hornAWB n. a-St., im Abr, Rb und weiteren
Gl., T, OT, bei O, in den RhC, im M, Ph, bei
N, Npg: ‚Horn (bei Paarhufern, für Flüssigkei-
ten, als Trinkgefäß), Trompete, Füllhorn, En-
de, Vorgebirge, Landspitze; aes, bucina, cor-
nu, lenticula, lituus, promunturium, salpix,
sistrum, tuba‘, übertr. ‚(Horn als Zeichen von)
Macht, Stärke; cornu‘ 〈Var.: nom.sg. horen,
horin〉. Wie die lat. Interpretamente zeigen,
dient die ahd. (und mhd.) Instrumentenbe-
zeichnung als Sammelbegriff für verschiedene
Blasinstrumente. — Mhd. horn st. n. (pl. horn,
horner, hörner, hürner) ‚Horn (bei Tieren, für
Flüssigkeiten, als Trinkgefäß, als Musikin-
strument), hornartige Masse, hervorragende
Spitze‘, in Wendungen horn an der stirn ge-
winnen ‚Courage, Mut bekommen‘, (ime)
wuohs ein horn ‚er wurde zum Hahnrei‘, als
Vergleich herte alsam ein horn ‚hart wie
Horn, sehr hart‘, frühnhd. (Luther) einem die
hörner schaben ‚jemandem die Waffen un-
brauchbar machen‘, horn meines heils (als
Zeichen der Stärke [ein Hebraismus; vgl.
Horn 1847: 255]), nhd. Horn n. ‚harter Aus-
wuchs am Kopf von Tieren, Beule am Kopf,
hornartige Masse, gewundenes Blechblasin-
strument, akustisches Signalgerät, Berg-, Fels-
spitze, Landvorsprung‘, häufig in Wendungen
wie sich die Hörner abstoßen ‚durch Erfah-
rung gelassener werden, Vernunft annehmen‘,
jemandem die Hörner zeigen ‚sich zur Wehr
setzen‘, den Stier bei den Hörnern packen ‚ei-
ne Sache mutig anpacken‘, ins gleiche Horn
blasen ‚dieselbe Meinung vertreten‘. Im euro-
päischen Raum weit verbreitet ist die Redens-
art jemandem Hörner aufsetzen ‚den Ehemann
betrügen‘.
Zu mhd. horn st. m. ‚Januar‘ s. hornung.
Ahd. Wb. 4, 1257 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 401; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 561; Schützeichel⁶ 166; Starck-Wells
284 f.; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 389; See-
bold, ChWdW8 164; Graff 4, 1035 ff.; Lexer 1, 1340 f.;
3, Nachtr. 246; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 22 (aes). 154
(cornu). 529 (promunturium). 614 (sistrum). 680 (tuba);
Dt. Wb. 10, 1815 ff.; Kluge²¹ 316 f.; Kluge²⁴ s. v.; Pfei-
fer, Et. Wb.² 557. — Wilmanns [1906—30] 1967: 2,
§ 236, 1; Relleke 1980: 41 f. 57—64; HDA 4, 325 ff.; A.
Blok, in Nixdorff-Hauschild 1982: 165—183 (zur Wen-
dung jemandem Hörner aufsetzen); Friedrich 2006: 226;
Röhrich 2004: 2, 738 ff.
Das Wort ist gemeingerm. Es entsprechen: as.
nur in Komp. horn- (Hel horn-seli st. m. ‚Ge-
bäude, dessen Giebel mit hornartigen Verzie-
rungen versehen sind‘, in kleineren Denkmä-
lern horn-wurm st. m. ‚Hornschlange‘) und
-horn (in kleineren Denkmälern blak-horn
st. n. ‚Tintenfaß‘, hlūdi-horn st. n. ‚Blashorn‘),
mndd. hōrn (hoern, horen n.) ‚Horn (wie im
Dt.), Geweihstange, spitz zulaufendes Land-
stück, Seite, Himmelsrichtung‘ (ūt allen
hōrnen ‚aus allen vier Himmelsrichtungen‘),
in Wendungen wie dat hōrn afbrēken ‚den
Widerstand brechen‘, de hōrn afstȫten ‚sanfter
werden‘; andfrk. horn n. ‚Horn‘, mndl. horn
(hoorn, horren, horen, hurn) m. ‚Horn (wie
im Dt.), Ecke, Kante‘, in der Wendung die
horne opsteken ‚sich gegen jemanden aufleh-
nen‘, nndl. hoorn, horen m. ‚Horn‘, wie im
Dt. hoornen op zeten (s. o.); afries. horn n.,
nfries. hoarn ‚Horn, hornartige Masse, Berg-
spitze‘, in der Wendung de hoarnen opstekke
‚sich gegen jemanden auflehnen‘, hoarnen op
’e kop krije als Warnung für Kinder, die nicht
lernen wollen; ae. horn m. (pl. hornes, hor-
nen) ‚Horn (wie im Dt.), Zinne, Altarecke‘
(die Bedeutungen ‚Macht‘ und ‚Altarecke‘
sind aus dem Lat. entlehnt; Gneuss 1955:
109), me. horn, orn ‚Horn, Zinne, hornartige
Masse, Spitze der Mondsichel (the mone with
fulle hornes ‚Vollmond‘)‘, auch in ON und
PN, ne. horn ‚dss.‘, außerdem ‚Bergspitze‘, pl.
‚Geweih‘, in Wendungen wie to show one’s
horns ‚die Krallen zeigen‘, alliterierendes all
horn and hide ‚nur Haut und Knochen‘ (seit
1891), neither horn nor hoof ‚überhaupt keine
Spur‘ (seit 1664), to draw in one’s horns ‚sich
zurücknehmen‘ (seit dem 14. Jh.), to horn, to
hornify ‚jemandem Hörner aufsetzen‘; run.
horna ‚Horn‘ (akk.sg. n. Gallehus, c. 400;
nom.sg. n. Wetzstein von Strøm; Krause 1971:
70. 87. 148; Antonsen 1975: 41. 54), aisl. horn
‚Horn, Ecke, Winkel‘, nisl., fär. horn, norw.,
adän., ndän., aschwed., nschwed. horn ‚Horn‘;
got. haúrn n. a-St. ‚Horn; κέρας‘ (Lk. 1, 69),
‚(hornförmig gebogenes) Johannisbrot;
κεράτιον‘ (Lk. 15, 16): < urgerm. *χurnan-.
Das urspr. m. Genus ist noch im Ae. bewahrt.
Das Neutrum der anderen germ. Sprachen ist
wohl aus einem kollektiven Pl. verallgemei-
nert; s. Bjorvand 1994: 162 ff.
Fick 3 (Germ.)⁴ 75 f.; Holthausen, As. Wb. 36; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 270; Berr, Et. Gl. to Hel. 199 f.; Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 174. 192. 193; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 357 f.; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 2, 302; Quak, Wortkonkordanz zu d. am.- u. andfrk.
Ps. u. Gl. 93; Quak, Die am.- u. andfrk. Ps. u. Gl. 200;
Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 598 ff.; Franck, Et. wb.
d. ndl. taal² 261; Suppl. 72; Vries, Ndls. et. wb. 267; Et.
wb. Ndl. F-Ka 456 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 46;
Richthofen, Afries. Wb. 826 f.; Fryske wb. 9, 36 f.;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2, 106 f.;
Dijkstra, Friesch Wb. 1, 529; Holthausen, Ae. et. Wb.
170; Bosworth-Toller, AS Dict. 553; Suppl. 559; Suppl.
2, 41; ME Dict. s. v.; OED² s. v.; Vries, Anord. et. Wb.²
249; Bjorvand, Våre arveord 398; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 228; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 41 f.;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 124; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1, 419 f.; Nielsen, Dansk et. ordb.
186 f.; Ordb. o. d. danske sprog 8, 456 ff.; Torp, Ny-
norsk et. ordb. 221; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 363;
Svenska akad. ordb. s. v.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
251; Lehmann, Gothic Et. Dict. H-51. — Krahe-Meid
1969: 3, § 94 (S. 106); Bammesberger 1990: 73.
Das Konkretum urgerm. *χurnan- mit Suffix
*-na- zum Ausdruck der Zugehörigkeit (vgl.
got. akran n. ‚Frucht‘ : akrs m. ‚Acker‘) <
vorurgerm. *k̂(h₂)-no- ist wohl von einem
uridg. Wz.-Nomen *k̂er(h₂)-/*k̂(h₂)- ‚das
Oberste am Kopf, Körper‘ abgeleitet. Dem
germ. Wort entspricht gall. (galat.) κάρνον ⋅
τὴν σάλπιγγα Γάλαται (Hesych), kymr., korn.
carn ‚Hügel, Felsen, Huf‘ < vorurkelt. *k̂h₂-
no- und mit Suffix *-nu- lat. cornū ‚Horn, Ge-
hörn, Berg-, Landspitze, Blashorn, Ecke,
Winkel‘ < vorurit. *k̂-nu-. Das ausl. lat. -ū ist
entweder durch sekundäre Dehnung entstan-
den oder setzt die urspr. Endung des n.
Nom.Akk.Pl. -ū < *-uh₂ fort (Sg. cornū als
urspr. Pl. *k̂nu-h₂ ‚Gehörn‘; vgl. G. Klingen-
schmitt, in Panagl-Krisch 1992: 121—125;
Meiser 1998: § 100, 5; anders Nussbaum
1986: 4: wahrscheinlich Kreuzung von
*kornom und *kor). In mir., korn., bret. corn
‚Trinkhorn‘ und air., kymr. corn ‚Horn,
Trinkhorn, Blashorn, Kraft, Macht, Bergspit-
ze, Spitze der Mondsichel‘ könnte auch die o-
Stufe fortgesetzt sein (nach anderer Auffas-
sung [z. B. Kluge²¹ a. a. O.] aus lat. cornū ent-
lehnt; dagegen sprechen aber kelt. Namen wie
Cornoviī, Cornaviī, für kelt. Ursprung L. S.
Joseph, Ériu 33 [1982], 46).
Gleichfalls mit n-Suffix sind gr. κάρνος ⋅
βόσκημα, πρόβατον (Hesych) wohl ‚Gehörn-
te‘, alett. sirna (J. Endzelin, ZVSp 42 [1909],
378) und aus dem Slaw. aruss. sьrna, russ.-
ksl. srъna (12. Jh.) ‚Reh, Gazelle‘, russ. sérna,
wruss. sárna, ukrain. serná, sárna ‚Reh, Anti-
lope, wilde Ziege‘, bulg. sъrná, serbo-kroat.,
slowen. sŕna, slowak., tschech. srna, poln.
sarna, osorb. sorna, ndsorb. ja-St. sarnja
‚Reh‘ gebildet. Die angeführten Wörter wei-
sen auf vorurgr., vorurbaltoslaw. *k̂-n-o-
‚Gehörnte(r)‘, das von einer possessiven Ab-
leitung auf *-ó-, uridg. *k̂-n-ó-, mit oppositi-
ver Akzentverschiebung bei Substantivierung
(vgl. z. B. ai. adj. kṣṇá- ‚schwarz‘ : subst.
kṣṇa- m. ‚schwarze Antilope‘; Schaffner
2001: 342) gebildet ist (s. Lühr 2000: 103 f.).
Weiterhin gehört ai. śṅga- n. ‚Horn‘ < vorur-
indoar. *k̂n-go- (zum Suffix s. Wackernagel
[1896—1964] 1957—87: 2, 2, 544) hierher.
Eine andere Stammbildung, und zwar einen
heteroklitischen r/n-St., zeigt heth. karāu̯ar n.,
obl. karaun- ‚Horn‘. Beim Nom.Sg. karāu̯ar <
voruranat. *k̂-áh₂-u̯ (anders Oettinger 1979:
192: *k̂or-o-h₁-u̯?) ist wahrscheinlich
Schwund von *-h₂- vor *-u̯- eingetreten (vgl.
den Verlust von *-h₂- vor *-i̯-; H. Eichner, in
Bammesberger 1988: 141 f.). Die obl. Kasus
wie der Dat.Lok.Sg. karauni setzen voruranat.
*k̂-áh₂-un- voraus.
Sämtliche Bildungen sind Ableitungen von
einem uridg. e-proterodynamischen Kollekti-
vum Nom.Akk.Sg. *k̂ér-h₂, Gen.Sg. *k̂-áh₂-s
‚Komplex der harten Teile am Kopf‘. Der
Nom.Akk.Sg. *k̂ér-h₂ war letztendlich die Ba-
sis für den hochstufigen s-Stamm gr. κέρας n.
‚Horn‘ < vorurgr. Nom.Akk.Sg. *k̂érǝ₂-s ge-
wesen (die Hochstufe zeigt auch der myk.
I.Sg. kera /kerā/ < *k̂er-eh₂), während der
Gen.Sg. *k̂-áh₂-s in ion. κάρη n. ‚Kopf‘, wohl
mit sekundärem Akzent aus vorurgr. *k̂áh₂-,
fortgesetzt ist (s. Lühr 2000: 104).
D. Q. Adams (GS Windekens 1991: 5—7) leitet toch. A
kror und B obl. krorīya ‚zunehmender Mond‘ (< urtoch.
*kror-) von einem vorurtoch. n. r-St. *k̂h₂s-r- ‚Horn‘
ab. Dagegen verbindet Hilmarsson 1996: 182 die toch.
Wörter zu Recht mit arm. ełjiwr ‚Horn‘ (< *ghreh₁u̯-; s.
auch Olsen 1999: 155).
Walde-Pokorny 1, 406. 407; Pokorny 576; Mayrhofer,
K. et. Wb. d. Aind. 3, 369; ders., Et. Wb. d. Altindoar. 2,
653; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 790. 826 f.; Chantraine, Dict.
ét. gr. 496. 499; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 276;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 143; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 260; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 615 f.; Schu-
ster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 1334 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴
79; Holder, Acelt. Spr. 1, 794. 1130 f.; Delamarre, Dict.
gaul. 91; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-210; Dict. of
Irish C-479; Dict. of Welsh 1, 429. 561 f.; Tischler,
Heth. et. Gl. 1, 500 ff.; Kronasser, Etym. d. heth. Spr.
283. 284; Adams, Dict. of Toch. B 218. — Petersen 1980:
230—248; Seebold 1981: 158—166; Aura Jorro-Adrados
1985 ff.: 1, 343 f.; Nussbaum 1986: 2. 4—6. 8 f. 11. 13.
19—22. 31—37. 46 f. 104, 107—110. 122. 134 f.; J. E.
Rasmussen 1989: 98; ders., in Eichner-Rix 1990: 197
Anm. 18; J. Tischler, IF 95 (1990), 83 f.; M. Schwartz,
in Beekes 1992: 395 (ai. śṅgá- < *k̂rn-gu̯o- mit Ansatz
eines labiovelaren Suffixes); K. Strunk, PBB 114
(1992), 204 f.; Melchert 1994: 110; Hajnal 1995: 149;
Rieken 1999: 349 f.; Casaretto 2004: 320 (urgerm.
*χurna- < uridg. *k̂-no- wohl Sekundärbildung zu ei-
nem Wz.-Nomen *k̂er-/*k̂- ‚Kopf‘).