jetanAWB st.v. V (prät. gat, gâtum, part.
prät. gijetan), in Gl. seit dem 11. Jh. (ein Be-
leg aus dem 10. Jh.: Gl. 2,580,63 ist viell.
as.) und WH: ‚jäten, Unkraut entfernen, den
Boden mit der Jäthacke bearbeiten; mundare,
purgare, sarculare, sarrire‘ 〈Var.: g-; -d-〉.
Anl. g- für j- erscheint meist vor e (und i)
(vgl. Braune-Reiffenstein 2004: § 116 Anm.
1). — Mhd. jeten, geten ‚jäten‘ st.v., nhd. jä-
ten ‚Unkraut zupfen‘ (seit 17. Jh. schwach,
gelegentl. auch gäten).
Ahd. Wb. 4, 1811 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 433 f.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 642; Schützeichel⁷ 169; Starck-Wells
316; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 108; Graff 1,
594 f.; Lexer 1, 1480; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 512
(sarculare). 513 (sarire); Dt. Wb. 10, 2267 f.; Kluge²¹
331; Kluge²⁵ s. v. jäten; Pfeifer, Et. Wb.² 596. — DRW
6, 483; Koivulehto 1971: 75 ff.
Das Wort hat nur wenige westgerm. Entspre-
chungen: as. jedan st.v. ‚jäten; sarculare‘ in
Gl. 2,580,63 = WaD 95, 1/2 (10. Jh.), mndd.
jēden ‚jäten‘; andfrk. gedan st.v. (in Gl. [a.
951—1000] und LeidW), frühmndl. gheden
sw.v., mndl. (südöstl. Dial.) geden ‚jäten‘ =
wieden (s.u.); saterfries. jude, nnordfries. jü-
de ‚jäten‘: < westgerm. *i̯ede/a-.
Fick 3 (Germ.)⁴ 329; Seebold, Germ. st. Verben 286;
Tiefenbach, As. Handwb. 196; Wadstein, Kl. as. Spr.-
denkm. 181; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 1, 2,
33; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 404; ONW s.v.
gedan; VMNW s.v. gheden; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 2, 1044.
Das Wort ist etymologisch dunkel. Da es zu
keiner der wenigen uridg. Wurzeln mit an-
lautendem *(H)i̯- gestellt werden kann, ist es
am ehesten ein Lehn- oder Substratwort.
Nach Koivulehto, a. a. O. handelt es sich mög-
licherweise um eine Übernahme aus vulg.lat.
jectare > gallorom. *d’eter (s.u.) > frz. jeter
‚werfen‘. Obgleich dieser Vorschlag sehr un-
sicher ist und von J. Göschel, IF 80 (1975)
abgelehnt wird, scheint er doch nicht unmög-
lich. Die semant. und lautl. Schwierigkeiten
sind vielleicht zu überwinden. Die Grund-
bed. von ahd. jetan ist ‚Unkraut entfernen,
um den Boden zu reinigen‘. Doch hält Koi-
vulehto (S. 99) fest, dass jäten in dt. Mdaa.
auch ‚werfen‘ bedeuten kann: schweiz. jät-
ten ‚kräftig, rasch werfen, schleudern‘, els.
zusammen jäten ‚auf einen Haufen werfen‘
(vgl. Schweiz. Id. 3, 83; Martin-Lienhart, Wb.
d. els. Mdaa. 413). Weiterhin bedeutet jeter
in Teilen des urspr. gallorom. Gebiets, wie
z.B. in der Schweiz, ‚den Stallmist auskehren
(um den Stall zu reinigen)‘ (vgl. Wartburg,
Frz. et. Wb. 5, 22: „Im gallorom. hat jeter ei-
ne ungeheure semant. ausweitung erfahren,
wogegen es in der urspr. bed. ‚werfen‘ ge-
genüber sinnfälligeren und affektiven kraft-
ausdrücken stark zurückgetreten ist“). Aus
einer Grundbed. ‚hinaustreiben‘ (Wartburg,
a. a. O. 16) könnte sich leicht die Bed. ‚Un-
kraut oder Mist entfernen‘ entwickeln.
In lautlicher Hinsicht zeigt das ahd. Wort
eine ganz normale Behandlung eines spätlat.
oder gallorom. -t-, das im Germ. oft zu -d-
wird (vgl. z.B. ahd. ketin[n]a ‚Kette‘ [s. d.],
mndd. kedene < lat. catēna, und s. Grandgent
[1908] 1962: §§ 256. 286). Zwar müsste lat.
-ct- im Gallorom. zu einem palatalisierten -t-
werden, aber die nordgallorom. Belege set-
zen meistens ein einfaches, nicht palatali-
siertes -t- voraus, das vielleicht durch Dissi-
milation von *d’et’er zu *d’eter entstanden
ist (vgl. Wartburg, a.a.O. 22). Das entlehnte
Verb wäre dann wegen seiner Form (Stamm-
vokal -e- + einfacher Kons.) der V. st. Kl.
zugeordnet worden.
Versuche, das Wort mit as. wiodon, mndd. wēden,
mndl. wieden, ae. wēodian ‚jäten‘ über urgerm. *u̯i-
i̯ada- (?) zu verbinden, sind abzulehnen (vgl. bes. Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 792 und Koivulehto, a. a. O. 96 f.).
Die wenigen vorgeschlagenen außergerm. Vergleiche
sind auch verfehlt: H. Hirt versuchte (IF 37 [1916],
234), das germ. Verb mit ai. yátati, das nach Hirt
‚strebt, bemüht sich‘ bedeutet (die Bed. ist umstritten;
vgl. Mayrhofer, KEWA 3, 5: ‚weist jmdm. die rechte
Stelle zu‘) und av. yat- ‚sich rühren, tätig sein‘ (anders
Mayrhofer, a.a.O.) zu verbinden. Pedersen [1909—13]
1976: 1, 64 f. vergleicht auch air. hét, ét ‚Eifer,
Eifersucht, Durst‘ und gr. ζητέω ‚suche‘. Mit Aus-
nahme von ζητέω, das nicht hierher gehört (vgl. Po-
korny 187), stellt Pokorny 506 f. diese Wörter zu ei-
ner idg. Wz. *i̯et- ‚worauf losgehen, streben, eifrig
angehen‘. Selbst wenn diese Grundbed. richtig wä-
re, wäre eine Entwicklung von einer abstrakten Bed.
zur konkreten Bed. ‚jäten‘ sehr unwahrscheinlich
(vgl. Koivulehto, a. a. O. 97 f.; Walde-Pokorny 1, 197
„ganz fragwürdig“; bei Pokorny nicht mehr erwähnt).