hosaAWB f. ōn-St., nur in Gl., seit dem 9. Jh.:
‚Beinkleid, Strumpf, Gamasche, weicher
Schuh, Stiefel; caliga, ocrea, periscelis, zan-
ca‘ 〈Var.: -uo-; -z-〉. Der Diphthong in huosa
in Gl. 3,686,25 (Berlin, Ms. lat. 8° 73, 11. Jh.)
und huosun (Florenz, Plut. 16. 5, Ende des
12. Jh.s; P. Scardigli, in Bergmann 1987: 1,
593) ist eine seltene Graphie für /o/; s. Brau-
ne-Reiffenstein 2004: § 32 Anm. 7. — Mhd.
hose sw. f., nur im Pl., ‚Bekleidung der Beine
vom Schenkel oder Knie an (samt Füßen),
Strumpf, Hose‘, frühnhd. hose f. ‚Hose,
Strumpf‘, ält. nhd. in den Stand der geflickten
Hosen kommen ‚sich verheiraten‘ (männli-
cherseits, aus Haushaltsgründen wurde be-
schädigte Kleidung ausgebessert, belegt vom
17. Jh. an), mdartl. osächs., thür., berlin. ‚höl-
zernes Gefäß, Maß für die Butter‘ (16.—
18. Jh.), thür. ‚Gefäß zum Wassertragen‘ (Be-
leg von 1783), nhd. Hose f. ‚Kleidungsstück,
das den Körper von der Taille abwärts und die
Beine einzeln bedeckt, Unterhose, Schlüpfer‘,
fachspr. (und mdartl.) pl. ‚starke Beinbefiede-
rung bei Vögeln‘, ‚besonders ausgebildete
Muskelpartie am Schenkel der Hinterhand bei
Pferden‘, ‚Pollentracht an Hinterbeinen von
Bienen‘. Mdartl. finden sich andere Bedeu-
tungen: schweiz., bad., schwäb., bair., rhein.,
hess., thür., schles. ‚Hülle, Blatthülle, Frucht-
hülse‘, meckl. diminutiv Höschen n. ‚Fisch-
korb, Reuse‘ (vgl. die Bedeutungen im Nndl.
und Engl.; s. u.). Außerdem ist Hose in zahl-
reichen Wendungen belegt wie: die Hosen an-
haben ‚der Herr im Hause sein (meist auf eine
Frau bezogen)‘, die Hosen gestrichen voll ha-
ben ‚Angst haben‘, jemandem die Hosen
strammziehen ‚jemandem Schläge auf das Ge-
säß geben‘, sich auf die Hosen setzen ‚fleißig
lernen‘, die Hosen herunterlassen ‚Farbe be-
kennen‘, in die Hose(n) gehen ‚schief gehen‘,
Jacke wie Hose sein ‚einerlei sein‘, von den
ersten Hosen an ‚von früher Kindheit an‘, tote
Hose sein ‚impotent sein‘, übertragen ‚nichts
los sein‘; mdartl. thür. dos kost mich Sock un
Hus ‚das kommt mich teuer zu stehen‘. Die
Bedeutung ‚Wind-, Wasserhose‘ ist aus dem
Ndl. übernommen (1. Beleg 1629; Kluge
1911: 381 f.).
Ein anderes Wort für ‚Hose‘ ist ahd., mhd. bruoh,
frühnhd. bruch (s. bruoh¹). Ursprünglich wurde damit
die Hose um Hüfte und Oberschenkel bezeichnet, also
eine kurze Hose. An ihr wurden urspr. die Beinlinge (=
Hosen) befestigt. Als die bruch im 18. Jh. aus der Mode
kam, wurde das Wort durch ‚Hose‘ verdrängt.
Ahd. Wb. 4, 1278 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 403; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 563; Schützeichel⁶ 167; Starck-Wells
286; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 400 f.; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 52. 151; Graff 4, 1049 f.;
Lexer 1, 1344 f.; 3, Nachtr. 247; Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 480 (periscelis); Dt. Wb. 10, 1837 ff.; Kluge²¹ 318;
Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 558. — Schweiz. Id. 2,
1692; Ochs, Bad. Wb. 2, 775; Fischer, Schwäb. Wb. 3,
1831; Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 1180; Müller, Rhein.
Wb. 3, 842; Christmann, Pfälz. Wb. 3, 1188; Maurer-
Mulch, Südhess. Wb. 3, 734; Spangenberg, Thür. Wb. 3,
231 f.; Frings-Große, Wb. d. obersächs. Mdaa. 2, 399 f.;
Bretschneider, Brandenb.-berlin. Wb. 2, 721; Mitzka,
Schles. Wb. 1, 563; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. 3,
813. — Heyne 1899—1908: 3, 260—262. 282—284;
Kaufmann, ZDPh 40 (1908), 386—396; Röhrich 2004:
2, 746—749.
Ahd. hosa mit a-Brechung hat in weiteren
west- und nordgerm. Sprachen Entsprechun-
gen: as. hosa sw. f. ‚Strumpf, Stiefel [Art
Jagdschuh]‘, mndd. hōse, hāse f. ‚Bekleidung
der Beine und Füße‘, fast nur im Pl. (seit dem
16. Jh. entwickelt sich das urspr. zweiteilige
zu einem einteiligen Kleidungsstück), in
Wendungen wie de hōsen bēven em ‚die Knie
zittern ihm‘, dat herte valt in de hōsen ‚das
Herz rutscht in die Hosen‘; mndl. hōse (hoos-
se, teilweise auch hāse) f. ‚Beinbekleidung,
lange Strümpfe, Stiefel‘, nndl. veraltet, mdartl.
hoos ‚Köcher, Überzug, Fischkorb, Windho-
se‘; nfries. hoas f. ‚Hose‘, auch ‚Wind-, Was-
serhose‘ (benannt nach der trichterartigen
Form); ae. hosu f. (hosa m.?) ‚Beinbeklei-
dung, Strumpf, Hülse, Fruchtschale‘, pl. ho-
sen, hoses, me. hōse (hoise) ‚Beinkleidung mit
Füßen oder ohne Füße, Schlauch, Hülse,
Fruchtschale‘, ne. hose ‚Schlauch‘, koll. pl.
‚Kniestrümpfe‘; aisl. hosa f. ‚Hose, Klei-
dungsstück vom Spann bis zum Knie, langer
Strumpf‘, nisl., fär., norw. hosa, adän. hosæ,
dän. hose, aschwed., schwed. dial. hosa ‚Bein-
kleid, lange Strümpfe‘; langob. osa sw. f. für
hosa ‚Hose‘: < urgerm. *χusōn-.
Wie auch die mdartl. Belege nahelegen, sind
die charakteristischen Bedeutungsmerkmale
von urgerm. *χusōn- ‚etwas umhüllend‘, ‚un-
ten geschlossen‘, dann auch ‚aus einem festen
Stoff wie Leder, Leinen gefertigt‘.
Fick 3 (Germ.)⁴ 96; Holthausen, As. Wb. 36; Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 194; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 361; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2,
305 f.; 6, 160; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 609 f.;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 261 f.; Suppl. 72; Vries,
Ndls. et. wb. 267; Et. wb. Ndl. F-Ka 457; Fryske wb. 9,
42 f.; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2, 46 f.;
Dijkstra, Friesch Wb. 1, 530; Holthausen, Ae. et. Wb.
171; Bosworth-Toller, AS Dict. 554; Suppl. 561; ME
Dict. s. v.; OED² s. v.; Vries, Anord. et. Wb.² 250; Bjor-
vand, Våre arveord 398 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
818; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 45 f.; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 124; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 1, 421 f.; Ordb. o. d. danske sprog 8, 477;
Torp, Nynorsk et. ordb. 222; Hellquist, Svensk et. ordb.³
118 (s. v. byxa). 364. 372; Svenska akad. ordb. s. v.;
Bruckner, Spr. d. Langob. §§ 18. 106. — Falk 1919:
125 f. 127 f.; J. Knobloch, Sprachw 9 (1984), 208 Anm.
3; Brunner 1965: 278 Anm. 1; Griepentrog 1995: 87
(zum bedeutungsmäßigen Unterschied von *χusōn- ge-
genüber *brōkiz > ahd. bruoh); Ch. Wanzeck, RGA² 15,
131—133.
Das Wort wurde noch vor 400 n. Chr. wahr-
scheinlich von römischen Soldaten, denen die-
se Art der Beinkleidung unbekannt war, als
vulg.lat. hosa f. (neben hossa und osa, ossa
ohne anl. h-, da das lat. h nicht mehr gespro-
chen wurde; vgl. Brüch 1913: 140 f.; Sofer
[1930] 1975: 110) aus dem Westgerm. ent-
lehnt (Sofer [1930] 1975: 138). Wegen der
fehlenden a-Brechung des Belegs husas in den
Reichenauer Gl. 1, 1038 wurde got. Ursprung
vermutet (Kluge²¹ 318), doch handelt es sich
eher um eine graphische Eigenart des Glos-
senschreibers. Klein-Raupach 1968—1972: 2,
181 nehmen an, daß sich hinter husas eine
diphthongische Lautung des Wz.-Vokals ver-
birgt, da sich klass.lat. [ɔ], vulg.lat. [O] seit
dem 5. Jh. zu [uo] und schließlich zu afrz. [ue]
entwickelt.
In den roman. Sprachen erscheint das west-
germ. Lehnwort als: ital. uosa, afrz. huese,
nfrz. housseau, prov. oza, akatal. hoses, katal.
oza, aspan. huesa, aport. osa ‚Beinbekleidung,
Stiefel, Gamasche‘.
Isidor von Sevilla, Origines 19, 34, 9 (Osas puto ab os
primum factas, et quamvis nunc ex alio genere, nomen
tamen pristinum retinent ‚Osas [= akk.pl., nom.pl. osae]
sind, wie ich meine, ursprünglich aus os gemacht, und
obgleich jetzt von anderer Art, behält man dennoch das
frühere Wort bei‘) leitet das germ. Wort volksetymolo-
gisch aus lat. os ‚Bein, Knochen, Hartes‘ ab.
Aus dem Engl. stammen kymr. hos, hosan,
korn. hos ‚Hose, Strumpf‘.
Die weitere Herkunft des Wortes ist schwie-
rig. Falls die Ausgangsbedeutung von urgerm.
*χusōn- ‚Schlauch‘ ist (im Engl. seit 1399 be-
legt; s. o.), könnte das Wort ein vorurgerm.
Abstraktum *k̂úsah₂- ‚Aufblasung‘ fortsetzen
(freundlicher Hinweis von S. Neri). Diese Ab-
strakta (Typ gr. φυγή) flektierten urspr. wohl
proterodynamisch, so daß letztendlich von
uridg. *k̂éu̯s-h₂-/*k̂us-éh₂- auszugehen ist. In
urgerm. *χusōn- wäre die Ablautstufe der sw.
Kasus verallgemeinert. Als semantische Paral-
lele ist → balg ‚Schlauch, Sack, Schote‘ < ur-
germ. *ali- ‚Anschwellung‘ (< vorurgerm.
*bhólĝhi-) vergleichbar, das von → belgan <
urgerm. *ele/a- (< vorurgerm. *bhélĝhe/o-)
abgeleitet ist.
In diesem Fall ist eine Verbindung mit gr.
κύστις f. ‚Blase, Schlauch, Säckchen‘ < vor-
urgr. *k̂us-tí- möglich: Das gr. Wort ist von
einem urspr. amphidynamischen Wz.-Präs.
uridg. *k̂u̯és-/ *k̂us- ‚schnauben, schnaufen,
seufzen‘ abgeleitet, das in ai. śvasiti ‚schnaubt,
schnauft, zischt‘ fortgesetzt ist (mit Umbil-
dung nach bedeutungsnahem ániti ‚atmet‘ für
zu erwartendes *śvásti); vgl. auch aisl. hvæsa
sw. v. ‚zischen, schnauben‘ < *χu̯ēs-i̯e-.
Bei einer Segmentierung *ku-sah₂- läge eine
Ableitung mit dem Suffix *-sah₂- (zu solchen
Bildungen vgl. ahd. hahsa ‚Haxe‘, lat. coxa
‚Hüfte‘, ai. kákṣā- f. ‚Achselgrube des Pfer-
des‘; Krahe-Meid 1969: 3, § 113, 1) von vor-
urgerm. *keu̯- ‚verbergen‘ vor. Doch ist diese
Verbalwz. nur in der erweiterten Form uridg.
*keu̯dh- ‚verbergen‘ (LIV² 358 f.), fortgesetzt
z. B. in gr. κεύθω ‚verberge, verhehle‘, nach-
weisbar.
Eine schwundstufige Ableitung *kudh-sáh₂- > (von
*keu̯dh- ‚verbergen‘) ist lautlich nicht möglich, da ur-
germ. *χussō- zu erwarten wäre.
Eine Verbindung mit der Sippe von → hût < urgerm.
*χūđi- (aus einem verallgemeinerten Gen.Sg. *kuh₃téi̯s)
ist aufgrund des Aniṭ-Charakters von hosa schwierig.
Walde-Pokorny 2, 551; Pokorny 953; LIV² 341; Mayr-
hofer, K. et. Wb. d. Aind. 3, 401; ders., Et. Wb. d. Altin-
doar. 2, 677; Frisk, Gr. et. Wb. 2, 56; Chantraine, Dict.
ét. gr. 603; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 660; Er-
nout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 300; Thes. ling. lat. 6, 3,
3019; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 1, 653; Du Cange² 4,
236; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 4631; Meyer-Lübke,
Rom. et. Wb.³ Nr. 4195; Wartburg, Frz. et. Wb. 16,
228 f.; Dict. of Welsh 1899. — Persson 1912: 1, 181; O.
Schlutter, ZDW 14 (1912/13), 159 f.; Gamillscheg 1969:
529; Klein-Raupach 1968—1972: 2, 111. 143 f.