lattaAWB, laddaAWB f. n-St., auch f. ō-St., lattoAWB,
laddoAWB m. n-St., in Gl. seit Ende des 8./
Anfang des 9. Jh.s: ‚Latte, Brett, Schindel,
(kleiner) Balken, Bohle, aus Latten Zusam-
mengefügtes; ambrices, asser, laquear, la-
quearium, laterculus, tegula, tigillus, tig-
num‘ 〈Var.: -d-, -t-, -tz-〉. Die im SH des
Öfteren vorkommende Schreibung -dd- ist
Ergebnis der binnendeutschen Konsonanten-
schwächung (vgl. Mettke 2000: § 62, 1). —
Mhd. late, latte sw.f. ‚Latte‘, frühnhd. latte
(daneben mfrk., siebenbürg. latze), nhd.
Latte f., nhd. mdartl. rhein. lats (neben lat)
‚langes, schmales, meist kantiges Schnitt-
holz‘, phras. lange Latte ‚großer, hagerer
Mensch‘, Latten schneiden ‚schnarchen‘, er
hat eine Latte zu viel ‚er ist verrückt‘.
Ahd. Wb. 5, 647 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 516; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 706; Schützeichel⁷ 193; Starck-Wells
362. 851; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 473 ff.;
Seebold, ChWdW8 186; ders., ChWdW9 498; Graff 2,
167; Lexer 1, 1839; Frühnhd. Wb. 9, 368 f.; Dt. Wb.
12, 279 f.; Kluge²¹ 425; Kluge²⁵ s. v. Latte; Pfeifer, Et.
Wb.² 770. — Müller, Rhein. Wb. 5, 160 f. — Heyne
1899—1908: 1, 26 und Anm. 44. 89; Röhrich 2003: 2,
932 f.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. latta st./sw.f. ‚Latte, Dachlatte; tegula, ti-
gillum, tignum‘ in Gl. 2,726,44 = WaD 110,
24 (10. Jh.); 3,722,4 (2. Hälfte des 12. Jh.s),
mndd. latte f. ‚Latte, Leiste‘, phras. latten
drāgen ‚Angst haben, furchtsam werden‘;
frühmndl. latte ‚Latte‘, im Pl. ‚Dach‘ (a.
1240), mndl. latte ‚Latte, Dachlatte‘, nndl.
lat ‚Latte‘; afries. lāte f. ‚Latte‘, nwestfries.
latte, lat ‚Latte, Lineal, Gummiknüppel‘,
saterfries. latte ‚Latte‘; ae. lætt f. ‚Latte‘, me.
lat, latte, let und lathe, latthe, laþþe, ne. lath
‚Latte‘.
Ält. ndän., ndän. lægte, norw. (bm./nn.)
lekt(e), schwed. läkt(e) ‚Latte‘ sind mit Me-
tathese von Dental und Tektal wohl aus
der ndd. Diminutivform letke ‚kleine Latte,
Lättchen‘ entlehnt.
Wie bereits F. Kluge in seinem wegwei-
senden Aufsatz (PBB 9 [1884], 149—186)
gezeigt hat, ist die Doppeltenuis beim Wort
‚Latte‘ durch die n-Gemination verursacht.
Für die Vielzahl an Varianten des Wortes
‚Latte‘ in den germ. Einzelsprachen kommen
folgende Vorformen in Betracht: Ahd., früh-
nhd. dial. latze, nhd. dial. lats (s. o.), ae. lætt,
me. lat, latte, let und wegen der aus-
nahmslosen -tt-Graphie auch as. latte sowie
die mndd. und mndl. Belege mit Doppel-
tenuis setzen urgerm. *lattō(n)- f. als Kon-
tinuante des sw. Stamms fort. Der st. Stamm
urgerm. *laþan- zeigt sich in mhd. lade
st.m., laden sw.m. ‚starkes Brett‘, nhd. La-
den ‚Verkaufsraum‘, mndd. lāde m. ‚Aus-
lagebrett, Verkaufsstand‘. Urgerm. *laþan-
und *lattō(n) und ihre Fortsetzer sind also
lautgesetzliche Vertreter aus einem Paradig-
ma. Schwieriger ist die Erklärung für ahd.
latta, ladda (s. o.) und me. lat(t)he, laþþe, ne.
lath, da hier nur eine Rückführung auf
urgerm. *laþþōn- mit *-þþ- möglich ist.
Nach Lühr 1988: 252 kann *-þþ- weder
durch innerparadigmatischen Ausgleich noch
n-Gemination entstanden sein. Sie erwägt für
*-þþ- Assimilation aus *-χþ- und weiterhin
Metathese zu *-þχ- (so auch in Rezension zu
Kroonen 2011 [im Druck]). Als Parallele für
die Assimilation bietet sich das Nebeneinan-
der von ae. nordh. mohđa, mohđe < urgerm.
*muχþa/ōn- (mit Metathese *muþ-χa/ōn- mit
dem Fortsetzer des Suff. vorurgerm. *-ko-)
und gemeinae. mođđe ‚Motte‘ < urgerm.
*muþþan/ōn- an.
Eine andere Erklärung für *laþþōn- liefert
Kroonen 2011: 71. 216. Er nimmt für das ur-
spr. Paradigma urgerm. nom. *laþō, gen.
*lattaz, dat. *lađeni eine Aufspaltung in 1.
nom. *laþō, gen. laþþaz (mit Verdopplung
des wz.schließenden Kons. im sw. Kasus), 2.
nom. latō (mit Vereinfachung des Doppel-
kons. im st. Kasus), gen. *lattaz und 3. nom.
*lađō, gen. lađđaz (mit Verdoppelung wie in
1.) an. Ahd. latta usw. < *laþþōn- stamme
danach aus dem 1. Paradigma, die Var. ahd.
lata (s. o.) < *lađōn- aus dem 3.
Fick 3 (Germ.)⁴ 359 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 228
(Ansatz ladtha); Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 203;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 720 (lāde³).
755; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 639; VMNW s. v.
latte; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 212 ff.; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 371; Suppl. 98; Vries, Ndls. et.
wb. 385; Et. wb. Ndl. Ke-R 183 f.; Hofmann-Pop-
kema, Afries. Wb. 289; Fryske wb. 12, 137 f.; Dijkstra,
Friesch Wb. 110. 111; Fort, Saterfries. Wb. 128;
Holthausen, Ae. et. Wb. 193; Bosworth-Toller, AS
Dict. 614; ME Dict. s. v. lat n.; OED² s. v. lath n.;
Nielsen, Dansk et. ordb. 272 (lægte¹); Ordb. o. d.
danske sprog 13, 386 f. (lœgte¹); NOB s. v. (bm./nn.)
lekt, lekte; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 606; Svenska
akad. ordb. s. v. läkt. — Lexer 1, 1810; Kluge²⁵ s. v.
Laden; Pfeifer, Et. Wb.² 757. — F. Kluge, PBB 9
(1884), 176; H. Hammerich, PBB 77 (Tübingen,
1955), 108 (ohne Vorschlag zur Klärung der Gemi-
nate); Lühr 1988: 198. 251 f. 303. 312. 319; V. V. Le-
vickij, IF 103 (1998), 221 f.; Kroonen 2011: 214—216.
Wie die Verbreitung über das gesamte ehe-
malige weström. Reich nahelegt, wurde das
Wort wahrscheinlich bereits früh aus dem
Germ. entlehnt und über mlat. latta, lata
‚Latte, Balken‘ in den rom. Sprachen ver-
breitet. Es erscheint als frz. latte f. ‚Latte‘,
italien. latta ‚Blech‘, katal. llata, span., port.
lata ‚Latte, Blech‘, ladin. làta ‚Dachlatte,
Blechplatte‘.
Des Weiteren wurde das Wort ins Slaw.
übernommen. Mhd. latte, late erscheint als
russ. láta f. und ukrain. łáta ‚Latte zum
Dachdecken‘ (wohl durch poln. Vermitt-
lung), atschech. lat(i), tschech. lat’, slowak.
lata ‚Latte, Leiste‘, poln. łata, osorb.,
ndsorb. łata, slowen. láta und serb., kroat.
lȅtva.
Außergerm. sind für urgerm. *lattō(n)- (<
vorurgerm. *lh₁t-néh₂- oder *lh₁t-kéh₂-, falls
für urgerm. *laþþōn- mit einer Assimilation
zu rechnen ist) keine sicheren verwandten
Wörter auszumachen. Die öfters anzutreffen-
de Verbindung mit semantisch ähnlichen
Wörtern im Kelt. ist aus lautlichen Gründen
schwierig. Mir. slat f. ā-St. ‚Stab, Zweig,
Rute, Stängel‘, mkymr. llath f. ‚Rute, Stock,
Latte‘ und mbret. laz ‚Stange, Latte‘ <
urkelt. *slattā- lassen sich kaum auf eine
dem Germ. vergleichbare Vorform zurück-
führen, da sich einerseits vorurkelt. *-tt- im
Urkelt. zu *-ss- entwickelt (vgl. uridg. *kt-
tu- > urkelt. *krissu- ‚Gürtel‘ zur Wz. *kert-
‚binden‘) und andererseits in einer Verbin-
dung *-tn- im Ir. der Verschlusslaut schwin-
det (McCone 1996: 122 f.; de Bernardo
Stempel 1999: 510 f.; Irslinger 2002: 91 f.;
anders R. Lühr, Sprachw 10 [1985], 311 f.:
urkelt. *slattā- < vorurkelt. *slatnā-).
Walde-Pokorny 2, 382; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 1,
764; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 5468; Meyer-Lübke,
Rom. et. Wb.³ Nr. 4933; Wartburg, Frz. et. Wb. 16,
434 f.; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 694; Bezlaj, Et. slov.
slov. jez. 2, 127; Snoj, Slov. et. slov.² 346; Vasmer,
Russ. et. Wb. 2, 17 (πáma¹); ders., Ėt. slov. russ. jaz.
2, 464 (πáma¹); Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb.
765 (łata¹); Olesch, Thes. ling. drav.-polab. 1, 538 f.;
Fick 2 (Kelt.)⁴ 319; Holder, Acelt. Spr. 2, 1592;
Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 6. 345; Vendryes,
Lex. ét. de l’irl. anc. S-127 f.; Dict. of Irish S-264
(slat¹); Dict. of Welsh 2100; Deshayes, Dict. ét. du
bret. 454. — Kramer, EWD 4, 177 f. — Bielfeldt 1933:
180 f.; Striedter-Temps 1963: 166; Newerkla 2011:
189. — H. C. Melchert, ZVSp 91 (1977), 123; R. Lühr,
BNF 28 (1993), 209.