) ‚haben, anwenden,
halten, sich benehmen, führen, ziehen, fertig
sein‘ (auch mit ingressiver Bedeutung
‚nehmen, greifen, fassen, bekommen, tref-
fen‘ im Anord.), nisl. hafa, nnorw. hafa,
aschwed. hava (präs.sg. haver, havir, pl. ha-
vum, prät. ha[f]dhe), schwed. ha(va), ndän.
have; got. haben ‚haben, halten‘ (prät. ha-
baida) < *χaai̯-. Ein anderes Stammfor-
mans haben: as. hebbian ‚haben, halten‘
(präs.sg. 1. hebbiu, 2. haues, 3. habad, pl.
habbiad, hebbiad; prät. habda), mndd. heb-
ben (präs.sg. 1. hebbe, 2. hevest, hefst, heft,
hest, 3. hevet, heft, het, pl. hebben, hebbet,
hebt, prät. hadde, part. [ge-]hat); andfrk.
hebben (präs. heuit; prät. habda, hatta, ha-
beda), mndl. hebben (präs.sg. 1. hebbe, 2. he-
ves, heefs, mit Ausgleich hebbes, 3. hevet,
heeft, pl. 1. hebben, 2. hebbet, hebt, 3. heb-
ben, prät. hadde), nndl. hebben; afries. hab-
ba, hebba (präs.sg. 1. hebbe, 2. hest, 3. he-
veth, pl. hebbat[h], prät. hede), nfries. heb-
ben, habbe, hawwe; ae. habban (präs.sg. 1.
hæbbe, 2. hæfst, 3. hæfđ, pl. habbađ,
hæbbađ, prät. hæfde; präs.sg.2. hafas[t], 3.
hafađ nach der II. sw. Kl.) ‚haben, halten, un-
terhalten, schützen, erachten, erfahren, erhal-
ten, behaupten, betrachten‘, me. hven, ne.
have < *χai̯e/a-. Es liegt ein gemeinsames
Paradigma urgerm. *χaēi̯e/a-, prät. *χađōn
(s. u.) zugrunde. Das Verb ist ein Zustands-
verb zu urgerm. *χai̯e/a- ‚heben‘ (s. heffen).
Das Suffix *-ēi̯e/a- hat später *-ai̯/i̯a- erge-
ben, wobei vor hellem Themavokal *-ēi̯e- zu
*-ai̯- wurde und vor dunklem Themavokal in
der Folge *-ēi̯a- Entwicklung zu *i̯a- (mit
Synkope vor *-i̯-) stattfand (Klingenschmitt
1982: 275; vgl. auch E. Polomé, FS Pokorny
1967: 83—92). Die i̯a-Formen führten dabei
zu Bildungen nach der I. sw. Kl. Das dazu-
gehörige Prät. lautete wohl urgerm. *χađōn.
Im Got. und Ahd. wurde dagegen auf der
Basis der Stammvariante *-ai̯- ein Prät.
*χaai̯đōn gebildet.
Schwierig ist die Erklärung der got. thematischen
Formen: sg.1. haba, pl.1. habam, 3. haband. Wahr-
scheinlich setzen sie die Formen *χai̯ō, *χai̯am(e),
*χai̯andi fort, deren got. Vertreter *habja, *habjam,
*habjand das *j nach dem Vorbild der ai-Formen
sg.2. habais, sg.3.pl.2. habaiþ verloren haben (Kiek-
kers 1928: 238). Dagegen ist in der 1.Sg.Präs. aisl. he-
fe < *hefi < *hefiu Umbildung nach den Verben der I.
sw. Kl. eingetreten (Krahe-Meid 1969: 2, § 87 [S.
124]).
Mit einer Mischung von zwei Paradigmen bei der III.
sw. Kl. rechnet dagegen J. H. Jasanoff, Lg 49 (1973),
850—870: thematisches *habō, *habis und *habi̯ō (für
das Nordseegerm.). Dagegen wendet J. Dishington
(IF 83 [1978], 309) zu Recht ein, daß ein themati-
sches Verb nicht nachweisbar und auch eine Beein-
flussung eines stativischen Verbs durch ein solches
Verb nicht wahrscheinlich ist. Auch ist Jasanoffs Her-
leitung von urgerm. *χaai̯- aus einem vorurgerm.
Perf.Med. *kap-oi̯, das als Stamm *habai̯ + 0 (Perso-
nalkennzeichen) interpretiert wurde, unhaltbar (ders.
1978: 71; nach H. Collitz, BB 17 [1891]: 51 f.). Zwar
ist für das Uridg. ein Perf.Med. *me-m-oi̯ (jav.
mamne) anzusetzen; daß aber von der urgerm. Fort-
setzung 3.sg. *munai die III. sw. Kl. des Germ. aus-
gegangen ist, hält A. Bammesberger (PBB 109
[1987], 344) zutreffend für eine „schmale Basis“.
Bammesberger selbst rechnet bei dem Formans
*-ēi̯e/o- mit Ablaut: *-ēi̯e/o- in den starken Formen
(Sg.) und *-ǝi̯e/o- in schwachen Formen (Pl.) (dazu
vgl. aber Klingenschmitt 1982: 275). Auch F. Kort-
landts (NOWELE 15 [1990], 5) Rückführung des
Formans *-ēi̯e/o- auf ein ē-Prät. mit dem Suffix
*-i̯e/o- überzeugt nicht, da eine solche Ableitung ohne
Parallelen wäre (unhaltbar auch J. Dishington, Lg 52
[1976], 851 ff.): *-ai̯ der III. sw. Kl. weise auf oi̯e/o-
Faktitiva; ferner unberechtigt H. Wagners (1950:
48 ff.) Vergleich des Wechsels von *-ē- und *-i̯e/o-
im Germ., Balt. und Slaw. mit heth. sg.1. te-e-ih-hi
‚setze, stelle‘, 3. da-a-i (dazu s. Oettinger 1979:
482 f.).
Überholt ist der Ansatz von W. H. Bennett, Lg 38
(1962), 135—141; W. Cowgill, Lg 39 (1963), 265: *-ǝ-
i̯e-ti; vgl. dazu Bammesberger 1986: 134 f. Zum älte-
ren, heute nicht mehr haltbaren Ansatz eines *ēi/-
Paradigmas vgl. Jasanoff 1978: 60 ff. Zu den einzel-
nen Formen der Verben der III. sw. Kl. vgl. H. M.
Flasdieck, Anglia 59 (1935), 1—192.
Fick 3 (Germ.)⁴ 71 f.; Holthausen, As. Wb. 31; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 236 ff.; Berr, Et. Gl. to Hel. 181; Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 189. 191; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 247 ff.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2,
218 f.; Quak, Wortkonkordanz zu d. am.- u. andfrk. Ps.
u. Gl. 86 f. 90; Quak, Die am.- u. andfrk. Ps. u. Gl. 200;
Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 2, 194 ff.; Franck, Et. wb.
d. ndl. taal² 236; Suppl. 66 f.; Vries, Ndls. et. wb. 241;
Et. wb. Ndl. F-Ka 394 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 37.
40; Richthofen, Afries. Wb. 801 f.; Fryske wb. 8, 173 ff.;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2, 51 f.;
Dijkstra, Friesch Wb. 1, 483 f.; Holthausen, Ae. et. Wb.
143; Bosworth-Toller, AS Dict. 496 f.; Suppl. 491 ff.;
Suppl. 2, 38; ME Dict. s. v.; OED² s. v.; Vries, Anord.
et. Wb.² 201; Bjorvand, Våre arveord 334 ff.; Jóhannes-
son, Isl. et. Wb. 186; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske
sprog 1, 676 ff.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
103; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 386 f.; Nielsen,
Dansk et. ordb. 176; Ordb. o. d. danske sprog 7, 952 ff.;
Torp, Nynorsk et. ordb. 202; Hellquist, Svensk et. ordb.³
340 f.; Svenska akad. ordb. s. v.; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 229; Lehmann, Gothic Et. Dict. H-2. — Helten
1890: §§ 287. 290. 296; Noreen [1904] 1978: § 532, 5;
Gallée [1903] 1977: § 414; Franck 1909 [1971]:
§§ 152. 155; Lasch 1914 [1974]: § 439; Holthausen
1921: § 465; Noreen 1923 [1970]: § 532, 6; Brunner
1965: § 417 Anm. 1. — Helten [1902] 1971: 102; Kyes
1983: 37; Braune-Heidermanns 2004: § 191.
Holthausen (Ae. et. Wb. 143) erwägt zu Unrecht Entleh-
nung aus lat. habēre (so auch W. Luft, ZVSp 36 [1900],
145).
Vorurgerm. *kapēi̯e/o- ‚haben‘ hat resultativ-
durative Bedeutung und bezeichnet den Zu-
stand des ‚Ergriffen-Habens‘: ‚Was man er-
griffen hat, besitzt man‘. Das Stativformans
*ē < *eh₁ war wohl nicht dem quantitativen
Ablaut unterworfen. Dies zeigen die mit dem
sonst an die nullstufige Wz. angefügten Suf-
fix *-to- geschaffenen Verbaladjektive auf
*-eh₁-to- (vgl. lat. acētum ‚Essig‘ : acēre
‚sauer sein‘ < *h₂ak̂-eh₁-i̯e/o-; lat. frētus
‚vertrauend‘ < *dhreh₁-to-) und die Verben
auf *-ē-sk̂e/o- (alb. ngroh ‚erwärmen‘ < *en-
gu̯hr-eh₁sk̂e/o- ‚warm werden‘), Bildeweisen,
die sonst die Schwundstufe des Stammfor-
mans aufweisen.
Dagegen rechnet J. A. Harðarson (in Meid 1998) mit
zwei Typen von Stativverben: *-eh₁-i̯e/o- und *-h₁-
i̯e/o-: Für die zu den gr. Aoristen auf -η- gehörige
3.Pl.Ind.Akt. auf -εν ist daher anstelle einer Herlei-
tung aus *-h₁-ént wohl eine Rückführung auf *-eh₁-t
vorzunehmen (KS Klingenschmitt 2005: 269 f. und
Anm. 2).
Das ahd. Verb habên stellt sich zu lat. capiō
(perf. cēpī) ‚fassen, greifen‘, gr. κάπτω
‚schnappe, schlucke‘, got. hafjan ‚heben‘,
ahd. heffen (s. d.) < uridg. *kapi̯e/o-. Eine pa-
rallele semantische Entwicklung hat bei dem
Zustandsverb lat. habēre ‚haben‘, das zu ahd.
geban (s. d.) gehört, stattgefunden (Wz.
*ghabh-). Die zugrundeliegenden Wurzeln
*kap-, *ghabh-, *ghebh- ‚fassen‘ waren urspr.
voneinander unabhängig entstandene Laut-
gebärden (s. geban); vgl. nndd. happen,
nndl. happen ‚schnappen‘; afrz. (12. Jh.)
happer ‚wegschnappen‘; nndd. (18. Jh.)
Interjektion happ(s) (daraus nhd. Happen).
Mit sekundärem n-Infix oder als onomato-
poetische Neubildung erscheint eine Wz.
*kap- in lett. kàmpju, kàmpt ‚ergreifen, fas-
sen‘.
Nicht hierher gehört alb. ka ‚hat‘. Die Vorform ist ein
altes Perf. *(ku̯e-)ku̯oh₂-/*(ku̯e-)ku̯ǝ₂- ‚ich habe erwor-
ben, ich habe‘ der Wz. *ku̯ah₂- ‚erwerben‘ (LIV² 375);
doch dient das Verb im Alb. unter Einfluß des Roma-
nischen als Hilfsverb (Matzinger 2006: 119. 121. 124.
159).
Weitere Ableitungen im Germ. sind: aisl.
hǫfundr ‚Urheber, Richter‘, aisl. háfr m.
‚Fischhamen, Reuse‘, eine Vddhi-Ableitung
mit der Vorform *kēpo- (J. A. Harðarson, in
Meid 1998: 337 Anm. 41); zur Bedeutung
vgl. lat. capēdō ‚Opferschale‘, capis, -idis f.
‚(einhenkelige) Opferschale, Kelle‘, umbr.
kapiře ‚dss.‘; gr. κάπη ‚Krippe‘; möglicher-
weise auch ai. kapla- n. ‚Schale, Hirnscha-
le, Schädel‘ (mpers. kabārag, npers. kabāra
‚Gefäß, Behälter‘).
Sofern ai. kapla- tatsächlich zugehörig ist, kommt
keine Wz. *keh₂p- in Frage. Heidermanns (1999: 188)
erwägt für lat. capis, capidis und umbr. kapiře Entleh-
nung aus gr. σκαφίς, -ίδος ‚kleines Gefäß, Napf‘, wo-
bei das anlautende s- volksetymologisch durch An-
schluß an lat. capiō geschwunden sei.
Verben der Bedeutung ‚nehmen, greifen‘ ha-
ben oftmals eine Stammbildung mit *-ē
(i̯e/o-): lit. turiù, turti ‚haben‘; aksl. iměti
‚haben‘ (K. H. Schmidt, ZVSp 89 [1976],
91).
Die Rückführung der Wurzeln *kap-, *ghabh- auf eine
gemeinsame Grundform *khab(h)ē-, wie man sie in der
älteren Forschung findet (z. B. C. Lottner, ZVSp 11
[1862], 203; F. Kluge, ZVSp 25 [1881], 88), ist heute
überholt. Ähnlich auch Collitz 1912: 86 ff.: Kreuzung
aus *ghabh- + ei̯ mit der Wz. *kap-.
Walde-Pokorny 1, 342 ff.; Pokorny 527 f.; LIV² 344 f.
(doch: „wohl onomatopoetisch“ bei einem Ansatz
*keh₂p-); Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. 1, 155; ders.,
Et. Wb. d. Altindoar. 1, 300; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 783 f.;
Chantraine, Dict. ét. gr. 495; Untermann, Wb. d. Osk.-
Umbr. 367 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 159 f.;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 95 ff.; Demiraj, Alb. Et.
212 (unzutreffende Verbindung mit lat. capiō); ebenso
Orel, Alb. et. dict. 167 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-
dt. Wb. 2, 152. — W. v. Helten, IF 19 (1906), 173; K.
H. Meyer, IF 35 (1915), 224 f.; Collitz 1912: 84 f.; W.
J. Vendryes, MSLP 18 (1914), 310; W. Oehl, IJVS 1
(1926), 50—61; Porzig 1974: 107 f.; Sommer-
Forssman 1977: 4.
Abzulehnen: E. Prokosch, MPh 26 (1929), 464: Relikt-
wort.