huguAWB m. u-St., im Abr (1,144,21.
210,11 [Kb]) und bei O, Oh, Os, FP (Hs. A),
BWB und HHö, hugiAWB m. i-St., im Abr
(1,144,21 [Pa]): ‚Geist, Verstand, Sinn, Ge-
sinnung, Mut; animus, sensus‘, in der Wen-
dung zi huge habên ‚im Sinn haben‘ 〈Var.:
k-〉. Gen.Sg. -es (O) und Dat.Sg. -e (O) flek-
tieren nach der m. i- (= a-)Deklination, da-
gegen gehört der Dat.Sg. -iu (FP, Anfang des
9. Jh.s) zur u-Dekl. und ist formal ein alter
Lok.Sg. Der einmal belegte Akk.Sg. huki in
Pa (s. o.) zeigt den Übergang in die i-Klasse
(E. Schröder, ZDA 60 [1923], 289). — Mhd.
hüge st. f., md. huge, hoge (auch sw. m.)
‚Sinn, Geist, gehobene Stimmung, Freude‘,
nhd. sind mdartl. vereinzelt Lexeme in der
erst mhd. auftretenden Bedeutung ‚heitere
Stimmung, Freude‘ fortgesetzt: schweiz. hü-
gen m. ‚Freudigkeit, Mut‘, hügi n. ‚Lust,
Verlangen‘ und die Zirkumfixbildung süd-
hess. be-hüg-nung f. in der Wendung sich e
behügnung mache ‚sich etwas Gutes tun, ei-
ne Freude machen‘.
Ahd. Wb. 4, 1337 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 408; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 567; Schützeichel⁶ 169; Starck-Wells
289. 822. 850; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 424.
425 f.; Seebold, ChWdW8 165; Graff 4, 782 ff.; Lexer
1, 1378; 3, Nachtr. 251; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 36
(animus); Dt. Wb. 10, 1875 (nur adj. hüglich [alem.,
16. Jh.] als Fortsetzer von mhd. hügelich ‚freudig, froh,
munter‘). — Braune-Reiffenstein 2004: § 220c Anm. 3
und 4; Schatz 1927: § 326; Franck [1909] 1971: § 64, 4
(zu hugi- in PN); Schatz 1907: § 104a. — Schweiz. Id. 2,
1088; Stalder, Versuch eines schweiz. Id. 2, 60; Fischer,
Schwäb. Wb. 3, 1857 (hügliche f. ‚Freudigkeit‘, hügnuss
f. ‚Gedächtnis‘ — Belege aus dem 14. Jh.); Maurer-
Mulch, Südhess. Wb. 1, 655. — R. Schützeichel, BNF 9
(1974), 189; H. Beck, in Bergmann 1987: 2, 985—999
(zur Bedeutungsentwicklung von hugu und seiner Sy-
nonyme).
In den meisten anderen germ. Sprachen gehört
das Wort zur i-Klasse: as. hugi m. i-St. (nur
Hel) ‚Gedanke, Sinn, Gemüt, Herz‘ (instr. hu-
gi im Mon neben altem hugiu im Cott), mndd.
hoge, höge, hoege, hoige m. ‚Sinn, Geist, ge-
hobene Stimmung, Fröhlichkeit, Festlichkeit‘;
mndl. hōge (hoege, heuge, huege) ‚Gedanke,
Erinnerung, Überlegung, gehobene Stim-
mung, Fröhlichkeit‘, nndl. heug ‚dss.‘; afries.
hei ‚Sinn‘, nostfries. höge ‚Sinn, Wille, Ver-
gnügen‘; ae. hyge ‚Sinn, Gedanke, Absicht,
Mut, Stolz‘; aisl. hugr ‚Sinn, Gedanke, Mut‘,
nisl., fär. hugur ‚dss.‘, norw. hug (dial. auch
hog) ‚Sinn, Verstand‘, ält. dän. hug, hog,
ndän. hu ‚Sinn‘, aschwed. hugher, hogher
‚Seele, Gemüt, Sinn, Gedanke, Mut‘,
nschwed. håg, Nebenform hug ‚Sinn, Ver-
stand, Gesinnung‘; got. hugs* ‚Sinn, Verstand;
νοῦς‘ (nur gen.sg. hugis): < urgerm. *χui-
neben *χuu-, das in ahd. hugu fortgesetzt ist.
Ferner existiert noch ein jüngerer n-St. ur-
germ. *χuan-, der ae. hoga ‚Furcht, Sorge,
Versuch, Anstrengung‘, aisl., nisl., fär. hugi,
nnorw. huge, aschwed. hughi ‚Gedanke, Sinn‘
zugrunde liegt.
Brunner 1965: § 263 Anm. 4 vermutet in ae.
hyge (s. o.) einen urspr. *-iz/az-St., doch wäre
dann im Got. ein Gen.Sg. *hugisis anstelle
von belegtem hugis (vgl. gen.sg. sigisis :
nom.sg. sigis ‚Sieg‘) zu erwarten. Auch der
Wurzelvokalismus spricht gegen einen ehema-
ligen *-iz/az-St. (vgl. got. sigis n. a-St. ‚Sieg‘
< urgerm. *se-iz- < uridg. *séĝh-es-, agis n.
a-St. ‚Furcht, Schrecken‘ < urgerm. *a-iz- <
uridg. *h₂égh-es-).
Fick 3 (Germ.)⁴ 91; Holthausen, As. Wb. 37; Sehrt, Wb.
z. Hel.² 276 ff.; Berr, Et. Gl. to Hel. 204; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 333; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 2, 279; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3,
505 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 249; Vries, Ndls. et.
wb. 255; Et. wb. Ndl. F-Ka 428; Holthausen, Afries.
Wb.² 41; Richthofen, Afries. Wb. 803; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2, 49 f.; Holthausen, Ae.
et. Wb. 168. 183; Bosworth-Toller, AS Dict. 548. 579;
Vries, Anord. et. Wb.² 265; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
205; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 84 ff.; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 131; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 424 f.; Ordb. o. d. danske sprog 8, 561 ff.;
Torp, Nynorsk et. ordb. 225; Hellquist, Svensk et. ordb.³
379 f.; Svenska akad. ordb. s.vv.; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 272 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. H-100. — Bam-
mesberger 1990: 130; Lühr 2000: 136; Casaretto 2004:
188 f.
Die Etymologie des im Germ. gut bezeugten
Wortes *χuu-, *χui- samt seiner verbalen
Ableitungen *χui̯e/a- sw. v. I (fortgesetzt in
ahd. huggen [s. d.], as. huggian, afries. hugia,
ae. hycgan, aisl. hyggja, got. hugjan),
*χuōi̯e/a- sw. v. II (> ae. hogian, aisl. huga)
und *χuai̯-/i̯e/a- sw. v. III (> ahd. *hogên,
das wegen des Prät. hogta bei O vorauszuset-
zen ist; vgl. Lühr 2000: 30. 116) ist bislang
nicht geklärt. Ältere Verbindungen mit lit.
kaũkas ‚Kobold, zwerghafter Geist, Heinzel-
männchen‘ (< *kou̯ko-) und ai. kúśala- ‚ge-
schickt, sich wohlbefindend, richtig‘ (wohl ei-
ne Ableitung zu etym. unklarem kuśá- m.
‚Gras‘) sind schon wegen der unterschiedli-
chen Bedeutungen kaum miteinander verein-
bar.
Eine Möglichkeit des etymologischen An-
schlusses ergibt sich aber, wenn man urgerm.
*χuu- auf vorurgerm. *(s)kuh₁- mit einem
Tektalsuffix *-k/k̂- (vgl. ahd. louga ‚Lauge‘
[s. d.] : lat. lavō ‚wasche‘, aksl. zna-kъ ‚Zei-
chen‘ : znajǫ, znati ‚kenne, weiß‘; Krahe-
Meid 1969: 3, § 144a) oder, weniger wahr-
scheinlich, *-gh/ĝh-, zurückführt. Dann könnte
in dem Subst. eine tiefstufige Ableitung zu der
s-mobile-haltigen Wz. uridg. *(s)keu̯h₁-
‚wahrnehmen, schauen‘ vorliegen. Die Wurzel
ist einzelsprachlich gut belegt und auch im
Germ. nachweisbar (s. u.). Sie ist fortgesetzt in
ai. ā-kuváte ‚beabsichtigt‘, aksl. čujǫ, čuti
‚empfinde, fühle, erkenne, merke‘ (< *kéuh₁-/
*kuh₁-), in intensiv-iterativem gr. κοέω ‚be-
merke, vernehme, höre‘, lat. caveō ‚nehme
mich in acht, sehe mich vor‘ (< *kou̯h₁-éi̯e/o-).
Nominale Kontinuanten sind u. a. i-stämmiges
ai. kaví- m. ‚Seher, Weiser, Dichter‘ (*kou̯h₁-
ei̯/i-) und das f. -ti-Abstraktum -kūti- ‚Ab-
sicht, Vorhaben‘ (< *-kuh₁-ti-).
Formen mit s-mobile zeigen gr. θυο-σκόος
Bezeichnung eines Opferpriesters, eigtl. ‚Op-
ferschauer‘ (< *-σκοϝος), das in got. un-
skaus* (nur nom.pl. m. unskawai sijaima ‚laßt
uns nüchtern sein‘ 1. Th. 5, 8; Feist, Vgl. Wb.
d. got. Spr. 523; Lehmann, Gothic Et. Dict. U-
34) eine Entsprechung hat, und ahd. sw. v. II
skouwôn ‚schauen, betrachten, erwägen, erfor-
schen‘ (s. d.) samt seiner Verwandten (<
*skou̯-ōi̯e/a-). Trifft diese Herleitung zu, dann
steht ahd. hugu, hugi usw. im etymologischen
Zusammenhang mit den angeführten germ.
und außergerm. Wörtern der Sinneswahrneh-
mung (zum Nebeneinander von Wörtern mit
s-mobile innerhalb des Germ. vgl. z. B. ahd.
finko ‚Fink‘ < *finkan- neben norw. spikke,
dän. spinke < *spinkan-).
Abwegig R. Woodhouse, IF 104 (1999), 211—213, der
got. hugjan mit heth. kunk- ‚(sich) aufrichten‘ (nicht
‚wiegen, schaukeln, hängen lassen‘) mit vermeintli-
chem Nasalinfix (doch s. Oettinger 1979: 179 f.) und
lit. kųštù, kuš(t)aũ ‚in Bewegung geraten, wimmeln‘
unter einem Ansatz *k₂eu̯k₁- (*k₂ > *ku̯ als Kentum-,
*k als Satemvertretung, *k₁ > *k als Kentum- und *k̂
als Satemvertretung) verbindet.
Walde-Pokorny 1, 368 f.; Pokorny 587 f.; LIV² 561;
Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. 1, 187 f.; ders., Et. Wb. d.
Altindoar. 1, 328 f. 379; Bartholomae, Airan. Wb.² 442;
Frisk, Gr. et. Wb. 1, 695. 890 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.
448. 551; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 186 f.; Er-
nout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 107; Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 132; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 162; Sadnik-
Aitzetmüller, Handwb. zu den aksl. Texten 18; Vasmer,
Russ. et. Wb. 3, 361; Fraenkel, Lit. et. Wb. 230. — Sou-
thern 1999: 23 f.