irselkan
Band VII, Spalte 1086
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

irselkan st.v. III, nur in Gl. 2,644,19
(wahrscheinlich 11. Jh., bair.): ‚austrocknen,
dörren; pandere‘ 〈arselchen〉.
Das ahd. Verb steht an seiner bisher einzigen
Belegstelle als marginale Gl. zu lat. passos,
dem Akk.Pl.m. des Part.Prät.Pass. von pandere
‚zum Trocknen ausbreiten‘ (von Trauben).
Über passos ist zusätzlich die lat. Gl. coctos
‚gekocht‘ (akk.pl.m.) geschrieben. In diesem
Kontext mag nun auch ahd. 〈arselchen〉 ein
Part.Prät. sein und nicht etwa ein Infinitiv (an-
ders jedoch Schatz 1927: § 228; skeptisch auch
Schmeller, Bayer. Wb.² 2, 267). Dabei bleibt in-
dessen der Wz.vokal -e- statt -o- auffällig. Als
Parallele verweist das Dt. Wb. 16, 509 auf das
Part.Prät. gihellan zum st.v. III hellan (vgl.
Braune-Heidermanns 2018: § 337 Anm. 6; Ahd.
Wb. 4, 928).
Ahd. irselkan hat keine Fortsetzer in jüngeren
Sprachstufen. Verwandt ist aber das frühnhd.
sw. V. selchen ‚dörren, einpökeln, räuchern‘,
das in obd. Dialekten fortlebt; vgl. z. B.: bad.
part.prät. gsęlχd, gsęlxt ‚gesalzen, eingepökelt
(von Fleisch)‘, bair. selchen ‚trocken / dürr
werden, trocken / dürr machen, räuchern‘, tirol.
selchn, salchn ‚eingesalzenes Fleisch in den
Rauch hängen‘.

Lexer 2, 866 verzeichnet ein st. V. sëlhen und ein sw. V.
selhen nur aus den ahd. und nhd. dial. Quellen, ohne aber
mhd. Belege beizubringen. Fraglich ist, ob auch mhd.
selken ‚tröpfelnd niederfallen, sich senken (von Wol-
ken)‘ mit ndd. Lautstand hierher gehört, da die Bedeu-
tung abweicht.

Splett, Ahd. Wb. 1, 805; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. irselkan*;
Schützeichel⁷ 276; Starck-Wells 515; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 154 f.; Bergmann-Stricker, Ka-
talog Nr. 634; Graff 6, 215; Götze [1920] 1971: 199;
Dt. Wb. 16, 509 f. s. v. selchen; Kluge²⁵ s. v. selchen;
ePfeifer, Et. Wb. s. v. selchen. – Ochs, Bad. Wb. 5, 63;
Schmeller, Bayer. Wb.² 2, 266 f.; Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. 2, 570.

Ahd. -selkan hat nur im Ae. eine Entsprechung;
vgl.: ae. āseolcan, -sealcan st.v. III ‚erschlaf-
fen, träge werden‘, part.prät.pass. āsolcen. Die
Form āseolcan beruht wohl auf Brechung
(Brunner 1965: §§ 85 Anm. 6. 387 Anm. 2).
Ein weiteres Verb ist nur durch das Part.Prät.
besolcen ‚langsam, träge, betäubt‘ bezeugt.
Zur selben Wz. gehört das sw.v. ae. besylcan
‚schwächen, erschöpfen‘.
Die Formen weisen auf ein st.v. III urgerm.
*selke/a-.

Ob auch das Adj. ne. sulky ‚grollend, schmollend‘ zu die-
ser Sippe gehören kann, wie etwa Fick 3 (Germ.)⁴ 436
annimmt, ist zweifelhaft. Das Wort erscheint erst seit
dem 18. Jh. (vgl. eOED s. v. sulky adj.), und die Verbin-
dung bleibt lautlich und semantisch erklärungsbedürftig.

Fick 3 (Germ.)⁴ 436; Seebold, Germ. st. Verben 392;
Holthausen, Ae. et. Wb. 290; Bosworth-Toller, AS Dict. 53.
54 s. v. asolcen. 92 s. v. besolcen; Suppl. 50 s. v. āsealcan.
51 s. v. āsolcen. 84 s. v. besolcen. 85 s. v. besylcan.

Urgerm. *selke/a- hat keine sichere Etymolo-
gie. Die öfter erwogene Rückführung auf die
Wz. uridg. *selĝ- ‚loslassen, entsenden‘ erklärt
zwar direkt die urgerm. Form, doch erfordert
die Bedeutungsentwicklung Zusatzannahmen.
Vielleicht liegt ein reflexives Medium ‚sich
selbst loslassen‘ > ‚erschlaffen‘ zugrunde. Zur
uridg. Wz. *selĝ- gehören auch die Verben ved.
3.sg.ind.präs.akt. sjáti ‚lässt los, schickt ab‘,
jav. hǝrǝzaiti ‚entsendet‘ und die Subst. jav.
harǝzāna- ‚Lassen, Durchlassen, Filtrieren‘,
air. selg f. ā-St. ‚Jagd‘, akymr. helcha, mkymr.
hely f./m. ‚Jagd, Jagen‘. Das Bedeutungsspek-
trum dieser Wörter steht aber dem von urgerm.
*-selke/a- nicht sonderlich nahe.
Semantisch plausibler ist die Anknüpfung von
urgerm. *selke/a- an die Wz. uridg. *sle(ĝ)- ‚er-
schlaffen‘. Die Wz.bedeutung passt hier un-
mittelbar zu den ae. Fortsetzern wie āseolcan
‚erschlaffen‘. In ahd. irselkan käme nur die
spezifische Nuance ‚durch Flüssigkeitsverlust
schlaff werden / machen‘ hinzu. Hierbei bedarf
indessen die germ. Vollstufe *selk- statt *slek-
noch der weiteren Begründung. Möglicher-
weise wurde *selk- sekundär zur schwundstu-
figen Wz.gestalt *sulk- < *s(ĝ)- hinzugebildet,
analogisch zu anderen starken Verben dieser
Ablautreihe. Den urspr. Sitz der Vollstufe zeigt
aber noch ahd. slah ‚schlaff‘ (s. d.) < urgerm.
*slaka- < uridg. *slo(ĝ)-o- (mit o-Abtönung;
vgl. LIV² 565 mit Anm. 1; Kroonen, Et. dict.
of Pgm. 452 f.). Ungewiss bleibt, ob zur selben
Wz. auch nasalhaltige Nomina wie ahd. *lenc
gehören (s. d.). Außergerm. ist uridg. *sle(ĝ)-
z. B. in gr. λαγαρός adj. ‚schlaff, schmächtig,
dünn‘ und in lat. languēre ‚schlaff sein‘ be-
wahrt.

Die Adj. toch. A slākkär und toch. B slakkare wurden
vormals mit gr. λαγαρός verglichen, da man eine Bed.
‚traurig‘ annahm. Nachdem jedoch durch eine Bilingue
nunmehr die Bed. ‚schnell, eilend‘ für toch. B slakkare
erwiesen ist, muss die Etym. dieser Wörter neu beurteilt
werden (Adams, Dict. of Toch. B² 793).

Walde-Pokorny 2, 508; Pokorny 900 f.; LIV² 528. 565;
Mayrhofer, KEWA 3, 497 f.; ders., EWAia 2, 709;
Rastorgueva-Ėdel’man, Et. dict. Iran. lang. 3, 373 ff.;
Bartholomae, Airan. Wb.² 1792 ff.; Cheung, Et. dict. of
Iran. verb 132 f.; Schmitt, Wb. d. apers. Königsinschr.
190; Horn, Grdr. d. npers. Et. 245; Frisk, Gr. et. Wb. 2,
68; Chantraine, Dict. ét. gr.² 586 f. s. v. λαγαίω; Beekes,
Et. dict. of Gr. 1, 819 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1,
758 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 340; de Vaan, Et.
dict. of Lat. 325; Fick 2 (Kelt.)⁴ 302; Matasović, Et. dict.
of Proto-Celt. 329; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. S-
80 f.; eDIL s. v. selg¹; Dict. of Welsh 2, 1844. – Falileyev
2000: 82.

DSW

Information

Band VII, Spalte 1086

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemma:
Referenziert in: