linênAWB sw.v. III, im Abr und weiteren
Gl., im T, OT, bei N: ‚sich stützen, sich (an-)
lehnen, niedersinken, sich niederlegen, da-
niederliegen, hervorragen; anniti, decuba-
re, eminēre, incubare, incumbere, inniti, niti,
occumbere, recubare, recumbere, transire?‘
〈Var.: hl-〉. In Gl. des 8. und auch noch des
9. Jh.s und im T ist altes anl. h- bewahrt. Der
Wz.vokal -i- (< urgerm. *-i-) ist vor fol-
gendem ê unverändert geblieben (vgl. Schatz
1927: § 4; Braune-Reiffenstein 2004: § 31).
Der Beleg 3.pl.konj. untarlinin in Gl. 2,297,
56 (10./11. Jh., bair.) berechtigt nicht zum
Ansatz eines st. Verbs *untar-linan, da -in
für -ên steht (vgl. Schatz 1927: § 433; Förs-
ter 1966: 53 f.). — Mhd. linen, lenen (mit
Senkung von /i/ zu /ε/) sw.v. ‚lehnen, sich
stützen‘, frühnhd. lenen sw.v. ‚anlehnen, auf-
stützen, sich hinlegen, liegen, sich neigen,
sich auflehnen‘, nhd. lehnen sw.v. ‚an einen
stützenden Gegenstand stellen, sich auf etw.
stützen, sich über etw. beugen‘. Nhd. lehnen
liegen zwei unterschiedliche sw. Verben zu-
grunde: intr. linên (s. o.) und kaus. tr. leinen
(s. d.). Die Vermischung von intr. und tr.
Verwendung beider Verben beginnt bereits
im Mhd, wobei md. monophthongiertes lê-
nen (mhd. leinen) vermittelnd wirkte.
Ahd. Wb. 5, 1013 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 546; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 726; Schützeichel⁷ 202; Starck-Wells
377. 825; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 101 f.;
Seebold, ChWdW8 194; ders., ChWdW9 523; Graff 4,
1094; Lexer 1, 1868f. 1880; 3, Nachtr. 296; Frühnhd.
Wb. 9, 899 ff. (leinen, lenen²); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 340 (inniti). 558 (recumbere); Dt. Wb. 12, 547 ff.;
Kluge²¹ 431 (lehnen¹); Kluge²⁵ s. v. lehnen¹; Pfeifer,
Et. Wb.² 782 (lehnen¹). — Paul 2007: §§ L 8. 32. 45.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. hlinon sw.v. II ‚lehnen‘ (mit Erhalt des h-
in den Heliandhss.), mndd. lēnen sw.v. intr.
‚gelehnt, gestützt sein‘, tr. ‚anlehnen, gegen-
lehnen, stützen‘, meist refl. ‚sich anlehnen‘;
andfrk. lēnen sw.v. intr. ‚(sich) lehnen, sich
aufstützen‘ (a. 1100), frühmndl., mndl. lenen
tr./intr. ‚sich anlehnen, sich aufstützen, aus-
ruhen‘, nndl. leunen ‚dss.‘ (in Analogie zu
steunen ‚dss.‘ und aufgrund von homonymen
lenen ‚zu Lehen geben, verleihen‘ setzt sich
urspr. nur regionales leunen gegenüber lenen
standardsprachlich durch); nwestfries. leune
‚(sich) lehnen, sich aufstützen‘, saterfries.
líenje ‚lehnen‘, nnordfries. länie ‚lehnen‘; ae.
hlinian, hleonian sw.v. II ‚lehnen, sich legen,
ruhen‘, me. lēnen, leonen, linen sw.v. ‚dss.‘,
ne. lean ‚sich neigen, sich beugen‘; ndän.
læne ‚lehnen‘, nnorw. (nn.) lina ‚lehnen‘
(schwed. in länstol ‚Lehnstuhl‘, das nach ält.
nhd. lehnestuhl, nhd. Lehnstuhl gebildet ist):
< urgerm. *χlinai̯-/-i̯e/a- sw.v. III bzw.
sekundär gebildetes *χlinōi̯e/a- sw.v. II.
Dass es sich um ein urspr. ēn-Verb handelt,
zeigt das Engl. deutlich: 1.sg.präs. on-hlingo
flektiert nach der 3. sw. Klasse (Campbell
[1959] 1997: § 764; zu weiteren möglichen
Formen, die auf ein ehemaliges ēn-Verb wei-
sen vgl. H. M. Flasdieck, Anglia 59 [1935],
47 f.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 111; Seebold, Germ. st. Verben 263;
Tiefenbach, As. Handwb. 170; Sehrt, Wb. z. Hel.² 262;
Berr, Et. Gl. to Hel. 196; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 783 (lēnen²); ONW s. v. lēnen; VMNW
s. v. lenen²; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 372f.;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 380 f.; Suppl. 99; Vries,
Ndls. et. wb. 394; Et. wb. Ndl. Ke-R 212; Fryske wb.
12, 223; Fort, Saterfries. Wb. 130; Sjölin, Et.
Handwb. d. Festlnordfries. XXXIII; Holthausen, Ae.
et. Wb. 164; Bosworth-Toller, AS Dict. 544; Suppl.
552; Suppl. 2, 41; ME Dict. s. v. lēnen v.¹; OED² s. v.
lean v.¹; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 274; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 118; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 675; Nielsen, Dansk et. ordb. 272; Ordb. o. d.
danske sprog 13, 402 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 380
(lina²); Hellquist, Svensk et. ordb.³ 608; Svenska akad.
ordb. s. v. län subst. — Wissmann 1932: 144 f.; Bam-
mesberger 1965: 108; Gallée 1993: §§ 259. 414 Anm.
2 (urspr. ēn-Verb); Riecke 1996: 537 f.
Urgerm. *χlinai̯-/-i̯e/a- setzt als Umbildung
eines stativischen Verbs ein ehemaliges n-
Infix-Präs. uridg. *k̂-né/n-i̯- zur Wz. ur-
idg. *k̂lei̯- ‚sich anlehnen‘ fort. Diese Bil-
dung hat eine Entsprechung in jav. -sirinaoi-
ti ‚lehnt an‘ (Gotō 1987: 313 Anm. 751),
gr. κλνω (lesb. κλίννω) ‚lehne an, beuge‘
(Oettinger 1979: 166), lat. -clīnō (nur mit
de-, in-, re-) ‚biegen‘ (mit Umbildung oder
mit H. Rix, GS Kuryłowicz 1995: 404 f. de-
nominal), vielleicht auch (aber eher eine
Neubildung) lit. šlinù ‚lehne mich an‘.
Eine andere Präs.bildung uridg. *k̂léi̯-e/o-
findet sich in: ai. śráyate ‚lehnt sich an‘, av.
sraiiata ‚lehnte sich an‘, lit. (mit sekundärem
-ie- aus dem Inf.) šliejù ‚lehne an, schleiche‘,
lett. sleju ‚lehne an, stütze‘ und, falls zu die-
ser Wz. zu stellen, toch. A kälytär, B kaltär
‚steht‘.
Auf das Kausativ uridg. *k̂loi̯-éi̯e/o- gehen
zurück: jav. -srāraiiā̊ (in nisrāraiiā̊ ‚sollst
wieder zurückgeben‘), apers. -açārayam (in
niyaçārayam ‚baute wieder auf‘) und wohl
auch alb. flé ‚schläft‘.
Walde-Pokorny 1, 490 ff.; Pokorny 601 f.; LIV² 332 f.;
Mayrhofer, KEWA 3, 388 f.; ders., EWAia 2, 665;
Bartholomae, Airan. Wb.² 1637f.; Cheung, Et. dict. of
Iran. verb 354 f.; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 873 ff.; Chan-
traine, Dict. ét. gr. 543 f.; Beekes, Et. dict. of Gr. 1,
716 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 234 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 127 f.; de Vaan, Et. dict. of Lat.
121; Orel, Alb. et. dict. 99; Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 208 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1004; Smoczyński,
Słow. et. jęz. lit. 644 ff.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-
dt. Wb. 3, 939 f.; Karulis, Latv. et. vārd. 2, 225 f.;
Windekens, Lex. ét. tokh. 202; Adams, Dict. of Toch.
B 174f. — Gotō 1987: 313 f.; Werba 1997: 245 f.; Lühr
2000: 199; Seldeslachts 2001: 67 ff.; K. Praust, FS
Ritter 2004: 369 ff.