harug m. a-St., seit dem 8. Jh. in Gl.:
‚Heiligtum, heiliger Hain, Tempel; ara, Ca-
pitolium, delubrum, fanum, lucus, nemus‘
〈Var.: hara-; harc-; -c〉. Das Wort kommt
auch in PN? und ON vor (vgl. Förstemann
[1900—16] 1966—67: 1, 749; 2, 1, 1236; Bach
1952 ff.: 2, § 288). Bei -u- und -a- handelt es
sich um einen Sproßvokal zwischen r und g
(vgl. Braune-Reiffenstein 2004: § 69b). Zur
Schreibung 〈c〉 für /g/ vgl. Braune-
Reiffenstein 2004: §§ 148 Anm. 1. 149.
Ahd. Wb. 4, 743 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 359; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 521; Schützeichel⁶ 150; Starck-Wells
258; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 190; See-
bold, ChWdW8 154; Graff 4, 1015; Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 49 f. (ara). 88 (capitolium). 181 (delubrum).
255 (fanum). 382 (lucus). 427 (nemus).
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
andfrk. *harag zu erschließen aus ON
(dat.pl.) Har(e)gan (= nndl. ON Hargen); ae.
hearh ‚Tempel, Altar, Götze‘, me. vielleicht
verbaut in (pl.) haroghes ‚Heilige, Märtyrer‘
(die Form könnte jedoch auch lediglich Fehl-
schreibung für haloghes ‚Heilige‘ zum
Lemma me. halwe ‚Heiliger, Märtyrer‘ sein);
aisl. hǫrgr, nisl. hörgur ‚Steinhaufe, Opfer-
stätte, Steinaltar‘, nnorw. horg ‚Haufe,
Schar, Bergkuppe‘, aschwed. hargher ‚Op-
ferstätte‘, nschwed. dial. harg, horg, horv
‚Steinhaufe‘ (aus dem Nordgerm. ist ne. dial.
hurrock ‚Haufe loser Steine‘ entlehnt; vgl.
Thorson 1936: 66): < urgerm. *χaru- m.
Finn. harju ‚Os, Landrücken‘ ist nicht aus
urgerm. *χaru- entlehnt, sondern stellt eine
Ableitung von finn. harja ‚Bürste, Kamm,
Bergrücken‘, einem Lehnwort aus dem Balt.,
dar (vgl. Kylstra, Lehnwörter 1, 82).
Innergermanisch wird die Wortgruppe zu-
meist mit as. *hara f., mndd. hāre f. ‚An-
höhe‘ in ON, andfrk. *har ‚Anhöhe‘ in ON,
vgl. (dat.pl.) Haren und Har- in Harburc und
nschwed. dial. har, harn m., hara f. ‚steini-
ger Boden‘ < urgerm. *χar(n)a/ō- verbun-
den.
Fick 3 (Germ.)⁴ 77; Holthausen, As. Wb. 31; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 234; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 207; Holthausen, Ae. et. Wb.
152; Bosworth-Toller, AS Dict. 522; Suppl. 525; ME
Dict. s. v. halwe; Vries, Anord. et. Wb.² 281; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 191; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 141; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
418 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 221; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 337; Svenska akad. ordb. s.vv. — Künzel
1989: 164 ff.; Bammesberger 1990: 156.
Urgerm. *χaru- < vorurgerm. *kork/ghu-
hat keine gesicherte Etymologie. Mehrere
Vorschläge stehen nebeneinander:
1. Da offenbar ‚durch Steine charakterisierter
Ort‘ als Grundbedeutung angenommen wer-
den kann, liegt die Verbindung mit air. carn
m., kymr. carn f. ‚Steinhaufe‘, verbaut in
gall. carnitu ‚hat errichtet‘, carnitus ‚haben
errichtet‘, nahe. Im Nschwed. dial. entspricht
genau harn. Problematisch hierbei ist jedoch,
daß als Wurzel *ker- angenommen werden
müßte, an die die Suffixe *-no/eh₂- bzw.
*-k/ghu- getreten wären; ein Suffix *-k/ghu-
existiert jedoch nicht.
2. Verbindung mit lat. carcer ‚Umfriedung,
Kerker, Schranken‘ (R. Meringer, WuS 10
[1927], 188). Dies ist aber semantisch kaum
wahrscheinlich, da die Grundbedeutung von
urgerm. *χaru- nicht ‚umfriedeter, abge-
schlossener Raum‘ ist.
3. Verbindung mit ai. śárkarā- f. ‚Grieß, Ge-
röll, Kies‘, das seinerseits zu gr. κρόκη,
κροκάλη f. ‚abgerundeter Kieselstein am
Meeresufer‘ gestellt wird. Dabei ist für das
Gr. eine Umstellung der zu erwartenden Fol-
ge *-ορ- zu -ρο- zu postulieren, die vielleicht
unter Einfluß des Verbs gr. κρέκω ‚ein Ge-
webe (fest-)schlagen, ein Saiteninstrument
mit dem Plektron schlagen, einen Laut von
sich geben‘ infolge von Klangassoziation
(über den durch die Brandung verursachten
Lärm) zustande gekommen ist. In diesem
Fall ließen sich beide Formen auf eine Wz.
*k̂erk- zurückführen. Ein hiervon abgeleite-
ter u-St. könnte dann in urgerm. *χaru- vor-
liegen, wogegen morphologisch nichts ein-
zuwenden ist. Es wäre ein proterodynami-
scher u-St. mit o : Ø-Ablaut in der Wurzel
und Akzentwechsel (Typ uridg. nom.sg.
*ĝónu ‚Knie‘ : gen.sg. *ĝn-éu̯-s; zu diesem
Typ vgl. Schaffner 2001: 491 f.). Im vorur-
germ. Paradigma nom.sg. *k̂órku- : gen.sg.
*k̂kéu̯s wäre zum Germ. hin so die o-Stufe
der starken und die Akzentstelle der schwa-
chen Kasus verallgemeinert worden. Den u-
St. mit einer urspr. Bedeutung ‚Stein‘ hätte
man im Germ. schließlich infolge einer
Übertragung zur Bezeichnung des durch
Steine charakterisierten Ortes verwendet.
Trifft diese etymologische Deutung zu, muß
urgerm. *χar(n)a/ō- aber von urgerm. *χar-
u- getrennt werden und wäre dann zu air.
carn (s. o.) zu stellen.
Walde-Pokorny 1, 31; Pokorny 531 f.; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. 3, 308 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar.
2, 618 f.; Frisk, Gr. et. Wb. 2, 22; Chantraine, Dict. ét.
gr. 585; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 166; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 99; Delamarre, Dict. gaul. 90 f.;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-39 f.; Dict. of Irish
C-75 f.; Dict. of Welsh 1, 429.