lâoAWB adj. wa-St. (flektiert lâwêr), seit
dem 9./10. Jh. in Gl.: ‚lau, lauwarm, warm,
halbherzig, lasch; apricus, fumans, tepens,
tepidus‘ 〈Var.: leuu-〉. — Mhd. lâ, læwe, lâw
‚lau, mild‘, frühnhd. lau, lab ‚lauwarm,
lasch, mild, unschlüssig, nachlässig‘, nhd.
lau ‚mäßig warm, mild, unentschlossen,
halbherzig‘.
Ahd. Wb. 5, 639 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 516; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 705; Schützeichel⁷ 193; Starck-Wells
361; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 470; Graff 2,
294; Lexer 1, 1805; Frühnhd. Wb. 9, 372 ff.; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 578 (tepidus); Dt. Wb. 12, 285 ff.;
Kluge²¹ 426; Kluge²⁵ s. v. lau; Pfeifer, Et. Wb.² 771. —
Braune-Reiffenstein 2004: § 254 und Anm. 1.
In anderen west- und nordgerm. Sprachen
entsprechen: mndd. la(u)w adj. ‚lauwarm‘;
frühmndl. lau (a. 1240), mndl. laeu, nndl.
lauw ‚halbwarm‘; nwestfries. lau ‚lau‘, nnord-
fries. lai ‚windgeschützt, lau‘ (zur Form
s. u.); nisl. hlár ‚mild‘: < westgerm./nord-
germ. *χlāu̯a- < urgerm. *χlēu̯a-.
Nahe stehen aisl., nisl. hlær adj. ‚mild,
warm [vom Wetter]‘, nnorw. læ, adän. lā,
aschwed. liō(r): < nordgerm. *χlāu̯ii̯a- < ur-
germ. *χlēu̯(i)i̯a-.
Einen kurzen Wz.vokal setzen ae. -hlēow
adj. (in ge-hlēow ‚warm, geschützt‘), hlēowe
adv. ‚warm, sonnig‘, me. leu(e), lue, luw adj.
‚lau, lauwarm‘, ne. dial. lew adj. ‚lau, lau-
warm, windgeschützt‘; aisl., nisl. hlýr, fär.
lýggjur ‚warm, mild‘, ndän. dial., nschwed.
dial. ly ‚lau, still [vom Wetter]‘, nnorw. ly
‚mild, lau‘ fort: < urgerm. *χleu̯i̯a-.
Das Verhältnis der drei für das Urgerm.
anzusetzenden Formen *χlēu̯a- : *χlēu̯(i)i̯a- :
*χleu̯i̯a- ist innergerm. kaum zu erklären, für
alle drei ist die Bed. ‚lau(warm), mild‘ ge-
sichert. Urgerm. *χlēu̯(i)i̯a- kann eine sekun-
däre Bildung zu urgerm. *χlēu̯a- sein. Auch
eine dehnstufige Vddhi-Ableitung von der
vollstufigen ohne Bed.veränderung erscheint
möglich. Ebenso denkbar ist, dass *χlēu̯a-
eine Rückbildung zu *χlēu̯(i)i̯a- ist. Viel-
leicht handelt es sich bei *χlēu̯(i)i̯a- auch nur
um eine Kreuzung der beiden anderen For-
men (so etwa Harðarson 2001: 61; ders., FS
Klingenberg 2002: 125). Eine Entscheidung
zugunsten einer dieser Ableitungsvarianten
ist hier nicht möglich. Hinzu kommt dann
noch im Urgerm. mit der vorgenannten voll-
stufigen Form homophones *χleu̯i̯a- ‚am Ort
des Schutzes befindlich‘ > ‚geschützt‘, das
eine Ableitung zum Subst. urgerm. *χleu̯a-
‚Schutz, Obdach‘ > aisl. hlé ‚Schutz, Lee-
seite‘, ae. hlēo ‚Schutz, Obdach‘ etc. (zur
Wz. uridg. *k̂el- ‚umhüllen, verbergen‘ [LIV²
322f.]) ist. Auf diesem Adj. beruht bes. im
Fries. die Bed. ‚windstill‘; vgl. nwestfries. lij
‚lauwarm, windstill‘. Es sind also zwei etym.
verschiedene Wortformen aufgrund ihrer Ho-
mophonie in ein gemeinsames Wort zusam-
mengeflossen. Zu den beiden homophonen
Adj. wurden dann zwei ebenfalls homophone
denominale Verben gebildet, aisl. hlýia
‚schützen‘ und hlýia ‚wärmen‘.
Urgerm. *χlēu̯a- und *χlēu̯(i)i̯a- wurden ins
Ostseefinn. entlehnt; vgl. ingr. lievä ‚lose ge-
zwirnt‘, liēpeä ‚lauwarm‘, karel. lievä, lievü
‚lose gezwirnt, mild [Wetter], schwach [Tee,
Kaffee]‘, estn. leebe ‚mild, weich, sanftmü-
tig‘, leev, leeb ‚gelinde, mild‘. Aufgrund der
zusätzlichen, den germ. Ausgangswörtern
nicht eigenen Bed. ‚lose, locker‘ ist wohl mit
einem Zusammenfall eines ostseefinn. Erb-
worts und dem germ. Lehnwort zu rechnen.
Fick 3 (Germ.)⁴ 109; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 295; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2,
1, 756; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 640; VMNW
s. v. lau; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 50 f.; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 372; Suppl. 98; Vries, Ndls. et.
wb. 386; Et. wb. Ndl. Ke-R 186 f.; Fryske wb. 12, 138
(s. v. lau¹); Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnordfries. 118;
Faltings, Et. Wb. d. fries. Adj. 278 f.; Holthausen, Ae.
et. Wb. 163; Bosworth-Toller, AS Dict. 401. 543;
Suppl. 551. 736; ME Dict. s. v. leu(e) adj.¹; OED² s. v.
lew adj.¹; Vries, Anord. et. Wb.² 241; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 240; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 22
(hlœr); Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 120; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 668; Magnússon, Ísl.
Orðsb. 343 (hlýr²); Nielsen, Dansk et. ordb. 269 f.;
Ordb. o. d. danske sprog 13, 142 f.; Bjorvand, Våre
arveord² 688 f. 697; Torp, Nynorsk et. ordb. 399 f.
404; NOB s. vv. ly adj., (nn.) læ; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 599; Svenska akad. ordb. s. v. ly adj.; Kylstra,
Lehnwörter 202 f.
Gleichfalls Schwierigkeiten bereitet die Her-
leitung von urgerm. *χlēu̯a- : *χlēu̯(i)i̯a- :
*χleu̯i̯a- aus uridg. Vorformen und die Ver-
bindung mit außergerm. Material, da diese
Analyse zunächst an fehlenden Anschluss-
möglichkeiten scheitert. Semantisch und for-
mal nahe steht indes eine Wz. uridg. *k̂el-
‚warm werden‘ (LIV² 323; NIL 414 f.), die
sich als laryngallose Wz. klar von der Wz.
*k̂elH- ‚kalt werden, frieren‘ (LIV² 323; NIL
416 f.) unterscheidet. Andere Forscher rech-
nen hingegen mit einer laryngalhaltigen Wz.
auch bei dem hier besprochenen Lexem.
Problematisch bleibt zunächst die Aussage-
kraft der balt. Evidenz, dort steht lit. šìlti
‚warm werden‘, das auf früheren Laryngal
deutet, neben lit. šitas ‚warm‘, das gegen
diesen spricht. Eine der beiden Formen muss
somit analogisch entstanden sein.
Ausgehend von einem Ansatz mit einer laryn-
gallosen Wz. uridg. *k̂el- bleibt die Struktur
der germ. Lexeme zunächst unklar. Setzt man
aber eine laryngalhaltige Wz. oder eine um
Laryngal erweiterte Wz. an, können sowohl
die germ. Lexeme als auch das anzuschlie-
ßende Material bes. des Lat. erklärt und ein
weitere Verbindung mit Lexemen im Ai. her-
gestellt werden. Diese Wz. muss dann die
Struktur *k̂leH-, am ehesten *k̂leh₁-, gehabt
haben: Harðarson 2001: 62 f., ders., FS Klin-
genberg 2002: 127 f. geht Schrijver 1991:
206 f. folgend davon aus, dass eine urspr.
Wz. uridg. *k̂el- um *-eh₁- erweitert wurde.
Die so entstandene erweiterte Form uridg.
*k̂l-eh₁- sei aus dem fientiven Verbalstamm
entstanden und fest geworden. Diese Neowz.
habe eine erneute Erweiterung um ein ehema-
liges präs.stammbildendes Suff. *-u- erhalten.
Die so gebildete Wz. *k̂l-eh₁-u- wurde dann
je nach Stellung vor Vokal oder Konsonant
unterschiedlich realisiert: uridg. *k̂leh₁u-K
> *k̂le.u-K (intervokalischer Schwund des
Laryngals) > *k̂leu̯-K vs. uridg. *k̂leh₁u-V >
*k̂leh₁u̯-V > *k̂lēu̯- (Laryngalschwund mit Er-
satzdehnung). So wäre die Entstehung der For-
men uridg. *k̂leh₁u-i̯o- > *k̂leu̯-i̯o- > urgerm.
*χleu̯-i̯a- sowie die von uridg. *k̂leh₁u-o- >
*k̂lēu̯-o- > *χlēu̯-a- lautgesetzlich, aber ur-
germ. *χlēu̯(i)i̯a- eine Kontaminationsform.
Von dieser sekundären Wurzel. uridg.
*k̂l-eh₁-/ *k̂-h₁- lassen sich auch lat. ca-
leō ‚bin warm‘ (< uridg. *k̂h₁-eh₁-/*k̂h₁-h₁-
i̯e/o-) und clidus ‚warm‘ (< uridg. *k̂h₁-i-
dhh₁-e/o- [A. Nussbaum, GS Schindler 1999:
381 f.]) lautgesetzlich herleiten. Die Annah-
me einer Entlehnung der lat. Wörter aus dem
Gr. und deren nachfolgender Angleichung
an den Adj.-Typ auf lat. -idus (so z.B. A.
Nussbaum, GS Schindler 1999: 382) ist nicht
nötig.
Die erweiterte Wz. ist weiterhin mögli-
cherweise in ai. śrā- ‚gar werden‘, śrātá-
‚gar, gekocht‘ etc. belegt.
Das o.g. Adj. lit. šitas ‚warm‘, lett. sìlts
‚dss.‘ < uridg. *k̂-tó- ist Kontinuante der
urspr. unerweiterten Wz. Der Akut im zuge-
hörigen Verb lit. šìlti, lett. sist ist entweder
sekundär aus dem st-Präs. lit. šìlstu oder in
Analogie zum Antonym lit. šálti ‚kalt wer-
den‘ übernommen.
Auch das Kelt. setzt die unerweiterte Wz. im
urspr. Verbaladj. uridg. *k̂-tó- > (m)kymr.
clyd ‚geschützt, trocken, warm, Schutz,
angenehmer Platz, Wärme‘ fort. Aufgrund
der Semantik ist hier aber wohl von einem
Zusammenfall mit einer gleich strukturierten
Bildung von der Wz. *k̂el- ‚umhüllen,
verbergen‘ auszugehen.
Walde-Pokorny 1, 429 f.; Pokorny 551 f.; LIV² 323;
NIL 414 ff.; Mayrhofer, KEWA 3, 391 f.; ders., EWAia
2, 668 f.; Untermann, Wb. d. Osk.-Umbr. 365; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 137. 139; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 86; de Vaan, Et. dict. of Lat. 83; Thes.
ling. lat. 3, 146 ff. 151 ff.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
1745. 1749; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 1506.
1510; Wartburg, Frz. et. Wb. 2, 82 ff. 87 ff.; Traut-
mann, Balt.-Slav. Wb. 304 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb.
984; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 637; Mühlenbach-
Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 840; Karulis, Latv. et. vārd.
2, 183; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 208; Dict.
of Welsh 515. — Harðarson 2001: 58—64. 66. 90—93;
ders., FS Klingenberg 2002: 124—130; Müller 2007:
270.