lappaAWB f. ō(n)-St.?, nur Gl. 4,311,7
(Clm. 14747, 9. Jh., bair.): ‚Zipfel des
Gewandes; lacinia‘. — Mhd. lappe sw.f./m.
‚herunterhängendes Stück Zeug, Lappen‘,
frühnhd. lappe m. ‚Fetzen, Flicken‘, übertr.
‚Blatt von Pflanzen, kleines Grundstück‘,
phras. lumpen und lappen arbeiten ‚einfache
Dinge verrichten‘, nhd. Lappen m. ‚kleineres
Stück Stoff, Leder o. ä., herunterhängendes
Stück Haut am Körper (Lappen beim Trut-
hahn; vgl. auch Ohrläppchen), flächiger Teil
eines Organs (z.B. Lungenlappen)‘ mit -n
aus den flektierten Kasus, phras. jmdm.
durch die Lappen gehen ‚jmdm. entkom-
men‘, eigtl. ‚die Absperrung durchbrechen‘.
Ahd. Wb. 5, 640; Splett, Ahd. Wb. 1, 516; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 705; Schützeichel⁷ 193; Starck-Wells
361; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 470; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 611; Seebold, ChWdW9
498; Graff 2, 38; Lexer 1, 1834; Frühnhd. Wb. 9,
277 f.; Dt. Wb. 12, 194 f.; Kluge²¹ 423; Kluge²⁵ s. v.
Lappen; Pfeifer, Et. Wb.² 765 f. — Röhrich 2003: 2,
928 f.
Ahd. lappa- usw. geht auf westgerm. *lab-
bō(n)- mit *-bb- in lautsymbolischer Funktion
zurück. Die anderen westgerm. Sprachen
und das Nordgerm. hingegen haben die Dop-
peltenuis *-pp- fortgesetzt. Die Annahme,
dass das ahd. Wort aus dem Ndd. entlehnt
sei (so Pokorny 656), wird schon in Kluge²¹
423 zu Recht abgelehnt.
Verwandte in den anderen germ. Spra-
chen sind: as. lappo sw.m. ‚Gewandzipfel‘,
mndd. lappe m. ‚herunterhängendes Teil
von Tuch, abgeschnittenes Stück, Fetzen,
Flicken, Stück Leder, herabhängendes
Hautstück, Bauchfleisch des Schlachttiers‘;
andfrk. lappa ‚loses Stück Stoff, Umschlag
auf einem Kleidungsstück, Kragen‘ (a. 901—
1000), mndl. lappe m. ‚Lappen, Fetzen,
Flicken‘, nndl. lap ‚Stück Tuch‘; afries.
lappa m. ‚Hautlappen, Fleischlappen, klei-
nes Grundstück‘, nwestfries. lape ‚Lappen,
Stück Stoff, Lumpen, Grundstück‘, sater-
fries. lappe ‚Lappen, Pflaster, Grundstück‘,
nnordfries. in laphonge ‚Türangel am Scheu-
nentor‘ (mit VG lap- ‚Lappen, breiter, fla-
cher Beschlag‘); ae. lappa, daneben læppa
(mit Umlaut) sw.m. ‚Lappen, Zipfel, Stück,
Teil, Bezirk‘, me. lappe, lap, lape, lappa
‚Lappen, Fetzen, Hautlappen, Stück Land‘,
ne. lap ‚Rockzipfel, Rockschoß‘; aisl. leppr
m. ‚Lappen, Fetzen, kleines Stück, Haar-
locke‘ (mit Umlaut), nisl. leppur dss.‘, ndän.
lap ‚Stückchen‘, nnorw. (bm./nn.) lapp ‚Fli-
cken, herunterhängender Fetzen‘, (nn.) lepp
‚Flicken‘, aschwed. lapper, nschwed. lapp
‚Stück‘: < west- und nordgerm. *lappan-.
Zugrunde liegt ein n-stämmiges Paradigma
st. *lap-an-/ōn-, sw. *lap-n- > *lapp- mit
Verallgemeinerung der sw. Kasus. Die Wör-
ter bezeichnen ‚etw. schlaff Herabhängen-
des‘. Der wegen aisl. leppr, nisl. leppur für
das Nordgerm. daneben anzusetzende ja-St.
*lappii̯an- ist sekundär.
Aus aisl. leppr sind shetl. lepp, lapp.-
schwed. læppa ‚Brustlatz‘ übernommen. Ob
das Wort auch in die ostseefinn. Sprachen
entlehnt wurde, ist unsicher. Ingr. lappa
‚Gürtel, Halsband‘, karel. lappa ‚Schlinge,
Schnalle‘, weps. lap ‚Gürtelschnalle‘ sind
zwar lautlich mit dem nordgerm. Wort ohne
weiteres vereinbar, doch stimmen die Bed.
nicht überein. Deshalb wird lappa zumeist
als uralisches Wort betrachtet.
Da neben den Wörtern für ‚Lappen, schlaff
Herabhängendes‘ mit *-pp- auch Lautun-
gen stehen, die gleichfalls ‚schlaff herabhän-
gen(d)‘ bedeuten, aber urgerm. *-f/- fortset-
zen wie z.B. aisl. lafa sw.v. ‚schlaff hängen,
hin und her bewegen‘, mndl. laf adj. ‚schlaff,
kraftlos‘, könnte der p-Laut aus dem Para-
digma von ‚Lappen‘ sich auf andere Bil-
dungen ähnlicher Bed. ausgebreitet haben:
vgl. nnorw. lape v. ‚schlaff herabhängen‘,
mhd. erlaffen ‚erschlaffen‘, die urgerm. *p
zur Voraussetzung haben.
Fick 3 (Germ.)⁴ 363; Tiefenbach, As. Handwb. 231;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 203; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 746; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 2, 629; ONW s. v. lappa; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 4, 154 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 370; Suppl.
97; Vries, Ndls. et. wb. 384; Et. wb. Ndl. Ke-R 1
80; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 289; Richthofen,
Afries. Wb. 884; Fryske wb. 12, 127 ff.; Dijkstra,
Friesch Wb. 2, 110; Fort, Saterfries. Wb. 128; Sjölin,
Et. Handwb. d. Festlnordfries. 120; Holthausen, Ae.
et. Wb. 192; Bosworth-Toller, AS Dict. 610 f.; Suppl.
601; ME Dict. s. v. lap(pe) n.; OED² s. v. lap n.¹;
Vries, Anord. et. Wb.² 353; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
753; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 484;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 178 f.; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1, 623 f.; Magnússon, Ísl. Orðsb.
557 (leppur¹); Nielsen, Dansk et. ordb. 255 f.; Ordb.
o. d. danske sprog 12, 400 ff. (lap²); Torp, Nynorsk
et. ordb. 375; NOB s. vv. (bm./nn.) lapp m.¹, (nn.)
lepp; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 560; Svenska
akad. ordb. s. v. lapp subst.³; Kylstra, Lehnwörter 2,
172. — Lühr 1988: 278. 326. — Qvigstad 1893: 228.
Semantisch naheliegend ist eine Verbindung
von urgerm. *lappan-/-ōn- mit gr. λοβός
m. ‚Lappen, Läppchen‘ als Benennung für
verschiedene lappen- oder zipfelähnliche
Körper- und Pflanzenteile wie ‚Ohrläpp-
chen, Lungenlappen, Blättchen des Flieder-
blattes, herabhängende Schote von Hülsen-
früchtlern‘. Stimmt diese Annahme, setzt das
germ. Wort vorurgerm. *-b- fort.
Weitere Verbindungen sind unsicher. Viel-
leicht sind noch hierher gehörig: air. lobur,
kymr. llwfr ‚schwach, krank‘ < vorurkelt.
*lobro- und, falls es sich um ein s-mobile
handelt, auch ahd. slaf ‚träge, schlaff‘ (s. d.),
mndd., mndl. slap ‚dss.‘ (< vorurgerm. slo-
b[h]o-) sowie aksl. slabъ, russ. slábyj,
tschech., slowak. slabý, poln. słaby ‚schwach‘,
osorb., ndsorb. słaby ‚schwach, matt, ent-
kräftet‘, serb., kroat. slȁb, slowen. slȁb und
bulg. slab ‚schwach, schlecht‘ < urslaw.
*slàbъ adj. ‚schwach‘, das mit Winters Ge-
setz auf vorurslaw. *slobo- zurückgeht. Lit.
slãbnas ‚schwach, kraftlos‘ (in östlichen lit.
Dialekten slõbnas ‚dss.‘), lett. slãbs ‚schlaff,
schwach, matt, gering‘ sind nach Derksen,
Et. dict. of Slav. 452 aus dem Slaw. entlehnt
(lit. slãbnas ist bei Smoczyński, Słow. et. jęz.
lit. auch nicht aufgeführt). Falls es sich im
Balt. doch um Erbwörter handelt, müsste der
balt. Kurzvokal eine analogische Nullstufe
fortsetzen oder aus Umgebungen stammen,
in denen Winters Gesetz nicht wirkte (vgl.
http://www.martinkuemmel.de/liv2add.pdf,
26. 07.2013).
Walde-Pokorny 2, 432; Pokorny 656; LIV² 565; Frisk,
Gr. et. Wb. 2, 131 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 644 f.;
Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 867 f.; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 270; Derksen, Et. dict. of Slav. 452 f.; Et.
slov. jaz. staroslov. 14, 833; Bezlaj, Et. slov. slov. jez.
3, 252 f.; Snoj, Slov. et. slov.² 665 f.; Vasmer, Russ. et.
Wb. 2, 655f.; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 3, 664; Schus-
ter-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 1301; Olesch, Thes.
ling. drav.-polab. 2, 1019; Fraenkel, Lit. et. Wb. 825 f.
833 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 921;
Karulis, Latv. et. vārd. 2, 212 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴ 255;
Hessens Ir. Lex. 2, 72; Kavanagh-Wodtko, Lex. OIr.
Gl. 630; Dict. of Irish L-174; Dict. of Welsh 2234. —
Lühr 1988: 240. 278.
S. slaf.