kantAWB m./n. a-St., nur im Abr (1,254,
1 [Kb]) nom.sg. kant plates . pagina: ‚Rand‘.
Das Wort ist aus mlat. cantus m. (bzw.
cantum n.) ‚Radreifen, Felge, Rad, Rand,
Speiche, Winkel, Ecke‘ entlehnt; aus diesem
Grund erfolgt auch die Einordnung als a-St.,
der vom Beleg selbst nicht abgeleitet werden
kann (in Frage käme auch eine Einordnung
als i-St.). — Vergleichbare Formen finden
sich im Nhd. in Kante f. ‚durch zwei anei-
nanderstoßende Ebenen oder Flächen gebil-
dete Linie, Rand, äußere Begrenzung einer
Fläche, Webkante‘, das eine Übernahme von
mndd. kant(e) f. ‚Ecke, Rand‘ ist, und in
Kanten m. ‚Anschnitt oder Endstück eines
Brotes, unförmiges, dickes Stück Brot‘. Das
Wort wurde in dieser Bedeutung von ndl.
Kolonisten eingeführt.
Ahd. Wb. 5, 30; Splett, Ahd. Wb. 1, 1221; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 649; Schützeichel⁷ 171; Starck-Wells
321; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 142; See-
bold, ChWdW8 174; Graff 4, 455; Dt. Wb. 11, 173 f.;
Kluge²¹ 347; Kluge²⁵ s. v. Kante; Pfeifer, Et. Wb.²
616 f. — Teuchert 1944: 287 ff.; Splett 1976: 378.
In den anderen germ. Sprachen gibt es Ent-
sprechungen, die jedoch sämtlich später ent-
lehnt wurden und letztendlich auf einer nfrz.
Dialektvariante (vgl. anorm. cant) zu afrz.
chant ‚Seite, Kante‘ beruhen. chant wurde
zunächst in frühmndl., mndl. cant m., cante
f., nndl. kant ‚Ecke, Kante, Rand, Seite,
Knust‘ entlehnt. Aus dem Mndl. stammen
mndd. kant m./n., kante f. ‚Ecke, Kante,
Rand, Seite‘, nwestfries. kant, saterfries.
kaante ‚dss.‘. Entweder aus der mndl. oder
mndd. Form oder ebenfalls aus dem Nfrz.
sind me., ne. cant ‚Rand‘ hervorgegangen.
Auf dem Mndd. beruhen die skand. Fort-
setzer: nisl., fär. kantur, ndän., nnorw.,
nschwed. kant ‚Ecke, Rand, Seite‘.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 515; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 425; VMNW s. v. cant; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 1172 ff.; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 291; Vries, Ndls. et. wb. 301; Et. wb. Ndl. F-
Ka 626; Fryske wb. 10, 171 ff.; Dijkstra, Friesch Wb.
2, 37 f.; Fort, Saterfries. Wb. 118; ME Dict. s. v. cant
n.; OED² s. v. cant n.¹; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
1, 492; Magnússon, Ísl. Orðsb. 445; Nielsen, Dansk
et. ordb. 216; Ordb. o. d. danske sprog 10, 1 ff.; Torp,
Nynorsk et. ordb. 257 f.; NOB s. v. kant; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 442; Svenska akad. ordb. s. v. kant.
Mlat. cantus m. ‚Radreifen, Felge, Rad,
Rand, Speiche, Winkel, Ecke‘ (> italien.
canto, afrz. chant, aprov. can, span., port.
canto) geht wohl auf lat. canthus ‚der eiserne
Reif um ein Rad, die Radschiene‘ zurück.
Nach Quintilian handelt es sich um ein
afrikan. bzw. span. Lehnwort. In der Regel
wird das lat. Wort aber als ein Lehnwort aus
dem Kelt. angesehen, und zwar aus urkelt.
*kanto- ‚Ecke, Kante‘ > gall. -cantos, kymr.
cant, mbret. cant, nbret. kant ‚Kreisein-
fassung, Rand, Radreifen, Kreis‘ (vielleicht
auch in keltiber. -kant-). Das kelt. Wort ist
eine Ableitung von der Verbalwz. uridg.
*kem- ‚bedecken, verhüllen‘ (s. hamo¹).
Hiervon zu trennen sind vermutlich die slaw.
und balt. Wörter aksl. kǫtъ, nruss. (dial.),
ukrain., wruss. kut, tschech. kout, slowak.
kút, serbo-kroat. kȗt, slowen. kọ́t, bulg. kăt,
poln. kąt, osorb., ndsorb. kut ‚Winkel,
Sackgasse, Ecke‘, lit. kam̃pas ‚Winkel, Ecke,
Kante‘, wohl aus urbaltoslaw. *kompto-.
Fern bleibt auch gr. κανθός m. ‚Augen-
winkel‘, da es weder in der Bedeutung noch
in der Lautung (-t- : -θ-) mit ahd. kant zu
vereinbaren ist.
Walde-Pokorny 1, 350 f.; Pokorny 525; Frisk, Gr. et.
Wb. 1, 777 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 492; Beekes,
Et. dict. of Gr. 1, 635f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
1, 155 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 94; Thes. ling.
lat. 3, 292 ff.; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 1, 170; Du
Cange² 2, 109; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 1851;
Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 1616; Wartburg, Frz.
et. Wb. 2, 1, 227 ff.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 116;
Berneker, Slav. et. Wb. 1, 602 f.; Trubačëv, Ėt. slov.
slav. jaz. 12, 75 ff.; Derksen, Et. dict. of Slav. 244;
Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 3, 72 f.; Snoj, Slov. et. slov.²
313; Vasmer, Russ. et. Wb. 1, 705; ders., Ėt. slov.
russ. jaz. 2, 432 f.; Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d.
Sorb. 740; Fraenkel, Lit. et. Wb. 213 f.; Smoczyński,
Słow. et. jęz. lit. 252; Delamarre, Dict. gaul.³ 104 f.;
Dict. of Welsh 1, 418; Deshayes, Dict. ét. du. bret.
367 f. — Mlat. Wb. 2, 197.