jihtAWB f. i-St., in Gl. 2,344,20 (Clm.
6325, 1. Hälfte des 9. Jh.s, bair.), bei Npg:
‚Bekenntnis, Lobpreis; confessio, professio‘
〈Var.: ii-, hi-〉. Das Wort ist ursprungsgleich
mit dem seit ahd. Zeit (v.a. in Komp.) vor-
kommenden giht (s.d.) zur Bez. von Glieder-
schmerzen aller Art, Entzündungen der Haut
etc. Bei der Krankheit handelt es sich um
‚die durch Besprechung, Behexung ange-
zauberte Krankheit‘. — Mhd. giht st.f. ‚Aus-
sage, Bekenntnis, Geständnis‘, älteres nhd.,
mdartl. gicht ‚Bekenntnis, Geständnis‘. Im
Spätmittelalter wird das Wort bereits stark
auf den rechtssprachlichen Bereich eingeengt
und kommt im 16. Jh. nur noch lexikalisch
vor; es wird von den Komp. urgicht und
vergicht abgelöst.
Ahd. Wb. 4, 1813; Splett, Ahd. Wb. 1, 433; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 642; Schützeichel⁷ 169; Starck-Wells
316; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 110; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 529; Seebold, ChWdW9
454; Graff 1, 586; Lexer 1, 1014; Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 130 (confessio); Dt. Wb. 7, 7272 ff.; Kluge²¹ 257;
Kluge²⁵ s.v. Gicht; Pfeifer, Et. Wb.² 448. — DRW 4,
868 f.
Bei dem Subst. handelt es sich um die Fort-
setzung eines ti-Abstraktums urgerm. *i̯eχti-
zum st. Verb ahd. jehan ‚sagen, sprechen‘
(s.d.). Daneben erscheint es als HG im
Komp. ahd. bgiht (s.d.) > nhd. Beichte.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. nur bī-gihto sw.m. ‚Beichte‘, mndd.
gicht, jicht ‚Zugeständnis, Aussage, Be-
kenntnis‘; frühmndl. jicht, mndl. g(h)icht(e)
‚Bekenntnis, Aussage‘, nndl. jicht; afries.
iecht, jecht, -jicht ‚Geständnis‘, nwestfries.
jecht: < urgerm. *i̯eχti-.
Fick 3 (Germ.)⁴ 328; Seebold, Germ. st. Verben
286 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 28; Wadstein, Kl. as.
Spr.denkm. 16 f. 172; Lasch-Borchling, Mndd. Hand-
wb. 2, 1, 109; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 107;
VMNW s. v. jicht; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 2,
1944; 3, 1054; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 280;
Suppl. 77 f.; Vries, Ndls. et. wb. 287; Et. wb. Ndl. F-
Ka 572; Boutkan, OFris. et. dict. 197 f.; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 253; Richthofen, Afries. Wb.
838; Fryske wb. 10, 30; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 96.
Das ti-Abstraktum mit auffälliger e-Vollstufe
der Wz. urgerm. *i̯eχti- (die bei ti-Stämmen
regelhafte Schwundstufe uridg. *ik-ti- hätte
urgerm. **iχti- ergeben) findet sich auch im
Kelt.; vgl. mkymr. ieith, nkymr. iaith, mbret.
yez, bret. yezh ‚Sprache‘, air., nir. icht ‚Ge-
schlecht, Kinder, Volk, Provinz‘ (die alte
Bedeutung ‚Sprache‘ noch im Komp. air.
trudairecht ‚schlechte Sprache‘ < trudaire.
adj. ‚schlecht, schlampig‘ und icht). Die ir.
Form setzt urkelt. *i̯eχ-ti- fort, während für
das Kymr. und Bret. auch eine and. Stamm-
bildung (*-tī-, *-t[i̯]ū (< *-t[i̯]ōn) oder
*-ti̯o-; vgl. Irslinger 2002: 205 f.) angenom-
men werden kann. In vorurgerm., vorurkelt.
*i̯ek-ti- wurde die e-Stufe viell. analogisch
nach dem Verb *i̯eke/o- (> ahd. jehan ‚sa-
gen‘ [s.d.], nicht belegt im Kelt.) eingeführt.
Daneben begegnet im It. der o-St. in lat.
iocus ‚Scherz, Spaß‘, umbr. iuka n., akk.pl.
iuku ‚Worte‘ oder ‚Gebete‘ (< uridg. *i̯ok-
o-). Paelign. 3.pl.perf. iocatin ‚erteilen, an-
ordnen (?)‘ ist wahrscheinlich denominales
Verb zu urit. *i̯oko-.
Mndl. jok, jocke ‚Scherz‘, nfries. jok ‚dss.‘
sind Lehnwörter aus dem Lat.
Lit. juõkas ‚Lachen, Gelächter, Späße‘, lett.
joks [juõks] ‚Spaß‘ zeigen entw. eine dehn-
stufige Wz. (< uridg. *i̯ōko-) und sind somit
ererbt, oder sie wurden aus dt. Jux (studen-
tensprachl. bzw. priestersprachl. Umbildung
aus lat. iocus) oder aus westpreuß. jōk (< lat.
iocus) entlehnt. Aus dem Dt. übernommen
sind lit. jùksai ‚Jux, Schund, schlechtes Dün-
gemittel‘ und tschech. jux, juks ‚Jux, Scherz,
Spaß‘. Lat. iocus ist in den rom. Sprachen
fortgesetzt als rum. joc ‚Spiel, Tanz‘, italien.
giuo-co, log. ǧogu, engad. ǧö, friaul. dzug,
frz. jeu, prov. joc, katal. joch, span. juego,
port. jogo ‚Spiel‘.
Das in Thes. ling. lat. 7, 2, 286 hierher gestellte osk.
lok.sg. iúkleí ist nicht als Diminutiv mit dem Suff.
uridg. *-lo- (also uridg. *i̯ok-lo-), sondern (geg. Wal-
de-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 716) als *di̯o-kelo- für
*di̯ou̯-kelo- ‚Tag‘ aufzufassen.
Die früher (etwa Mayrhofer, KEWA 3, 2. 14 f.) eben-
falls hierher gestellten ai. Wörter yákṣma- m. ‚eine
(auszehrende) Krankheit‘ und yāc- ‚bitten, anflehen‘
bleiben als innerind. Neubildungen fern.
Walde-Pokorny 1, 204 f.; Pokorny 503 f.; LIV² 311;
Mayrhofer, EWAia 2, 392. 409; Untermann, Wb. d.
Osk.-Umbr. 350 f. 352; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
1, 715 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 322; de Vaan,
Et. dict. of Lat. 308; Thes. ling. lat. 7, 2, 286 ff.; Nier-
meyer, Med. Lat. lex.² 1, 734; Du Cange² 4, 422 f.;
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 5188; Meyer-Lübke,
Rom. et. Wb.³ Nr. 4588; DEAF J-324 ff.; Wartburg,
Frz. et. Wb. 5, 42—45; Trautmann, Balt.-Slav. Wb.
108; Fraenkel, Lit. et. Wb. 196. 197 f.; Smoczyński,
Słow. et. jęz. lit. 239; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt.
Wb. 2, 126; Karulis, Latv. et. vārd. 1, 357; Fick 2
(Kelt.)⁴ 223; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 435 f.;
Delamarre, Dict. gaul.³ 187; Hessens Ir. Lex. 2, 7;
Dict. of Irish I-46; Dict. of Welsh 1999; Deshayes,
Dict. ét. du bret. 761. — Schrijver 1995: 106 f.; Irs-
linger 2002: 205 f.; Newerkla 2011: 438.