latîniscAWB adj., T, OT und Npw: ‚latei-
nisch‘ in in latîniskûn ‚in lateinischer Spra-
che, lateinisch; Latine‘, in adverbieller Ver-
wendung latîniskûn ‚lateinisch‘ 〈Var.: la-
tinisgun, -gon〉. Der Hybridbildung liegt lat.
Latīnus ‚zu Latium gehörig, lateinisch‘ zu-
grunde, das mit dem heimischen Suffix -isc
(s. d.) zur Bez. der Herkunft und Zugehö-
rigkeit versehen wurde. Das Wort wurde
nach der hd. Lautverschiebung entlehnt, die
Betonung des Fremdwortes auf der 2. Silbe
ist beibehalten. — Mhd. latînisch adj. ‚latei-
nisch‘, frühnhd. latinisch, lateinisch (mit
Diphthongierung von ī) adj. ‚lateinisch‘,
spätes frühnhd. auch ‚unverständlich‘, nhd.
lateinisch ‚in der Sprache der alten Römer,
in lateinischer Schrift‘, die Bed. ‚unverständ-
lich‘ zeigt sich in Jägerlatein n. urspr. ‚Fach-
sprache der Jäger, die dem Laien so unver-
ständlich erschien als wäre es Latein‘, seit
dem 19. Jh. ‚übertreibende oder erfundene
Geschichte über Jagderlebnisse, Prahlerei‘.
Ahd. Wb. 5, 647; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 706;
Schützeichel⁷ 193; Graff 2, 203; Lexer 1, 1840; Früh-
nhd. Wb. 9, 363 f.; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 369 (s. v.
Latinus); Dt. Wb. 12, 275 f.; Kluge²¹ 425. — Krahe-
Meid 1969: 3, § 148.
Lat. Latīnus ist auch die Basis von: mndd.
latīnesch, latīnisch, latinsch adj. ‚lateinisch‘;
mndl., nndl. latijnsch adj. ‚lateinisch‘; afries.
latīnsk adj. ‚lateinisch‘, subst. Pl. ‚Lateiner‘,
nwestfries. latynsk adj. ‚lateinisch‘, sater-
fries. lattiensk adj. ‚lateinisch, dilettantisch,
sachunkundig‘.
Ohne den Fortsetzer von urgerm. *-iska-,
sondern mit *-īna- sind gebildet: ae. lǣden,
lēden adj./subst. ‚lateinisch, lateinische Spra-
che‘ (fortgesetzt ist nur das Subst.: me.
lēden, led[e]ne, lāden ‚Latein, Vogelge-
sang‘, ne. obs. und dial. leden ‚Lärm, Ge-
schwätz‘). Der stimmhafte Kons. -d- spricht
dabei für eine Übernahme aus vulg.lat. la-
dīnus ‚dss.‘. Dagegen sind me. lātīn, laten,
latein ‚die lateinische Sprache‘, pl. ‚Römer‘,
ne. Latin ‚lateinisch, römisch, südländisch‘
aus klass.lat. Latīnus (s. o.) entlehnt. Im Un-
terschied zu den anderen westgerm. Spra-
chen rückte die Betonung in ae. lǣden usw.
und me. lātīn usw. auf die erste Silbe des
Wortes.
In den nordgerm. Sprachen erscheint das
lat. Lehnwort als: aisl. latínn adj. ‚latei-
nisch‘ (aus lat. Latīnus adj.), aisl. latína f.,
nisl. latína, adän. latine, ndän. latin, nnorw.
(nn./bm.) latin, aschwed. latina, latine,
nschwed. latin ‚die lateinische Sprache‘ (aus
lat. Latīna [lingua]).
Ält. ndän. latin(i)sk, ndän., nnorw. (bm./nn.),
nschwed. latinsk adj. ‚lateinisch‘ sind mit
dem Fortsetzer des Suffixes urgerm. *-iska-
abgeleitet.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 755; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 209; Hofmann-Popkema,
Afries. Wb. 290; Fryske wb. 12, 136 f.; Fort, Sater-
fries. Wb. 128; Holthausen, Ae. et. Wb. 191; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 608 f.; Suppl. 600; ME Dict.
s. vv. Lātīn n., lēden n.; OED² s. vv. Latin adj. and n.,
ˈleden n.; Vries, Anord. et. Wb.² 346; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 1069; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2,
427; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 174; Mag-
nússon, Ísl. Orðsb. 547; Ordb. o. d. danske sprog 12,
435 ff. 438 ff.; NOB s. vv. latin, latinsk; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 563; Svenska akad. ordb. s. v. latin
subst.¹.
Alb. latin ‚lateinisch‘ ist aus lat. Latīnus
übernommen.
In den slaw. Sprachen erscheint das lat.
Lehnwort als Adj. in: russ. latínskij, bulg.
latínski, tschech. latinský, poln. łaciński, slo-
wen. latînski ‚lateinisch‘ (s. -isc) und subst.
als ksl. latininъ ‚Katholik‘, aruss. latina
Koll. ‚Lateiner, Katholiken‘, tschech. latin
‚Lateiner‘, poln. łacina ‚Latein‘, serb., kroat.
làtinin ‚römischer Katholik, Westeuropäer‘.
In den rom. Sprachen wird das Wort nur
noch selten zur Bez. der eigenen Sprache
verwendet (vereinzelt in Graubünden). Gut
belegt sind dagegen Fortsetzer von lat. La-
tīnus in der übertragenen Bed. ‚verständlich,
leicht‘: aitalien. latino, ladino ‚klar, ver-
ständlich, flink, leicht‘, log. ladinu ‚klar‘,
span. ladino ‚sprachenkundig, schlau‘, port.
ladinho ‚rein, unvermischt, schlau‘. Daneben
lebt lat. latīnus zumeist in gelehrter Form als
Bez. der gemeinsamen Schriftsprache des
Mittelalters weiter: z.B. frz. latin ‚lateinisch,
katholisch‘, rum. latín ‚lateinisch‘. Dagegen
ist rum. látin, létin ‚katholisch‘, dann ‚ketze-
risch, ungläubig‘, wie Bed. und Betonung na-
helegen, aus dem Serb. übernommen.
Das Adj. lat. Latīnus ist mit dem Suffix -īnus
(s. -în²), das Zugehörigkeit ausdrückt, von
Latium n. ‚Landschaft in Mittelitalien, zwi-
schen dem Tiber und Kampanien gelegen,
mit Rom als Mittelpunkt‘ abgeleitet.
Walde-Pokorny 2, 643; Pokorny 1019; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. 1, 770 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 343; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 1, 763 (latinum);
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 5460; Meyer-Lübke,
Rom. et. Wb.³ Nr. 4927; Wartburg, Frz. et. Wb. 5,
199 f.; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 693; Vasmer, Russ.
et. Wb. 2, 18; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 2, 465. — Leu-
mann [1926—28] 1977: 327 f.; Matzinger 2006: 104.
S. -isc.