jussalAWB n. a-St., seit dem 8. Jh. in Gl.:
‚Brühe, Suppe; ius, iuscellum, iussellum‘
〈Var.: g- (vgl. Braune-Reiffenstein 2004:
§ 116 Anm. 2) ; -el, -il, -ol〉. Das Wort ist
aus dem lat. iuscellum, iussellum entlehnt
oder aus der rom. Vorform von afrz. jussel
‚Trank, Saft‘ (Hapaxlegomenon, 13. Jh.). —
Mhd. jussel, jüssel st.m./n. ‚Brühe, Suppe‘,
davon abgeleitet jusselîn ‚dss.‘.
Ahd. Wb. 4, 1857 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 1220; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 645; Schützeichel⁷ 170; Starck-Wells
318; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 123; Graff 1,
602; Lexer 1, 1491; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 312
(ius, iussellum, iuscellum).
In den anderen germ. Sprachen entspricht
nur as. jussal n. ‚Suppe‘, das jedoch auch
Lehnwort aus dem Ahd. sein kann.
Aisl. ostr m. ‚Käse‘, schwed. dial. ust sind
möglicherw. eine germ. Dentalerweiterung
uridg. *i̯uHs-tó- des s-Stamms uridg. *i̯éu̯H-
s-, *i̯uH-s-´ und setzen das uridg. Erbwort
(s.u.) fort. Das Wort wurde aus einer nord-
germ. Sprache früh ins Finn. entlehnt; vgl.
finn. juusto ‚Käse‘, die Kürze des Wz.vokals
der germ. Formen bleibt bei diesem Ansatz
aber ungeklärt.
Aus dem Westslaw. stammen mndd., ndd.
jūche ‚Jauche‘ (aus diesem über ndd. Jüch
‚Brühe‘ nnordfries. jüch ‚dss.‘), nhd. Jauche
(aus dem Tschech. oder Sorb.) sowie lit. ju-
kà ‚Suppe, Schwarzfleischsuppe‘ (aus dem
Poln.); vgl. etwa osorb. jucha ‚Jauche, Dung-
wasser‘ (neben dem semant. differenzierten
zugehörigen urspr. Diminutiv juška ‚Brühe,
Soße, Saft‘), ndsorb. jucha ‚Jauche, Dung-
wasser, Brühe, Soße, Suppe‘. Das Sorb. hat
diese Bed. entweder aus dem Dt. rück-
entlehnt oder schon als Nebenbed. vor dem
Kontakt mit dem Dt. aufgewiesen (Bellmann
1971: 202 f.).
Tiefenbach, As. Handwb. 203; Sjölin, Et. Handwb.
d. Festlnordfries. 90. — Skardžius 1931: 91; Bellmann
1971: 201 ff.
Lat. iūscellum ‚Brühe‘ ist ein Diminutivum
zu lat. iūs ‚Brühe‘ (daneben bereits bei Cato
iusculum). Das lat. Wort ist in den rom.
Sprachen nur in siz. čučeddu und in der
Mundart der Vendée als züsi̯ó ‚Jauche‘
fortgesetzt, wurde aber ebenso wie ins
Ahd. auch ins Kymr. als iscell entlehnt.
Die Fortsetzer des Grundworts lat. iūs ha-
ben in der Galloromania die Bedeutung
‚Saft‘.
Lat. iūs ‚Brühe‘ < urit. *i̯ūs- oder *i̯ou̯as- <
uridg. *i̯uHs- oder *i̯e/ou̯Hs- entspricht ai.
nom./akk.sg. yḥ, yṣ n. ‚Suppe‘ (oblique
Kasus werden von einem n-St. gebildet; vgl.
ai. gen. yūṣṇás). Uriran. *i̯au̯š-/i̯ūš- bzw.
*i̯ūša- wird fortgesetzt in klass. pers. ǰōš ‚das
Kochen, Leidenschaft‘, talešī ǰъš ‚Kochen,
Blubbern‘, khotansak. yūṣi ‚Suppe, Brühe‘,
munǰī ǰūš ‚nuristanische Fleischsuppe‘. Wei-
ter zugehörig sind gr. ζμη f. ‚Bierhefe, Sau-
erteig‘ (< vorgr. *i̯uHs-meh₂-), daneben mit
vollstufiger Wz. frühurslaw. *i̯ou̯xā- < uridg.
*i̯e/ou̯Hs-eh₂-. Falls gr. ζωμός ‚Brühe, Sau-
ce, Suppe‘ zugehörig ist, ergibt sich für lat.
iūs ein Ansatz uridg. *i̯eh₃u̯-s-. Möglich ist
auch ein Anschluss an die Wz. uridg. *i̯es-
‚sieden, wallen‘ in gr. ζέω ‚siede‘ (s. jesan).
Weitere Anschlüsse finden sich im Balt.; vgl.
apreuß. juse f., lit. jšė f. ‚Fischsuppe‘ (<
urbalt. *i̯uHs-ii̯ā-).
Der Unterschied im Wz.ablaut zwischen Ai.
und Balt. auf der einen und Slaw. auf der
anderen Seite bei nicht eindeutiger Stellung
des Lat. kann auf einen urspr. zugrunde
liegenden amphikinetischen s-St. *i̯éu̯H-s,
*i̯uH-s-´ hindeuten.
Die zugehörigen slaw. Formen bleiben hinsichtlich
ihres Akzents schwierig. Da für das Wort späturslaw.
*jūxà anzusetzen ist (nach Akzentparadigma b, das
urspr. Suff.betonung aufweist), ist für deren Vorform
mit einer laryngallosen Wz. oder mit frühem Laryn-
galschwund (neben *o nach dem Saussureschen Ge-
setz?) zu rechnen. Belegt sind aksl. juxa ‚Brühe‘, russ.
uxá ‚Fischsuppe‘, russ. dial. juxá, serbo-kroat. júha
‚Suppe‘, čak. jūhȁ, slowen. júha ‚Suppe‘, poln. jucha
‚Blut eines Tieres, Suppe aus Fleisch, Blut oder Fisch,
Soße‘, atschech. júcha, tschech. jícha ‚Flüssigkeit,
Soße, Saft, Tunke, Jauche‘. Dazu finden sich im
Atschech. einerseits die Diminutiva juška, jiška, an-
dererseits aber die Weiterbildung jušěl m., jušal m.,
jušěle f. ‚Tunke, Brühe‘ mit dem Diminutivum jušě-
lek m., die möglicherweise entlehnt sind. Grundlage
dieser Entlehnung ist wegen des mittleren -š- wohl
ahd. jussal, ggf. auch rom. ausgesprochenes mlat.
iuscellum. Eine innerslaw. Ableitung von späturslaw.
*jūxā- ist denkbar, bleibt aber unwahrscheinlich, da
mit dem Suff. urslaw. *-ēli-, aksl. -ělь gebildete Ab-
leitungen fem. Genus aufweisen und zudem gewöhn-
lich von einer Verbalwz. gebildet werden. Eine An-
gleichung eines Lehnworts an solche Bildungen kann
nicht ausgeschlossen werden.
Die vor allem in älterer Literatur genannte
Zusammenstellung mit *i̯eu̯- ‚einrühren, ver-
mengen‘ (> ai. yav- ‚verbinden, festhalten,
anschirren‘; vgl. etwa Mayrhofer, EWAia 2,
402 f.; LIV² 314) ist aufgrund des in der ai.
Form zu rekonstruierenden wz.schließenden
Laryngals nicht möglich.
Ebenso ist alb. dial. gjër m. ‚Suppe‘, das
bisweilen unter einem Ansatz *jausna hier-
her gestellt wird, von den o. g. Wörtern zu
trennen: Es handelt sich bei gjër um eine
inneralb. Ableitung von gjë f. ‚Ding, Sache‘.
Auch Zugehörigkeit der kelt. Wörter gallo-
lat. iutta, iotta, air. (h)íth ‚Brei, dicke Sup-
pe‘, akymr. iot, mkymr. iwd m. ‚Brei‘, abret.
iod etc. (Pedersen, [1909—13] 1976: 1, 65.
384) ist unsicher, da sie nicht das sonst auftre-
tende *-s- aufweisen (Irslinger 2002: 433 f.).
Die im Kelt. isolierten Formen deuten auf ur-
kelt. *i̯utV-, das viell. nichtidg. Lehnwort ist.
Unklar bleibt die Stellung von air. úsc,
úsca ‚Schmalz, Fett‘, mkymr. isgell ‚Sup-
pe‘, akorn. iskel (Gl. ius), korn. isgal. Die-
se Wörter sind entweder Fortsetzer einer ko-
Ableitung urkelt. *i̯s-ko- oder aber Lehn-
wörter aus mlat. iuscellum (dies ist gegen
Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 438 be-
legt).
Walde-Pokorny 1, 199; Pokorny 507; NIL 405—407;
Mayrhofer, KEWA 3, 26; ders., EWAia 2, 416; Rastor-
gueva-Edelman, Et. dict. Iran. lang. 4, 108 f.; Horn,
Grdr. d. npers. Et. 96; Hübschmann, Pers. Studien
50 f.; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 616 (ζμη). 617 (ζωμός);
Chantraine, Dict. ét. gr. 401 (ζμη). 401 f. (ζωμός);
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 734; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 330; de Vaan, Et. dict. of Lat. 316; Thes.
ling. lat. 7, 2, 704—706 (iūs², iūscellum, iūsculum);
Niermeyer, Med. Lat. lex.² 1, 744; Du Cange² 3, 947
(juscellum, jusselum); Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
5232; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 4634; DEAF
J-768 ff. (jus¹). 779 f. (jussel); Wartburg, Frz. et. Wb.
5, 83—85 (jūs). 85 (jūscellum); Demiraj, Alb. Et. 183.
188; Orel, Alb. et. dict. 135; Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 110; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 458; Trubačëv, Ėt.
slov. slav. jaz. 8, 193; Derksen, Et. dict. of Slav. 208;
Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 1, 233; Snoj, Slov. et. slov.²
244; Vasmer, Russ. et. Wb. 3, 195 f. 474; ders., Ėt.
slov. russ. jaz. 4, 177 f. 536; Schuster-Šewc, Hist.-et.
Wb. d. Sorb. 465 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 199; Smo-
czyński, Słow. et. jęz. lit. 240 f.; Trautmann, Apreuß.
Spr.denkm. 87. 349; Mažiulis, Apreuß. et. Wb. 56—58;
Toporov, Prusskij jazyk I-K 98 ff.; Fick 2 (Kelt.)⁴ 224;
Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 438 f.; Delamarre,
Dict. gaul.³ 193. 435; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc.
U-30; Dict. of Irish U-94 f.; Dict. of Welsh 2037
(isgell¹). — Sławski 1952 ff.: 1, 585 f.; Haarmann 1970:
21. 102. 123; Gluhak 1993: 302; Orel 2011: 4, 285
(júška).
S. jûse.