kriochanAWB st.v. II, Gl. 1,542,59 (Rb),
Npg und Npw: ‚kriechen; niti, reptilis‘
〈Var.: ch-〉. — Mhd. kriechen st.v. ‚sich
einziehen, schmiegen, kriechen, schleichen‘,
nhd. kriechen st.v. ‚(von bestimmten Tieren)
sich mit dem ganzen Körper dicht am Boden
oder unmittelbar über dem Boden gleitend,
meist nicht schnell fortbewegen, (von Tieren
und Menschen) sich mit an den Boden ge-
drücktem Körper fortbewegen, sich an einen
bestimmten Ort begeben, in eine bestimmte
Stelle hineinkriechen, sich verkriechen, (von
Pflanzen, die nicht in die Höhe wachsen)
sich mit ihren Trieben, Ausläufern o. Ä. am
Boden ausbreiten, (besonders von Fahrzeu-
gen, Kolonnen o. Ä.) sich aufgrund einer Be-
hinderung o. Ä. besonders langsam fortbewe-
gen, (abwertend) sich unterwürfig verhalten,
allzu dienstfertig sein gegenüber einer hö-
hergestellten Person, (Technik) (von festen
Werkstoffen) sich bei bestimmter Tempe-
ratur und Beanspruchung plastisch verfor-
men, dehnen‘.
Ahd. Wb. 5, 413; Splett, Ahd. Wb. 1, 486; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 681; Schützeichel⁷ 183; Starck-Wells
347; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 344; See-
bold, ChWdW8 180; Graff 4, 591; Lexer 1, 1728; 3,
Nachtr. 282; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 493 (reptile);
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 430 (niti). 569 (reptile); Dt.
Wb. 11, 2206 ff.; Kluge²¹ 405; Kluge²⁵ s. v.; Pfeifer,
Et. Wb.² 734. — Braune-Reiffenstein 2004: § 333
Anm. 1.
In den anderen germ. Sprachen entspricht:
nnorw. dial. krjuka ‚sich zusammenziehen‘:
< urgerm. *kreu̯ke/a- ‚kriechen‘.
Anders gebildet sind mndd. krōken ‚kräu-
seln‘; mndl. croken ‚knacken, brechen, fal-
ten, reißen‘, nndl. kreuken ‚Falten machen‘;
nwestfries. krūke ‚zusammenziehen‘; nisl.,
fär. kroka, nnorw. kruke ‚sich zusammen-
ziehen, kriechen‘ < urgerm. *krukōi̯e/a-;
nhd. krauchen ‚kriechen‘, me. crọ̄ken ‚bie-
gen, verbeugen, beugen‘, ne. (ausgestorben)
crouk ‚verbeugen‘ < urgerm. *krūke/a-. Da-
zu stellt sich die Ableitung urgerm. *kruki̯ō-
‚gekrümmter Stock‘ > ahd. krucka (s. d.).
Daneben findet sich in den germ. Sprachen
eine im Auslautkonsonantismus abweichen-
de Wz. urgerm. *kreu̯pe/a- ‚kriechen‘, die
auch in ahd. kriofan (s. d.) vorliegt.
Fick 3 (Germ.)⁴ 54; Seebold, Germ. st. Verben 310;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 679 f.; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. 2, 575; VMNW s. v. croken;
Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 2122; Franck, Et. wb.
d. ndl. taal² 347; Vries, Ndls. et. wb. 360; Et. wb. Ndl.
Ke-R 129; Fryske wb. 11, 385 f.; Dijkstra, Friesch
Wb. 2, 100; ME Dict. s. v. crọ̄ken v.; OED² s. v.
†crouk v.; Vries, Anord. et. Wb.² 332; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 353; Magnússon, Ísl. Orðsb. 507; Bjor-
vand, Våre arveord² 599; Torp, Nynorsk et. ordb.
324 f.; NOB s. v. kruke.
Urgerm. *kreu̯ke/a- ‚kriechen‘ < *greu̯H-
g-e/o- hat keine Entsprechungen in den
anderen idg. Sprachen. Es liegt nahe, darin
eine Velarerweiterung zur sekundären Wz.
*greu̯(H)- zu sehen, die selbst wohl eine
Weiterbildung zu uridg. *ger- ‚drehen, win-
den‘ ist (zum Ansatz mit Laryngal vgl.
auch S. Neri, in Neri-Ziegler 2012: 97:
„*greu̯[H]-“). Ob die Wz. *ger- in der Form
jedoch greifbar ist, bleibt offen, da die
angeblichen ai. Fortsetzer guṇá- ‚Faden,
Schnur, Strick‘ und gárta- ‚Wagensitz des
Streitwagens‘ in ihrer Herkunft unsicher
sind; als Zeugen gelten dafür nur noch aisl.
karmr ‚Brustwehr‘, nschwed. karm ‚Wagen-
korb‘ (< vorurgerm. *gor-mo-).
Die sekundäre Wz. wäre dabei auch die
Grundlage für vorurgerm. *greu̯(H)b(h)e/o-
‚kriechen‘ (s. kriofan).
Vielleicht ist air. gruc, nir. grug ‚Runzel‘ <
urir. *gruggā- eine näher verwandte Bil-
dung. Das Benennungsmotiv wäre dann die
bei Gesichtsfalten eingezogene Haut.
Walde-Pokorny 1, 597 f.; Pokorny 389; Mayrhofer,
KEWA 1, 327. 338; ders., EWAia 1, 472 f. 489 f.; Dict.
of Irish G-167. — de Bernardo Stempel 1999: 514 f.
516. 519.
S. kriofan?