habaroAWB m. n-St., seit dem 10. Jh. in Gl.:
‚(echter) Hafer; avena, bromus‘ 〈Var.: a-;
-p-; -e-, -i-〉. — Mhd. haber(e) sw. m. ‚Hafer‘
(zum Abfall des -e vgl. Paul 2007: § L53),
nhd. Haber, Hafer m. ‚Getreideart mit allsei-
tig ausgebreiteten Rispen‘. Die Form mit -f-
dringt seit dem 15. Jh. aus dem Md. ein und
wird seit dem 18. Jh. allgemein literatur-
sprachlich.
Ahd. Wb. 4, 530 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 336; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 503; Schützeichel⁶ 144; Starck-Wells
245. 821. XLII; Schützeichel, Glossenwortschatz 4,
93 f.; Graff 4, 760; Lexer 1, 1134; Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 67 (avena). 78 (bromus); Dt. Wb. 10, 78 ff.;
Kluge²¹ 278. 280; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 492.
— Bertsch-Bertsch 1949: 78 ff.; Marzell [1943—1958]
2000: 1, 531 ff. — Röhrich 2004: 1, 615 ff.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. havoro m., mndd. hāver(e) m. ‚Hafer‘;
mndl., nndl. haver m. ‚Hafer‘; nfries. hjou-
wer ‚Hafer‘; aisl., fär. hafri m., nisl. hafur
m., ndän., nnorw., nschwed. havre m. ‚Ha-
fer‘ (aus dem Nordgerm. entlehnt als me.,
ne. dial. haver; vgl. Björkman [1900—02]
1973: 213): < urgerm. *χaran- m.
Die weitere etymologische Verbindung ist
unsicher. Am ehesten ist urgerm. *χaran-
als Ableitung mit dem u. a. Konkretbezeich-
nungen bildenden Suffix urgerm. *-n- (zum
Suffix vgl. Krahe-Meid 1969: 3, § 91) von
urgerm. *χara- ‚Bock‘ (fortgesetzt in nhd.
Haber- [in Habergeiß], nhd. dial. häberling
‚einjähriger Ziegenbock‘, ae. hæfer, aisl.
hafr) zu bestimmen. In diesem Fall würde
das Benennungsmotiv auf die Fütterung des
Bocks mit diesem Getreide weisen. Als Aus-
gangsbedeutung wäre dann ‚Bockskraut‘ an-
zunehmen. Eine parallele semantische Ent-
wicklung könnte in gr. αἰγίλωψ ‚Flughafer‘,
falls eigtl. ‚Ziegenkraut‘ zu gr. αἴξ ‚Ziege‘,
vorliegen (vgl. Strömberg 1943: 137). Diese
Etymologie ist jedoch nicht allgemein aner-
kannt (ablehnend Frisk, Gr. et. Wb. 1, 31 f.;
Chantraine, Dict. ét. gr. 30). Die sonstigen
sekundären Konkretbezeichnungen bezeich-
nen die „Ähnlichkeit mit dem Grundbegriff“
(Krahe-Meid 1969: 3, § 91, 6); vgl. ae. barda
‚Schiffsschnabel‘ : ae. beard ‚Bart‘, ahd.
gêro ‚dreieckiger Streifen‘ (s. d.) : ahd. gêr
‚Speer‘ (s. d.).
Weit weniger wahrscheinlich sind andere etymologi-
sche Überlegungen: Verbindung mit ahd. huoba
‚Stück Land, Hufe‘ (s. d.) (so Specht 1947: 27), da
hier das -ra-Suffix nicht erklärt wird (die beigebrachte
Parallele lit. dirvà ‚Acker‘ : ai. drvā- f. ‚ein Hirse-
gras‘ ist nicht unmittelbar vergleichbar); Verbindung
mit aksl. koprъ ‚Dill‘ (so F. A. Wood, MPh 17 [1919—
20], 568), das jedoch wohl eher von der Wurzel in lit.
kvẽpia ‚duftet‘ abgeleitet ist (vgl. Vasmer, Russ. et.
Wb. 1, 619); Verbindung mit ai. śáṣpa- n. ‚junges Gras,
Graskeime‘ (so J. Charpentier, ZVSp 40 [1907], 436),
das Wort ist nicht völlig geklärt, weist aber wohl ein
-pa-Suffix auf (vgl. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. 3,
318 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. 2, 626).
Wegen des -g- ist eine Verbindung mit agutn. hagri,
nnorw., nschwed. dial. hagre ‚Hafer‘ (auch entlehnt in
finn. kaura, kakra, karel. kakra, weps. kagr, wot. kagra,
estn. kaer; Kylstra, Lehnwörter 2, 64) nicht möglich.
Fick 3 (Germ.)⁴ 73; Holthausen, As. Wb. 31; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 190; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 246; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2,
217 f.; 6, 151; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 189;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 235; Vries, Ndls. et. wb.
240; Fryske wb. 9, 25; Doornkaat Koolman, Wb. d.
ostfries. Spr. 2, 3; Vries, Anord. et. Wb.² 202; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 190; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske
sprog 1, 688; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
103; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 387 f.; Nielsen,
Dansk et. ordb. 176; Ordb. o. d. danske sprog 7,
992 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 202; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 341; Svenska akad. ordb. s. v. — Hoops
1905: 403 ff. 460 f. 633 ff.; Schaffner 2001: 129 f.;
RGA² 13, 322 ff.
Urgerm. *χara- ‚Bock‘ < uridg. *kap-ró- ist
ein substantiviertes Adj., dem umbr. kap-
ru(m), kabru und lat. caper ‚Ziegenbock‘
entspricht. Mit Substantivierungsakzent
uridg. *káp-ro- ist gr. κάπρος ‚Eber, Wild-
schwein‘ zugehörig. Die Benennung des
Ebers erfolgte erst nach dem Aufkommen
des Wortes τράγος ‚Bock‘ (eigtl. ‚der Na-
ger‘), wobei κάπρος, als ‚männliches Tier‘
interpretiert, zunächst „appositiv zu gr. σῦς
〈‚Schwein‘〉 ... verwendet“ wurde (Frisk,
Gr. et. Wb. 1, 783).
Wohl mit sekundärem Vokal urkelt.
*kaper(o)- ist gall. VN Caer(ac)-, air. caera,
kymr. caeriwrch ‚Schaf‘ hierherzustellen.
Mit nicht sicher erklärtem Anlaut (vielleicht unter
Einfluß von sonst nicht bezeugtem vorurkelt. *ghai̯d-
‚Ziege, Bock‘? [→ geiz]) ist gall. gabros, gabra, air.
gabor, kymr. gafr, akorn. gauar, abret. gabr, bret.
gabr ‚Ziege, Ziegenbock‘ (< urkelt. *gabro/ā-) wohl
ebenfalls nahe verwandt.
Nicht geklärt ist die Zugehörigkeit von ai. kápth- m.
‚Penis‘, da bereits der Ansatz (kápth- oder kápt-)
unsicher ist (vgl. Mayrhofer, Et. Wb. d. Altindoar. 1,
302).
Walde-Pokorny 1, 347 f.; Pokorny 529; Frisk, Gr. et.
Wb. 1, 782 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 495; Untermann,
Wb. d. Osk.-Umbr. 368 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
1, 157 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 94 f.; Fick 2
(Kelt.)⁴ 64. 105; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-8 f.;
Dict. of Irish C-20 f.; G-6; Dict. of Welsh 384. 1370 f. —
Krahe-Meid 1969: 3, § 81, 2; Porzig 1974: 114;
Schrijver 1991: 96; Delamarre 2001: 82. 146.