kastoAWB m. an-St., seit dem 8. Jh. in Gl.:
‚(Ein-)Fassung für einen Edelstein, (Vor-
rats-)Behälter für Getreide, Speicher, Tenne;
area, bulla, capsula, foramen, frumentum,
granarium, granum, lagoena, ptisanarium,
repositorium, spicarium‘ 〈Var.: ch-, c-〉. —
Mhd. kaste sw.m. ‚Kasten, Behälter, Korn-
boden, Kornhaus, bewohntes Haus, Haus-
raum, Einfassung eines Edelsteins‘, nhd.
Kasten m. ‚rechteckiger, aus Holz oder ei-
nem anderen festen Material hergestellter
Behälter zum Aufnehmen oder Aufbewahren
von etw., zum Transport von Flaschen vor-
gesehener, in einzelne Fächer unterteilter of-
fener Behälter‘ (mit analogisch eingeführtem
-n nach den obliquen Kasus).
Ahd. Wb. 5, 57; Splett, Ahd. Wb. 1, 446 f.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 652; Schützeichel⁷ 172; Starck-Wells
324; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 161; See-
bold, ChWdW8 174; ders., ChWdW9 460; Graff 4,
530; Lexer 1, 1527 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 98
(capsula). 268 (granarium). 470 (ptisanarium). 493
(repositorum). 546 (spicarium); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 78 (bulla); Dt. Wb. 11, 263 ff.; Kluge²¹ 357;
Kluge²⁵ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 633.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. kast m., kaste f. ‚Aufbewahrungsort,
Aufbewahrungskammer, Behälter‘ (hieraus
entlehnt nschwed. kast); mndl. caste, nndl.
kast ‚Kasten‘; afries. kast m. (f.?), nwest-
fries. kast, saterfries. kaste f. ‚Kasten‘: <
urgerm. *kastan-.
Die ndl. Wörter werden teils als Lehnwort
aus dem Dt. angesehen. Wegen der aus dem
Andfrk. stammenden Entlehnung afrz. chas-
tun, cha(s)ton (nfrz. chaton) ‚Ringkasten‘,
die aus der Zeit vor der Lautentwicklung frz.
ca- > cha- stattgefunden haben muss, ist
diese Annahme aber unhaltbar.
Die weitere Anbindung innerhalb des Germ.
ist unklar. Wie das Nebeneinander von
*kaz-Formen wie dt. Fischkar : Fischkasten
‚Fischfass‘ zeigt, liegt eine Verbindung von
urgerm. *kastan- mit urgerm. *kasa- ‚Gefäß‘
nahe (s. kar). Eine Schwierigkeit bei dieser
Verknüpfung besteht aber darin, dass es sich
dann um eine vorurgerm. Bildung mit t-
Suffix handeln müsste (*gasto- mit sekund.
n-Erweiterung); eine solche kommt aber bei
der Verbreitung im Germ. kaum in Frage.
Daher wurde eine andere Erklärung von -t-
versucht: 1. Als sekund. -t (wie in nhd. Pa-
last); das -t stand jedoch nicht im Auslaut. 2.
Unter Einfluss von bedeutungsverwandtem,
aus lat. cista, entlehntem kista (s. d.); dieses
Wort erscheint im Dt. aber erst später.
Wegen diesen Schwierigkeiten wird auch,
ausgehend von der Bed. ‚Speicher‘, An-
schluss an die Sippe von ae. ciest f. ‚Schar‘
(< *kesti-), aisl. kǫstr m., nisl. köstur, fär.
køstur ‚Haufen‘, adän. kast, nnorw. kost
‚Holzhaufen‘, kast ‚Steinhaufen‘, nschwed.
kast ‚Holzhaufen‘ (< *kastu-), davon abge-
leitet aisl., nisl., fär., nnorw., nschwed. kasta
(aus dem Aisl. > me. casten, ne. cast), ndän.
kaste ‚werfen‘ (ohne Dental aisl. kǫs, nisl.
kös, ndän. kase, nnorw. [nn.] koss, [bm.] kas,
nschwed. dial. kas ‚Haufe‘ < urgerm. *kasō-)
erwogen.
Fick 3 (Germ.)⁴ 42; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
2, 1, 526; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 433; ONW
s. v. *kasto; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 1219 f.;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 296; Suppl. 83; Vries,
Ndls. et. wb. 307; Et. wb. Ndl. F-Ka 648 f.; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 266; Fryske wb. 10, 209 f.;
Dijkstra, Friesch Wb. 2, 40; Kramer, Seelter Wb. 113;
Holthausen, Ae. et. Wb. 45. 48; Bosworth-Toller, AS
Dict. 156; ME Dict. s. v. casten v.; OED² s. v. cast v.;
Vries, Anord. et. Wb.² 303. 342 f.; Bjorvand, Våre
arveord² 564 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 16; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 261 f. 390; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 150. 172; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 1, 501 f.; Magnússon, Ísl. Orðsb. 450.
539; Nielsen, Dansk et. ordb. 217 f.; Ordb. o. d.
danske sprog 10, 137. 155 f. 161 ff.; Torp, Nynorsk et.
ordb. 260. 310 f.; NOB s. vv. (bm.) kas, kast, kost,
(nn.) koss; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 450 f.; Svenska
akad. ordb. svv. kast subst.¹, kast subst.², kasta v. —
Wartburg, Frz. et. Wb. 2, 1, 472 f.
Trifft dies zu, wäre die urgerm. *kastan-
zugrunde liegende Wz. auf uridg. *h₂ĝes-
‚bringen, tragen‘ zurückzuführen, eine Er-
weiterung von *h₂eĝ- ‚treiben‘ (s. ackar).
Die Wz. *h₂ĝes- ist in der Sippe von lat.
gerere ‚tragen, bringen‘ (< urit. *ges-e/o-)
fortgesetzt. Damit wäre das uridg. Alter der
Wz. (mit Benedetti 1988: 107 f.; gegen de
Vaan, Et. dict. of Lat. 259) gesichert.
Aus dem Germ. ist das Wort in mlat. casto
m. ‚Einfassung eines Edelsteins‘ (> italien.
castone) entlehnt.
Dagegen sind atschech. kasta ‚Salzlager‘,
tschech. kašna ‚Brunnen‘, aslowak. kašna
‚große, offene Truhe, Kleidertruhe‘, slowak.
dial. kasta ‚Truhe‘ und lett. kaste ‚Kasten‘
aus dem Dt. übernommen.
Walde-Pokorny 1, 37; LIV² 255 f.; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. 1, 595 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴
273 f.; de Vaan, Et. dict. of Lat. 259; Thes. ling. lat. 6,
2, 1928 ff.; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 1, 203; Du
Cange² 2, 212; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2,
169; Karulis, Latv. et. vārd. 1, 389. — Mlat. Wb. 2,
344; Brüch 1913: 173 f.; Schrijver 1991: 18 f.; Ne-
werkla 2011: 61. 271.