hintanaAWB adv., in Gl. 1,343,53 (10. Jh.,
alem.); 2,225,58 (2. Hälfte des 9. Jh.s, bair.):
‚hinten, jenseits; post-‘, auch mit Verb, z. B.
hintana gisezzen ‚stellen hinter; postponere‘.
— Mhd. hinden(e) adv. ‚hinten‘, nhd. hinten
adv. ‚an der Rückseite, weiter entfernt‘.
Ahd. Wb. 4, 1114 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 389; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 549 f.; Schützeichel⁶ 162; Starck-Wells
276; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 324; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 152. 779; Graff 4, 701; Le-
xer 1, 1291; 3, Nachtr. 242; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
504 (postponere); Dt. Wb. 10, 1438 ff.; Kluge²¹ 309;
Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 543.
Ahd. hintana entsprechen: as. bi-hindan adv.
‚hinten, hinterdrein‘, mndd. (ostfäl., lübeck.-
meckl.) hinden(e) adv. ‚hinten‘, präp. ‚hinten
an, hinter‘; ae. (be-)hindan adv. ‚hinten, von
hinten‘, me. (bi-)hnde(n) adv. ‚hinten‘, ne.
behind adv. ‚hinten, nach hinten, zurück‘,
präp. ‚hinter‘: < urgerm. *χindane; got. hinda-
na adv. ‚hinter, jenseits; πέραν‘ < urgerm.
*χindanē.
Fick 3 (Germ.)⁴ 87; Holthausen, As. Wb. 34; Sehrt, Wb.
z. Hel.² 50; Berr, Et. Gl. to Hel. 192; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 312; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
2, 269; Holthausen, Ae. et. Wb. 160; Bosworth-Toller,
AS Dict. 80. 536; Suppl. 74. 542; ME Dict. s.vv.; OED²
s. v.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 256; Lehmann, Gothic
Et. Dict. H-65. — Seebold 1984: 65.
Urgerm. *χindanē, ein lokativisch gebrauch-
ter Instr., und der Lok. *χindane sind Ablei-
tungen auf *-ana- von dem in urgerm.
*χinder ‚hinter‘ (→ hintar) vorliegenden
Stamm *χind-. Die Ableitungen fungieren als
Adverbien und haben Parallelen in Bildun-
gen wie got. aftana ‚von hinten‘, ahd., as.
ostana ‚von Osten‘ < *-tanē (Lühr 1982: 471
Anm. 2; G. Schmidt 1962: 280). Der urspr.
Instr. des Weges kann also sowohl lokati-
visch als auch ablativisch (‚von ... her‘) ver-
wendet werden.
Wie G. Klingenschmitt (in KS Klingenschmitt
2005: 252 ff.) gezeigt hat, machen Belege
von got. hindana die Zugehörigkeit dieses
Stammes zum Jener-Pron. aisl. hinn wahr-
scheinlich; z. B. Mk. 3, 8 us iudaia jah us
iairusaulwmim jah us idumaia jah hindana
iaurdanau ‚aus Judäa, aus Jerusalem, aus
Idumäa und von jenseits des Jordan‘; zur
Bedeutung ‚jener‘ vgl. im Ae. Mt. 3, 5 eal
þæt rice wiđgeondan iordanan ‚das ganze
Gebiet jenseits des Jordan‘, Chronik 1052
fram geondan sæ ‚von jenseits des Meeres‘
(mit ae. geon- < *i̯ana-). Wie bei hintar
(s. d.) ist im Westgerm. bei hintana der Be-
deutungswandel von ‚jenseits, auf der gegen-
überliegenden Seite‘ zu ‚hinten, auf der
Rückseite‘ ausnahmslos durchgeführt.
Nach G. Klingenschmitt (in KS Klingen-
schmitt 2005: 248 ff.) geht die Vorform von
aisl. hinn ‚jener‘, urgerm. *χina-, entweder
auf *k̂i-no- oder — mit schwachtoniger Ent-
wicklung von *i aus *e — auf *χena- < *k̂e-
no- zurück. Für einen Ansatz *χena- spre-
chen vereinzelte e-haltige Formen im Aisl.:
dat.sg. f. henne. Die Verdrängung des urspr.
starktonigen *χena- könnte unter dem Ein-
fluß der zugehörigen Bildungen mit Dental-
suffix (*χin-der, *χin-dra-; → hintar) und
die Ausbreitung der i-haltigen Formen nach
dem Vorbild des Akk.Sg. m. hinn < *χeninōn
(mit Wandel von *i — i aus *e — i) zustande
gekommen sein. Die Deixis von urgerm.
*χina- werde dabei allein durch den darin
enthaltenen Fortsetzer des uridg. ferndeikti-
schen Pronominalstammes *no- bestimmt.
Das vorangestellte urspr. nahdeiktische *k̂i-
bzw. *k̂e- fungiere nur als verstärkendes
Element und lasse die Deixis des ererbten
Pronominalstammes unverändert. Klingen-
schmitt betrachtet den Anlaut h- bei aisl.
hinn ‚jener‘ so zu Recht als ererbt und setzt
ein entsprechendes Pron. auch für die Vor-
stufen des Gotischen und Westgerm. an.
Die herkömmliche Verbindung mit den zum
nahdeiktischen Pronominalstamm gehörigen
Adverbien ahd. hina ‚hin‘ (s. d.) < *k̂i- oder
mit urkelt. *ken-tu- (gall. Cintu-gnātus nomen
proprium ‚Erstgeborener‘, mkymr. cynt, gynt
‚vorher, früher‘, air. cetu- ‚zuerst‘ < uridg.
*ken- ‚anfangen, entspringen‘) ist also aufzu-
geben.
Anders: Walde-Pokorny 1, 398. 453; Pokorny 564.
609 f.; Holder, Acelt. Spr. 1, 1022 f.; Vendryes, Lex. ét.
de l’irl. anc. C-82 f.; Dict. of Welsh 1, 800.