holdAWB adj., in Gl. seit der 2. Hälfte des
8. Jh.s, GA, PE, bei O, N und im WH: ‚ge-
wogen, geneigt, zugetan, wohlwollend, de-
mütig, treu, ergeben; amans, amicus, com-
placitus, devotus, dilectus, familiaris, fidelis,
placabilis, placatus, propitius, rectus‘, hold
wesan ‚jemandem freundlich gesinnt sein,
jemandem lieb sein, angehören, eigen sein,
jemandem im Gehorsam ergeben sein, je-
mandem eigen sein; amare‘, (got) holdan
habên ‚jemanden lieben‘ 〈Var.: -t〉. — Mhd.
holt (kompar. holder, hölder) ‚gewogen,
günstig, freundlich, liebend, treu, dienstbar‘,
in Wendungen: einen holder hân ‚einem ge-
wogen sein, einen lieben‘, nû wis dir selben
holt ‚berücksichtige dich selbst‘, nhd. hold
‚geneigt, günstig gesinnt, zugetan‘, seit dem
18. Jh. auch ‚anmutig, bezaubernd, lieblich‘.
Ahd. Wb. 4, 1206 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 344; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 558; Schützeichel⁶ 165; Starck-Wells
282; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 367; Seebold,
ChWdW8 151; Graff 4, 913 f.; Lexer 1, 1327 f.; Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 38 (amicus). 122 (complacitus). 198
(dilectus). 531 (propitius); Dt. Wb. 10, 1733 ff.; Kluge²¹
314; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 551. — DRW 5,
1416 ff.
Das Adj. ist gemeingerm. Es hat Entsprechun-
gen in: as. hold ‚ergeben, anhänglich, gnädig,
mild, freundlich, lieb, angenehm‘ (nur im
Hel), mndd. holt (-d-) ‚zugeneigt, gewogen,
freundlich, gnädig‘, in der Wendung ēnem
holt sīn ‚jemanden lieben‘, in den Brieffor-
meln unse holde hēre, unsem holden vründe;
andfrk. hold ‚treu, zugeneigt‘, mndl. hout
(houd, hold, huld) ‚günstig gesinnt, wohlwol-
lend, freundlich, dienstfertig, zuvorkommend‘,
in der Formel houd ende getrouwe ‚treu erge-
ben‘, eigtl. ‚ergeben und treu‘, nndl. hou ‚gün-
stig gesinnt, wohlwollend, freundlich, gnädig,
dienstfertig, treu‘ (die Form ist aus obliquen
Kasus abstrahiert, in denen intervokalisches
-d- synkopiert wurde; Bree 1987: 167); afries.
hold ‚hold, gnädig‘, nfries. hold, hou ‚hold,
geneigt, zugeneigt, gewogen, günstig‘, in der
Formel hou en trou ‚treu ergeben‘; ae. hold
‚hold, gnädig, freundlich, günstig, treu, ange-
nehm, gefällig‘, me. hōld (old, heold, hoild,
huld) ‚dss.‘, ne. veraltet hold ‚dss.‘; aisl. hollr
‚hold, treu‘, nisl., fär. hollur, nnorw. holl,
ndän. huld, aschwed. hulder, holder, nschwed.
huld ‚ergeben, freundlich gesinnt‘; got. hulþs
‚hold‘ (nur in hulþs sijais ‚vergib; ἱλάσθητι‘
Lk. 18, 13): < urgerm. *χulþa- ‚geneigt‘ mit
ursprünglicher Wurzelbetonung (vgl. Lühr, in
Untermann 1984: 68 Anm. 107; Weiteres da-
zu s. u.). Ältere Auffassungen gehen von ei-
nem Lautwandel urgerm. *-lþ- > westgerm.
*-ld- aus, bei dem gleichfalls nur eine Vor-
form mit *þ anzunehmen ist (Helten 1890:
§ 125α; Brunner 1965: § 201, 2, anders
Vries, Anord. et. Wb. 275 s. v. hylla). Ur-
germ. *χulþa- steht im Ablaut zu dem ge-
meingerm. Adj. urgerm. *χalþa- ‚geneigt‘, das
in ahd. hald ‚geneigt, schräg‘ (s. d.), afries.
-hald (z. B. in ūthald ‚seewärts gerichtet‘),
aisl. hallr ‚schief, schräg, geneigt‘ fortgesetzt
ist. Auch ae. afheldian ‚neigen, zu Ende
kommen‘ und das Komp. got. wilja-halþei
‚Zuneigung, Gunst‘ setzen ein Adj. urgerm.
*χalþa- voraus.
Der Begriff ahd. hold usw. ist eng mit dem
germ. Gefolgschaftswesen verbunden. Er be-
zeichnet vornehmlich die auf gegenseitigen
Leistungen beruhende wohlwollende Gesin-
nung zwischen Lehnsherrn und Gefolgs-
mann, die im Zuge der Christianisierung
weiter auf die Beziehung zwischen Mensch
und Gott übertragen wurde. Aus der Grund-
bedeutung ‚geneigt‘ entwickelten sich so ei-
nerseits die Bedeutungen ‚gnädig, mild,
wohlwollend‘ (vom Vorgesetzten), anderer-
seits ‚treu, ergeben‘ (vom Untergebenen).
Möglicherweise ist dabei die Bedeutung
‚gnädig, mild‘ die ältere, da im Got. nur die-
se reflektiert wird (vgl. Lühr 1982: 587 f.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 83; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 311 f.; Holthausen, As. Wb. 35; Sehrt, Wb. z.
Hel.² 267 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 199; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 343 (s. v. ²holt); Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 2, 286; 6, Nachtr. 157 f.; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 3, 650 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 264;
Suppl. 73; Vries, Ndls. et. wb. 270; Et. wb. Ndl. F-Ka
470; Holthausen, Afries. Wb.² 46; Richthofen, Afries.
Wb. 823; Fryske wb. 9, 101 (s. v. hou V); Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2, 98 f.; Dijkstra, Friesch
Wb. 1, 538; Holthausen, Ae. et. Wb. 169; Bosworth-
Toller, AS Dict. 550; Suppl. 557; Suppl. 2, 41; ME Dict.
s. v.; OED² s. v. †hold; Vries, Anord. et. Wb.² 247;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 241; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog 2, 36; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
123; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 428; Nielsen,
Dansk et. ordb. 188 f.; Ordb. o. d. danske sprog 8, 616
(s. v. III. Huld); Torp, Nynorsk et. ordb. 219; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 367; Svenska akad. ordb. s. v.; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 274; Lehmann, Gothic Et. Dict. H-
104. — G. Royen, FS Schrijnen 1929: 714 f. (semanti-
scher Vergleich von ahd. hold usw. mit lat. pius); Üçok
1938: 24 und Anm. 3; M. Ohly-Steimer, ZDA 86
(1955), 81—119 (bes. 82. 91 f.); Rosengren 1968: 51—55
(51—54 Verzeichnis der Belege); F. Mezger, ZVSp 83
(1969), 150—152 (mit der Vermutung, daß urgerm.
*χulþa- zum st. v. VII *χalþe/a- ‚halten‘ gehört); Trut-
mann 1972: 99; Scardigli 1973: 30.
Bei urgerm. *χulþa- < vorurgerm. *k̂-to-
handelt es sich um eine Ableitung mit dem
Verbaladj. bildenden Suffix uridg. *-to- zu
einer Verbalwurzel uridg. *k̂el- ‚neigen‘.
Fortsetzer dieser Wz. sind nur im Balt. be-
legt: lit. šalìs ‚Seite, Gegend‘, lett. sal(l)is
‚Speckseite‘. Die Akzentverschiebung in
vorurgerm. *k̂-to- vom Suffix auf die Wz.
erfolgte durch die semantische Verselbstän-
digung des Verbaladj.; vgl. urgerm. *kunþa-
‚kund, bekannt‘ < *ĝń̥h₃-to- : gr. γνωτός, air.
gnáth < *ĝh₃-tó- ‚erkannt‘ (vgl. Schaffner
2001: 337; ders. 2005: 336).
Verfehlt Trier 1951: 55, der eine Bedeutungsentwick-
lung aus ‚geneigt‘ ablehnt. Er führt ahd. hold usw. auf
eine uridg. Wz. *k̂el- ‚Zaun, zäunen‘ zurück. Güntert
1919: 91 vermutet dagegen Beeinflussung von urgerm.
*χulþa- durch das Part.Prät. von urgerm. *χele/a- ‚ver-
bergen‘ (< vorurgerm. *k̂ele/o-).
Walde-Pokorny 1, 430; Pokorny 552; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 959 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 672.