irahAWB m./n. a-St., seit dem 9. Jh. in Gl.:
‚Weißleder, Bocksleder, weißgegerbtes Le-
der; aluta, ervum, liquamen, pellis fracta‘
〈Var.: e-; -i-, -o-; -ahc; -ihc; hirich; herach;
irhc; irh; erh〉. Das Wort ist aus lat. (h)ir-
cus m. ‚Ziegenbock, Bock‘ entlehnt. — Mhd.
ir(c)h st.m./n. ‚Bock, weißgegerbtes (Bocks-)
Leder, bes. von Hirschen, Gemsen, Rehen‘,
frühnhd. irch n. ‚feines, weiß gegerbtes Le-
der‘, nhd. mdartl. irch n. ‚feines, weißge-
gerbtes Leder‘; vgl. bair., tirol. irch n., steir.,
kärnt. m./n., schwäb. m., siebenbürg.-sächs.
‚weißgegerbtes Leder‘.
Die Entlehnung muss noch vor der 2. Laut-
verschiebung erfolgt sein. In die dadurch
entstehende Lautgruppe *-rχ- wurde ein
Sprossvokal eingeschoben (vgl. dazu allge-
mein Reutercrona 1920: 96 ff.; K. Lippe,
MSS 42 [1983], 105 ff. passim, zu irah:
114 f. 120 f. 142 Anm. 62), der später wie-
der schwand. Die Verbreitung des Worts im
Ahd. und den nhd. Dial. legt direkte Entleh-
nung aus dem (Vulg.)Lat. im Alpenraum
spätestens im 5./6. Jh. nahe. Entlehnt wurde
dabei eine Form, die bereits Schwund von
anl. vulg.lat./frührom. h- aufwies.
Ahd. Wb. 4, 1706; Splett, Ahd. Wb. 1, 426; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 603; Schützeichel⁷ 166; Starck-Wells
309; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 75; Seebold,
ChWdW9 449; Graff 1, 461; Lexer 1, 1449; 3, Nachtr.
259; Frühnhd. Wb. 8, 198; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
27 (aluta). 210 (ervum); Dt. Wb. 10, 2154. — Schweiz.
Id. 1, 434; Fischer, Schwäb. Wb. 4, 47; Schmeller,
Bayer. Wb.² 1, 130 f.; Lexer, Kärnt. Wb. 150; Schöpf,
Tirol. Id. 288 (irchen adj.); Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. 1, 313; Unger-Khull, Steir. Wortschatz 368;
Schullerus, Siebenbürg.-sächs. Wb. 4, 346.
Mndd. erch, erech, errich ‚weißgegerbtes
Leder‘ ist Lehnwort aus dem Ahd. oder Mhd.
Das Wort wurde bereits in ahd. oder mhd.
Zeit in zahlreiche slaw. Sprachen über-
nommen: slowen. írh, írha, jérh, jérha,
jérih ‚sämisches Leder, Weißleder‘, serbo-
kroat. ìr(h)a, ȉr(h)a ‚gegerbte Schafshaut‘,
atschech., tschech. jircha, aslowak. (j)ircha,
jercha, slowak. ircha, poln. ircha, älter
(h)irzcha, dial. auch jercha, osorb. jěrcha.
Aus dem Poln. sind entlehnt: wruss. írcha,
ukrain. ýrcha, russ. írcha, írga ‚gegerbtes
Schafs- oder Bocksleder, altes Leder‘, russ.
auch übertragen ‚altes Weib‘. Aus dem Ahd.
oder Mhd. erfolgte die Entlehnung von aung.
irch; aus einer west- oder südslaw. Sprache
wurde das Wort später in der Form irha ins
Ung. übernommen, das älteres irch ver-
drängte.
Völlig unbegründet ist die Annahme von Bańkowski
2000: 2, 559, es handle sich bei den slaw. Wörtern um
Fortsetzer einer urslaw. Bildung und mhd. irch, erch
sei aus dem Atschech. entlehnt.
Fick 3 (Germ.)⁴ 25 f.; Lasch-Borchling, Mndd. Hand-
wb. 1, 1, 579; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 1, 714. —
Müller-Frings 1966—68: 2, 273 f.
In den rom. Sprachen ist lat. (h)ircus m.
‚Ziegenbock, Bock‘ in kalabr. irku, italien.
irco, span. hirco ‚Bock‘ fortgesetzt.
Walde-Pokorny 1, 135 f.; Pokorny 326. 445 f.; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 649; Ernout-Meillet, Dict.
ét. lat.⁴ 296; de Vaan, Et. dict. of Lat. 286; Thes. ling.
lat. 6, 3, 2820 ff.; Du Cange² 3, 671; Körting, Lat.-
rom. Wb.³ Nr. 4575; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr.
4140; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 432; Bezlaj, Et. slov.
slov. jez. 1, 212; Snoj, Slov. et. slov.² 226; Vasmer,
Russ. et. Wb. 1, 486 (írga²). 487; ders., Ėt. slov. russ.
jaz. 2, 137 (írga²). 139; Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb.
d. Sorb. 453. — Lumtzer-Melich 1900: 140; Thiene-
mann 1922: 99; Brückner 1927: 193; Bielfeldt 1933:
151; Sławski 1952—82: 1, 465; Striedter-Temps 1958:
138; dies. 1963: 138; Benkő 1967—84: 2, 232; Benkő
1992—97: 1, 623; Ahačič 2011: 148 (irhar); Newerkla
2011: 179 f.