lezzenAWB sw.v. I, seit Ende des 8./Anfang
des 9. Jh.s in Gl., in MZ, NBo und NMC:
‚zurückhalten, aufhalten, hemmen, hindern
(an), verzögern; attineri, irretire, non mit-
tere, retardare, retentare, tardare‘, ein luzzil
lezzen ‚nachdenklich stimmen; remorari [In-
terpr. zu paulum stimulare i. sollicitare ‚nur
wenig begeistern‘]‘ (mhd. letzen ‚hemmen,
aufhalten, hindern, beenden‘, refl. ‚nachlas-
sen, sich gütlich tun, sich erholen‘, nhd. poet.
letzen ‚(sich) erquicken, laben‘; as. lettian
‚behindern, hindern an, aufhören‘ [Hel],
mndd. letten ‚verlangsamen, (sich) aufhalten,
anhalten, hindern, verhindern‘; frühmndl.
letten ‚verhindern, aufhalten, hemmen, ver-
schieben, behindern, zaudern, beeinträchti-
gen‘ [a. 1236], mndl. letten ‚verlangsamen,
belästigen, kümmern, zaudern, fehlen, man-
geln, warten, verweilen‘; afries. letta, lotta,
latta ‚hindern, verhindern, behindern, aufhal-
ten‘; ae. lettan ‚hindern, verzögern, bedrü-
cken‘; aisl. letja ‚abhalten, hindern‘; got.
latjan ‚lange dauern‘: < urgerm. *lati̯e/a-).
Faktitivbildung zum Adj. laz (s. d.). — gi-
lezzenAWB Gl. 2,638,46 (11. Jh., bair.), Gl. im
Clm. 18556a (10./11. Jh., bair.; vgl. Mayer
1974: 102, 26) und bei O: ‚aufhalten, zu-
rückhalten, verletzen, schädigen; retardare,
retinēre‘ (mhd. geletzen ‚entfernen, aufhal-
ten, hindern, beschädigen‘, frühnhd. geletzen
‚verletzen‘, nhd. mdartl. schwäb. geletzen
‚die Schuhe krumm treten‘ [Fischer, Schwäb.
Wb. 3, 291]; as. gilettian ‚hindern‘ [Hel];
mndl. geletten ‚behindern, verhindern, ver-
wehren, verzögern‘; ae. gelettan ‚hindern,
verzögern, aufhalten‘; got. galatjan ‚verhin-
dern‘). — lezziAWB adj., Gl. 1,423,39 (Hs. 817/
823, Zeit des Gl.eintrags unbekannt, bair.),
Nps, Npg und Npw: ‚verkehrt, schlecht,
böse; perversus‘, subst. lezzer ‚Böser; Gemi-
neus [= Iemineus (vir Belial)]‘ (mhd. letze,
letz ‚verkehrt, unrichtig, schlecht‘, nhd.
mdartl. schweiz., els., bad., schwäb., vor-
arlb., bair., tirol., lothr., pfälz., südhess. letz
‚verkehrt, umgewendet, links‘ [Schweiz. Id.
3, 1549 ff.; Stalder, Versuch eines schweiz.
Id. 2, 167; Martin-Lienhart, Wb. d. els.
Mdaa. 1, 634; Ochs, Bad. Wb. 3, 444 ff.; Fi-
scher, Schwäb. Wb. 4, 1193 ff.; Jutz, Vorarl-
berg. Wb. 2, 273; Schmeller, Bayer. Wb.² 1,
1546 f.; Schöpf, Tirol. Id. 387 f.; Schatz, Wb.
d. tirol. Mdaa. 1, 388; Follmann, Wb. d. dt.-
lothr. Mdaa. 1, 337; Christmann, Pfälz. Wb.
4, 945 f.; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 4,
307]: < *lattii̯a-). Das Adj. ist postverbal
zum sw.v. I lezzen (s. d.) gebildet, das wie-
derum das Adj. laz (s. d.) zur Basis hat (vgl.
Lühr, in Meid 1987: 71; Heidermanns, Et.
Wb. d. germ. Primäradj. 364 f.). S. lezzen.
— lezzîAWB f. īn-St., Nps und Npw: ‚Verkehrt-
heit, Schlechtigkeit, Hinfälligkeit?‘. Bei dem
Subst. handelt es sich um ein deadj. Ab-
straktum zum Adj. lezzi (s. d.). Für mhd.
letze st.f. ‚Hinderung, Hemmung, Schutz-
wehr‘, frühnhd. letze ‚Befestigungsanlage,
Verletzung, Abschied(smahl)‘, nhd. mdartl.
schweiz. letzi ‚Grenzbefestigung, Gebrechen,
Abschiedsgeschenk, Abschiedsfeier‘ sowie
frühmndl. lette ‚Nachteil, Schaden, Behinde-
rung‘ [a. 1285], mndl. lette, let ‚Behinde-
rung, Hindernis, Nachteil, Schaden, Verzö-
gerung‘ ist hingegen Ableitung vom sw.v. I
mhd. letzen bzw. frühmndl. letten (s. lezzen)
anzunehmen. S. lezzi. — lezzîgAWB ? adj., Gl.
1,647,37 (in 2 Hss., 2. Hälfte des 12. und 1.
Hälfte des 13. Jh.s, beide bair.), nur im Sup.
lezzigist: ‚der äußerste, letzte; novissimus‘.
Möglicherweise handelt es sich um eine Ver-
schreibung und der Beleg ist unter lezzis-
to einzuordnen. Die Fehlgraphie mit -ig-
in lezzigist des Clm. 13002 (davon abhän-
gig Clm. 17403) könnte durch iungisten
des Clm. 22201 verursacht sein, da beide in
enger Verwandtschaft zueinander stehen (vgl.
Matzel 1957: § 1 Anm. 2). — lezzînfuoziAWB ?
adj., Gl. in St. Gallen, StiftsB 868 (2. Hälfte
des 11. oder 1. Hälfte des 12. Jh.s, obd. mit
frk. Einfluss): ‚schieffüßig, klumpfüßig; scau-
rus‘. Siewert 1986: 189—191 vermutet in le-
zenphuze ein adj. Komp. im Nom.Sg.m. mit
dem VG lezzîn, das als Simplex aber nicht
belegt ist. Ein Nebeneinander von gleich-
bedeutenden adj. Komp. mit unterschiedlich
gebildetem VG ist eher unwahrscheinlich,
zumal VG von Komp. mit dem Fortsetzer
des Suffixes urgerm. *-īna- selten sind (vgl.
noch glesînougi ‚am grünen Star leidend‘
[s. d.], Possessivkomp. aus glesîn ‚gläsern,
aus Glas‘ und -ougi). Die gesamte Stelle lau-
tet: Scaurus fuit nobilis roman’ parū incu-
ruos pedes h[...] / .i. lezenphuze ‚Scaurus ist
ein adliger Römer gewesen, der etwas ge-
krümmte Füße [hatte]‘. Vielleicht glossiert
das ahd. Interpretament nicht den röm. BN
Scaurus ‚Klumpfuß‘, sondern den Akk.Pl.
incuruos pedes. Dann ist lezenphuze getrennt
als sw. Akk.Pl. vom Adj. lezzi und fuozi
(akk.pl.) aufzufassen (diese Möglichkeit er-
wägt auch das Ahd. Wb. 5, 872). S. lezfuozi
?, lezzi, fuoz. — lezzistAWB adv. sup., Gl. in Wien,
Cod. 534 (9. oder 10. Jh., bair.; vgl. Mayer
1974: 141, 16; A. Quak, ABäG 4 [1973], 121
Nr. 14), bei O, in OG, NBo, Nps und Npw,
nur in Verbindung mit zi: ‚zuletzt, endlich;
ad ultimum, in extremo, postremo, tandem‘
(mhd. lezzist, lest adj. ‚letzt, jüngste‘, ze
lezist adv. ‚zuletzt‘, nhd. -letzt in zuletzt;
as. lezt adj. ‚letzte‘, that lezt adv. ‚zuletzt‘,
mndd. lest adj. ‚letzt‘, lest, lesten adv. ‚zu-
letzt, neulich, jüngst‘; frühmndl., mndl. lest
[für historisch korrektes letst] adj. ‚letzte,
geringste‘ [a. 1261]; vgl. aisl. -lesti in á lesti,
at lesti adv. ‚zuletzt‘ [Lehnwort aus dem
Ndd. nach Jóhannesson, Isl. et. Wb. 1073;
Vries, Anord. et. Wb.² 353]). S. laz. Vgl.
lazzôst. — lezzistoAWB adj. sup., Gl. 2,423,20 (Hs.
10. Jh., Zeit des Gl.eintrags unbekannt), T,
NBo, Nps und Npw: ‚der letzte, äußerste;
extimus, extremus, novissimus, ultimus‘, lez-
zisto tag ‚Jüngster Tag, Jüngstes Gericht;
novissimus (dies)‘ (mhd. lezzist, lest, nhd.
letzt; as. last ‚der letzte‘, the lasto dag ‚Jüngs-
ter Tag‘ [Hel], lesta ‚der letzte; extremus‘
[Gl. 4,291,56 = WaD 52, 13], mndd. lātest,
lātst, lāst, lest; afries. lest, last, lātst ‚letzt,
letztwillig‘, thet leste ordēl ‚Jüngstes Ge-
richt‘; ae. lætest; aisl. latastr). Durch die be-
sondere Bed.entwicklung des Sup. ist der
formal dazugehörige Pos. laz (s. d.) bereits
losgelöst, ein Kompar. existiert nicht (vgl.
Braune-Reiffenstein 2004: § 265 Anm. 2). S.
laz. — Ahd. Wb. 5, 870 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1,
275. 517; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 408. 719;
Schützeichel⁷ 199; Starck-Wells 372. 825;
Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 478. 488
(lezzist fälschlich s. v. lazzo); 6, 65 f.