kleini
Band V, Spalte 581
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kleiniAWB, kleinAWB adj., seit dem 8. Jh. in Gl.,
bei O, N, Npg, in WH: klein geformt,
winzig, kurz, gering(fügig), beschränkt,
unerheblich, dünn, schwach, fein, zart,
kostbar, hell (von Farbe), klug, schlau,
(arg-)listig, tief, gründlich im Denken;
acutus, argutus, astutus, carbaseus,
circumspectus, eminulus, exiguus, exilis,
fluens, gracilentus, gracilis, minor, minutus,
nitens, parvus, pervicax, sagax, scaevus,
subtilis, tenuis, versutia, versutus
Var.: c-,
ch-; -e-, -ai-; -nn-. Mhd. kleine, klein
rein, niedlich, zierlich, fein, hübsch, scharf-
sinnig, klug, unansehnlich, gering, schwach
,
nhd. klein von geringem Ausmaß, von ge-
ringer Größe, jung, nicht erwachsen, unbe-
deutend
.

Ahd. Wb. 5, 236 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 463 f.; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 665; Schützeichel⁷ 177; Starck-
Wells 334. 824. 851; Schützeichel, Glossenwortschatz
5, 241 ff.; Seebold, ChWdW8 177; ders., ChWdW9
470 f.; Graff 4, 559 ff.; Lexer 1, 1615; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 216 (exiguus, exilis). 267 (gracilis). 362
(minor). 414 (paruus). 562 (subtilis). 578 (tenuis);
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 11 (acutus). 239 (exiguus).
292 (gracilentus). 406 (minutus). 637 (subtilis); Dt.
Wb. 11, 1087 ff.; Kluge²¹ 376; Kluge²⁵ s. v.; Pfeifer,
Et. Wb.² 666 f.

In den anderen germ. Sprachen entspre-
chen: as. klēni zierlich, scharfsinnig, mndd.
klēin(e) rein, zart, dünn, schmal, zierlich,
gering, unwichtig, wenig
; andfrk. klēni
klein, nicht groß, mndl. cleine, nndl. klein
klein, gering, wenig; afries. klēn, nfries.
klien, saterfries. kleen, nnordfries. kliin
dünn, schlank, zierlich, klein; ae. clǣne
rein, keusch, unschuldig, klar, offen, me.
clēne, ne. clean rein, sauber: < westgerm.
*klania-.

Möglicherweise zeigt das Adj. den üblichen
Übertritt ehemaliger i-Adj. in die ja-Klasse,
so dass für das Urgerm. von einem ursprüng-
lichen Adj. *klani- auszugehen ist; ein sol-
ches wird auch durch die Bed. des Adj. na-
hegelegt.

Die nordgerm. Formen aisl., nisl. klénn,
fär. klænur, ndän. klejn, nnorw., nschwed.
klen klein, winzig, fein, zart, schmächtig,
schwach
sind aus dem Mndd. entlehnt.

Neben der Form mit urgerm. *-a- findet sich
in nhd. schweiz. eine ablautende Variante
chlī(n/nn) klein, die urgerm. *-e- fortsetzt.

Fick 3 (Germ.)⁴ 57; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 332 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 213;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 90. 102. 200; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 574 f.; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. 2, 477 f.; ONW s. v. klēni; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 3, 1510 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 313; Suppl. 87; Vries, Ndls. et. wb. 326 f.; Et.
wb. Ndl. Ke-R 72 f.; Boutkan, OFris. et. dict. 217 f.;
Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 275; Richthofen,
Afries. Wb. 874; Fryske wb. 11, 13; Dijkstra, Friesch
Wb. 2, 62 f.; Fort, Saterfries. Wb. 121; Sjölin, Et.
Handwb. d. Festlnordfries. XXXII; Faltings, Et. Wb.
d. fries. Adj. 312 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 50;
Bosworth-Toller, AS Dict. 157; Suppl. 127; Suppl. 2,
15; ME Dict. s. v. clēne adj.; OED² s. v. clean adj.;
Vries, Anord. et. Wb.² 316; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
1051; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 155; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 529; Magnússon, sl.
Orðsb. 474; Nielsen, Dansk et. ordb. 223; Ordb. o. d.
danske sprog 10, 534 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 284;
NOB s. v. klen; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 465;
Svenska akad. ordb. s. v. klen. Schweiz. Id. 3, 650.

Die weitere Etym. von westgerm. *klania-
ist umstritten. Dies liegt zum einen an der
semantischen Differenzierung in den germ.
Sprachen selbst, zum anderen am Fehlen
einer etymologischen Gleichung in einer an-
deren idg. Sprache.

Wenn die von Heidermanns, Et. Wb. d.
germ. Primäradj. 332 herausgearbeiteten se-
mantischen Entwicklungen zutreffen, dann
war die Ausgangsbedeutung wohl fein ver-
schmiert, fein verputzt
. In diesem Fall lässt
sich das Adj. an die in urgerm. *klinō/a-
bestreichen vorliegende Wz. anschließen
(s. klenan).

Nach S. Neri (mündlich) ist von folgender
Entwicklung auszugehen (zum Mechanismus
vgl. J. Schindler, in Mayrhofer 1980: 390):
Neben einem alten Adj. uridg. *gleiH-nó-
fein wegen Bestreichung (nhd. schweiz.
chlī[n/nn] klein) stand ein ursprüngliches
Subst. *glóiH-ni- Bestreichung, das se-
kundär zu einem Adj. fein (wegen Be-
streichung)
wurde (zur Verschleppung von
o-Stufen aus dem Subst. in ein Adj. vgl. etwa
gr. πολύς viel).

Die Grundbedeutung fein verschmiert, fein
verputzt
habe sich zunächst zu handwerk-
lich fein, geschickt hergestellt
entwickelt,
woraus einerseits die Bedeutung makellos
(sekundär weiter zu rein, unschuldig), an-
dererseits die Bedeutung zart, schlank, zier-
lich
(sekundär weiter zu klein) entstan-
den ist.

Pokorny 366 f. stellt demgegenüber das Adj.
zur Verbalwz. uridg. *el- hell glänzen,
heiter sein
. Wie Heidermanns, Et. Wb. d.
germ. Primäradj. 333 jedoch gezeigt hat, ist
dieser Anschluss abzulehnen, da die Wz. im
Germ. nicht mit der Bedeutung glänzend
bezeugt ist.

Nicht ernsthaft überlegenswert ist die An-
nahme eines Substratworts.

Walde-Pokorny 1, 622 f.; Pokorny 366 f.

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