lûstaren sw.v. I, im Abr (1,191,29 [Pa,
Kb, Ra]), Gl. 1,510,17 (Ende des 8./Anfang
des 9. Jh.s, alem.) und weiteren Gl.: ‚auf-
merksam zuhören, konzentriert betrachten;
auscultare, inhiare, prurire‘, zumeist im
Part.Präs. lûstarenti ‚aufmerksam, staunend;
attonitus‘ 〈Var.: hl; -u-, -uu-; -tr-, -ter-〉. —
Mhd. lûstern, lustern sw.v. ‚horchen, lauern,
auflauern‘, frühnhd. laustern sw.v. ‚lau-
schen, horchen, gespannt auf etw. achten, auf
der Lauer liegen‘, nhd. mdartl. nahezu über-
all belegt: schweiz. lūsteren ‚lauschen, hor-
chen, aufhorchen, lauern, zuraunen‘, els. lus-
teren ‚lauschen, (erstaunt) aufhorchen, nach-
sinnen, aufpassen, lauern‘, vorarlb. lüsteren
‚heimlich lauschen, neugierig spähen, aus-
spionieren‘, kurhess. lüstern ‚lauschen, hor-
chen‘, lothr. luschtren ‚lauschen, auskund-
schaften, aufpassen, lauern‘, bad. laustern,
Nebenform lustern ‚aufmerksam lauschen,
aushorchen, spionieren, staunen, lauern, auf-
lauern‘, luxem. lauschteren ‚zuhören, aufhor-
chen, anhören, abhören‘, schwäb. lausteren,
Nebenform lusteren ‚lauern, horchen‘, bair.
laustern ‚betroffen aufhorchen, lauschen,
lauern‘, lustern ‚horchen‘, tirol. laustern ‚spä-
hen, ausschauen‘, rhein. laustern, lustern
‚scharf aufhorchen, heimlich horchen, gehor-
chen, flüstern, tuscheln‘, pfälz. laustern ‚an-
gestrengt hinhören, lauschen‘, hess.-nassau.
laustern ‚lauschen, die Ohren spitzen, an-
gestrengt horchen‘, ohess. laustern, lüstern
‚lauschen‘, südhess. laustern ‚scharf hinhö-
ren, heimlich horchen, auskundschaften,
auflauern‘, ufrk., thür. laustern ‚lauschen,
unerlaubt an der Tür horchen‘, schles. laus-
tern ‚lauern‘, lustern ‚finster ansehen, ver-
stohlen gucken‘, siebenbürg.-sächs. laustern
‚lauschen, aufmerksam zuhören, heimlich
hören‘, märk. lūstern ‚aushorchen, spionie-
ren‘, westfäl., ndd. lustern ‚horchen, lau-
schen, zuhören‘, lüneb. lūst’ren ‚achtgeben,
spähend ausfindig machen‘, schlesw.-holst.
lūstern ‚lauschen, horchen‘.
Die von J. Splett (HSK 21, 1 [2002], 696) getroffe-
ne Aussage, dass die Wortfamilie von ahd. lûstaren
in der Gegenwartssprache nicht mehr vertreten sei,
betrifft nur die Hochsprache, dialektal ist das Wort
nach wie vor weit verbreitet (s. o.).
Ahd. Wb. 5, 1424 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 575; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 745; Schützeichel⁷ 210; Starck-Wells
390. 852; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 198
(Ansatz als sw.v. III); Bergmann-Stricker, Katalog
Nr. 253. 296 (II). 298 (I). 747; Seebold, ChWdW8
200; ders., ChWdW9 547; Graff 2, 293; Lexer 1,
1993; 3, Nachtr. 306; Frühnhd. Wb. 9, 455 f.; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 62 (auscultare); Dt. Wb. 12,
361 f. — DRW 8, 777. — Schweiz. Id. 3, 1480 f.; Stal-
der, Versuch eines schweiz. Id. 2, 187; Martin-Lien-
hart, Wb. d. els. Mdaa. 1, 621; Ochs, Bad. Wb. 3,
401 f.; Fischer, Schwäb. Wb. 4, 1055. 1350; 6, 2
Nachtr. 2500; Jutz, Vorarlberg. Wb. 2, 316; Schmel-
ler, Bayer. Wb.² 1, 1524. 1526; Schöpf, Tirol. Id. 375;
Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 1, 378; Follmann, Wb. d.
dt.-lothr. Mdaa. 1, 346 (luschtren¹); Luxemb. Wb. 3,
20; Müller, Rhein. Wb. 5, 233 f. 650; Christmann,
Pfälz. Wb. 4, 834; Kehrein, Volksspr. u. Wb. von
Nassau 259; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 4, 200 f.;
Crecelius, Oberhess. Wb. 542 f. (s. v. lausen); Vilmar,
Id. von Kurhessen 256; Berthold, Hessen-nassau.
Volkswb. 2, 62. 65; Wb. Unterfrk. 167; Spangenberg,
Thür. Wb. 4, 144; Bretschneider, Brandenb.-berlin.
Wb. 3, 164; Mitzka, Schles. Wb. 2, 798. 829; Schul-
lerus, Siebenbürg.-sächs. Wb. 6, 61; Woeste, Wb. d.
westf. Mda. 167; Schambach, Wb. d. ndd. Mda. 128;
Kück, Lüneb. Wb. 2, 335; Mensing, Schleswig-holst.
Wb. 3, 541. — Raven 1963—67: 1, 121.
In anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. lüsteren, lūsteren sw.v. ‚aufhorchen,
hinhören‘; mndl. luusteren, luyst(e)ren sw.v.
‚hinhören, lauschen, raunen, tuscheln, ein-
flüstern‘, nndl. luisteren ‚aufmerksam zu-
hören‘; afries. lūstera sw.v. ‚horchen‘,
nwestfries. lūsterje ‚raunen, lauschen‘, sater-
fries. lusterje ‚horchen‘, nnordfries. lüüstere
‚gehorchen‘: < westgerm. *χlūstarii̯e/a- mit
r-Suffix in intensiver Funktion und se-
kundärer Dehnung des Wz.vokals. Die Ab-
leitungsbasis des sw. Verbs ist unsicher. Am
wahrscheinlichsten ist von einem nicht be-
legten sw.v. I westgerm. *χlstii̯e/a- ‚zuhö-
ren‘ auszugehen, das vielleicht wegen der
einzelsprachlich eintretenden Homonymie
mit urgerm. *lustii̯e/a-, fortgesetzt in ahd.
lusten ‚gelüsten, Lust haben‘ (s. d.) usw.,
vermieden wurde.
Nah steht ohne r-Suff. gebildetes ae. hlystan
sw.v. I ‚lauschen‘, me. listenen, lustne(n),
ne. listen ‚aufmerksam zuhören‘ < westgerm.
*χlustii̯e/a-, denominale Ableitung zu ae.
hlyst m./f. ‚Gehör‘ < westgerm. *χlusti-, das
auch in as. hlust st.f. ‚Zuhören, Gehör‘ und
aisl. hlust f. ‚Gehör, Ohr‘ fortgesetzt ist.
Eine Entlehnung des ahd. Verbs aus lat. (con-)lūstāre
‚hell erleuchten, beleuchten‘ scheidet nicht nur, wie
Riecke 1996: 203 f. ausführt, wegen des anl. hl- in
den ältesten Denkmälern aus, sondern auch aufgrund
der unterschiedlichen Verbbedeutungen.
Fick 3 (Germ.)⁴ 113; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 875; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2,
752; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 916 f.; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 403; Vries, Ndls. et. wb. 416; Et. wb.
Ndl. Ke-R 272 f.; Hofmann-Popkema, Afries. Wb.
314; Fryske wb. 13, 62 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 2,
137; Fort, Saterfries. Wb. 132; Sjölin, Et. Handwb. d.
Festlnordfries. 128; Holthausen, Ae. et. Wb. 165; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 546; Suppl. 555; ME Dict. s. v.
listenen v.; OED² s. v. listen v.
Westgerm. *χlusti- aus vorurgerm. *k̂lus-
ti-, einer tiefstufigen Ableitung zur Wurzel
uridg. *k̂leu̯s- ‚hören, zuhören‘ (s. losên), hat
außergerm. Entsprechungen in ai. śruṣṭí- f.
‚Gehorsam, Willfährigkeit‘, aav., jav. mit
α-privativum a-srušti- f. ‚Ungehorsam‘ <
uridg. *-k̂lus-ti-.
Walde-Pokorny 1, 495; Pokorny 606 f.; LIV² 336; NIL
432 f.; Mayrhofer, KEWA 3, 394 (s. v. śruṣ-); ders.,
EWAia 2, 672 (s. v. ŚROṢ); Bartholomae, Airan. Wb.²
223. — Darms 1978: 113 f.
S. losên.