lernênAWB sw.v. III, in Gl. 1,271,12. 284,
46 (Karlsruhe, Aug. IC und Oxford, Jun. 25,
beide Anfang des 9. Jh.s, alem.[-frk.]); 2,
98,42/43 (Clm. 19417, 1. Drittel des 9. Jh.s,
bair.) und in weiteren Gl., im T, OT, in B,
GB, bei O, in KI, E, BGB III, NBo, NCat,
NMC, Ni, Ns, Nm, Nps, Npg, Npw und
WH: ‚lernen, kennenlernen, erfahren, erken-
nen, einüben, sich aneignen, studieren, be-
trachten, nachdenken, meditieren, lehren; ac-
cipere, discere, doctrinis haurire, intelle-
gere, meditari, parare, requirere, scientiam
sumere‘, zuht lernên ‚strenge Disziplin ler-
nen; disciplinam apprehendere‘, redî lernên
‚die Glaubenslehre kennenlernen; catechiza-
ri‘, subst. ‚das Lernen; meditatio‘, part. prät.
gilernêt ‚gelehrt, gescheit; calens, doctus‘
〈Var.: lirn-, liern-〉. Das Verb ist sicher äl-
ter, da komp. gilernên (s. d.) bereits Ende
des 8. Jh.s belegt ist. Der Lemmaansatz mit
-e- in der Wz. ergibt sich daraus, dass im
Frk. bereits in ahd. Zeit bei einer Anzahl von
Wörtern Wandel von -i- zu -e- eingetreten ist
(vgl. Braune-Reiffenstein 2004: § 31 Anm.
2). Gelegentlich kommen Formen nach der
2. sw. Kl. vor. — Mhd. lernen, lirnen sw.v.
‚lernen, kennenlernen‘, frühnhd. lernen ‚sich
Kenntnisse, Wissen aneignen, in Kenntnis
gesetzt werden, lehren, unterrichten, predi-
gen, bekehren‘, nhd. lernen ‚sich Kenntnis-
se, Wissen aneignen, sich einprägen, in der
Ausbildung sein, Fertigkeiten erwerben‘. Der
inkorrekte Gebrauch von lernen in der Bed.
‚lehren, unterrichten‘ zeigt sich bereits im
frühen Frühnhd. Das Part.Prät. gelernt hat in
attr. Verwendung akt. Sinn; vgl. gelernter
Maler.
Ahd. Wb. 5, 842 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 555; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 717. 730; Schützeichel⁷ 198. 204;
Starck-Wells 379. 825; Schützeichel, Glossenwort-
schatz 6, 57 f. 116; Bergmann-Stricker, Katalog Nr.
296 (II). 663. 725 (I); Seebold, ChWdW9 531; Graff
2, 260 f. 262; Lexer 1, 1885; 3, Nachtr. 297; Frühnhd.
Wb. 9, 1009 ff.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 184 (di-
scere); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 7 (accipere). 48 (s. v.
apprehendere). 201 (discere). 300 (s. v. haurire). 346
(intellegere). 397 (meditari). 398 (meditatio). 570 (re-
quirere). 641 (s. v. sumere); Dt. Wb. 12, 762 ff.; Klu-
ge²¹ 436; Kluge²⁵ s. v. lernen; Pfeifer, Et. Wb.² 792. —
Wilmanns [1906—30] 1967: 2, § 56.
In den anderen westgerm. Sprachen entspre-
chen sw. Verben der II. Klasse: as. līnon
‚lernen‘ im Hel (< *līznōn mit Schwund von
*z vor *n nach Langvokal; vgl. E. Sievers,
PBB 18 [1894], 409), mndd. dial. lernen
‚lehren‘ kommt nur ganz vereinzelt vor und
stammt aus dem Hd.; andfrk. lernon sw.v.
‚unterrichten, lehren, lernen‘ (a. 1100), mndl.
leernen sw.v. ‚dss.‘; afries. lirnia, lernia
sw.v. II ‚lernen‘; ae. leornian, liornian sw.v.
II ‚lernen, studieren, lesen‘ (mit Brechung
von i > eo, io; Brunner 1965: § 39), me. lēr-
nen, leornen, liernen, ne. learn ‚lernen, er-
lernen, in Erfahrung bringen‘: < westgerm.
*liz-nō-i̯e/a- und *liz-nē-i̯e/a-. Der Grund für
den Übertritt des ahd. Verbs in die ēn-Klasse
ist unklar (vgl. Krahe-Meid 1969: 3, § 186
[S. 254]). Das schwundstufige, mit Nasal ge-
bildete Verb ist eine Inchoativbildung.
Fick 3 (Germ.)⁴ 369; Seebold, Germ. st. Verben
322 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 243; Sehrt, Wb. z.
Hel.² 340; Berr, Et. Gl. to Hel. 249; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 791; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
2, 670; ONW s. v. lernon; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
4, 280 f.; Boutkan, OFris. et. dict. 243; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 296; Richthofen, Afries. Wb.
893; Holthausen, Ae. et. Wb. 203; Bosworth-Toller,
AS Dict. 634; Suppl. 613; ME Dict. s. v. lērnen; OED²
s. v. learn v. — W. Sanders, FS Goossens 1990: 107—
118.
Westgerm. *liz-nō-i̯e/a- < vorurgerm. *liz-
néh₂-i̯e/o- ist eine Neubildung zum Perf. *le-
lói̯s/lis-, das im Prät.-Präs. got. lais ‚weiß‘
fortgesetzt ist. Zugrunde liegt eine Wz. ur-
idg. *lei̯s- ‚lernen‘.
Walde-Pokorny 2, 404 f.; Pokorny 671; LIV² 409.
S. lêren.