linên
Band V, Spalte 1309
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linênAWB sw.v. III, im Abr und weiteren
Gl., im T, OT, bei N: sich stützen, sich (an-)
lehnen, niedersinken, sich niederlegen, da-
niederliegen, hervorragen; anniti, decuba-
re, eminēre, incubare, incumbere, inniti, niti,
occumbere, recubare, recumbere, transire?

Var.: hl-. In Gl. des 8. und auch noch des
9. Jh.s und im T ist altes anl. h- bewahrt. Der
Wz.vokal -i- (< urgerm. *-i-) ist vor fol-
gendem ê unverändert geblieben (vgl. Schatz
1927: § 4; Braune-Reiffenstein 2004: § 31).
Der Beleg 3.pl.konj. untarlinin in Gl. 2,297,
56 (10./11. Jh., bair.) berechtigt nicht zum
Ansatz eines st. Verbs *untar-linan, da -in
für -ên steht (vgl. Schatz 1927: § 433; Förs-
ter 1966: 53 f.). Mhd. linen, lenen (mit
Senkung von /i/ zu /ε/) sw.v. lehnen, sich
stützen
, frühnhd. lenen sw.v. anlehnen, auf-
stützen, sich hinlegen, liegen, sich neigen,
sich auflehnen
, nhd. lehnen sw.v. an einen
stützenden Gegenstand stellen, sich auf etw.
stützen, sich über etw. beugen
. Nhd. lehnen
liegen zwei unterschiedliche sw. Verben zu-
grunde: intr. linên (s. o.) und kaus. tr. leinen
(s. d.). Die Vermischung von intr. und tr.
Verwendung beider Verben beginnt bereits
im Mhd, wobei md. monophthongiertes lê-
nen (mhd. leinen) vermittelnd wirkte.

Ahd. Wb. 5, 1013 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 546; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 726; Schützeichel⁷ 202; Starck-Wells
377. 825; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 101 f.;
Seebold, ChWdW8 194; ders., ChWdW9 523; Graff 4,
1094; Lexer 1, 1868f. 1880; 3, Nachtr. 296; Frühnhd.
Wb. 9, 899 ff. (leinen, lenen²); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 340 (inniti). 558 (recumbere); Dt. Wb. 12, 547 ff.;
Kluge²¹ 431 (lehnen¹); Kluge²⁵ s. v. lehnen¹; Pfeifer,
Et. Wb.² 782 (lehnen¹). Paul 2007: §§ L 8. 32. 45.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. hlinon sw.v. II lehnen (mit Erhalt des h-
in den Heliandhss.), mndd. lēnen sw.v. intr.
gelehnt, gestützt sein, tr. anlehnen, gegen-
lehnen, stützen
, meist refl. sich anlehnen;
andfrk. lēnen sw.v. intr. (sich) lehnen, sich
aufstützen
(a. 1100), frühmndl., mndl. lenen
tr./intr. sich anlehnen, sich aufstützen, aus-
ruhen
, nndl. leunen dss. (in Analogie zu
steunen dss. und aufgrund von homonymen
lenen zu Lehen geben, verleihen setzt sich
urspr. nur regionales leunen gegenüber lenen
standardsprachlich durch); nwestfries. leune
(sich) lehnen, sich aufstützen, saterfries.
líenje lehnen, nnordfries. länie lehnen; ae.
hlinian, hleonian sw.v. II lehnen, sich legen,
ruhen
, me. lēnen, leonen, linen sw.v. dss.,
ne. lean sich neigen, sich beugen; ndän.
læne lehnen, nnorw. (nn.) lina lehnen
(schwed. in länstol Lehnstuhl, das nach ält.
nhd. lehnestuhl, nhd. Lehnstuhl gebildet ist):
< urgerm. *χlina-/-e/a- sw.v. III bzw.
sekundär gebildetes *χlinōe/a- sw.v. II.
Dass es sich um ein urspr. ēn-Verb handelt,
zeigt das Engl. deutlich: 1.sg.präs. on-hlingo
flektiert nach der 3. sw. Klasse (Campbell
[1959] 1997: § 764; zu weiteren möglichen
Formen, die auf ein ehemaliges ēn-Verb wei-
sen vgl. H. M. Flasdieck, Anglia 59 [1935],
47 f.).

Fick 3 (Germ.)⁴ 111; Seebold, Germ. st. Verben 263;
Tiefenbach, As. Handwb. 170; Sehrt, Wb. z. Hel.² 262;
Berr, Et. Gl. to Hel. 196; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 783 (lēnen²); ONW s. v. lēnen; VMNW
s. v. lenen²; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 372f.;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 380 f.; Suppl. 99; Vries,
Ndls. et. wb. 394; Et. wb. Ndl. Ke-R 212; Fryske wb.
12, 223; Fort, Saterfries. Wb. 130; Sjölin, Et.
Handwb. d. Festlnordfries. XXXIII; Holthausen, Ae.
et. Wb. 164; Bosworth-Toller, AS Dict. 544; Suppl.
552; Suppl. 2, 41; ME Dict. s. v. lēnen v.¹; OED² s. v.
lean v.¹; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 274; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 118; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 675; Nielsen, Dansk et. ordb. 272; Ordb. o. d.
danske sprog 13, 402 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 380
(lina²); Hellquist, Svensk et. ordb.³ 608; Svenska akad.
ordb. s. v. län subst. Wissmann 1932: 144 f.; Bam-
mesberger 1965: 108; Gallée 1993: §§ 259. 414 Anm.
2 (urspr. ēn-Verb); Riecke 1996: 537 f.

Urgerm. *χlina-/-e/a- setzt als Umbildung
eines stativischen Verbs ein ehemaliges n-
Infix-Präs. uridg. *-né/n-- zur Wz. ur-
idg. *le- sich anlehnen fort. Diese Bil-
dung hat eine Entsprechung in jav. -sirinaoi-
ti lehnt an (Gotō 1987: 313 Anm. 751),
gr. κλνω (lesb. κλίννω) lehne an, beuge
(Oettinger 1979: 166), lat. -clīnō (nur mit
de-, in-, re-) biegen (mit Umbildung oder
mit H. Rix, GS Kuryłowicz 1995: 404 f. de-
nominal), vielleicht auch (aber eher eine
Neubildung) lit. linù lehne mich an.

Eine andere Präs.bildung uridg. *-e/o-
findet sich in: ai. ráyate lehnt sich an, av.
sraiiata lehnte sich an, lit. (mit sekundärem
-ie- aus dem Inf.) liejù lehne an, schleiche,
lett. sleju lehne an, stütze und, falls zu die-
ser Wz. zu stellen, toch. A kälytär, B kaltär
steht.

Auf das Kausativ uridg. *loe/o- gehen
zurück: jav. -srāraiiā̊ (in nisrāraiiā̊ sollst
wieder zurückgeben
), apers. -açārayam (in
niyaçārayam baute wieder auf) und wohl
auch alb. flé schläft.

Walde-Pokorny 1, 490 ff.; Pokorny 601 f.; LIV² 332 f.;
Mayrhofer, KEWA 3, 388 f.; ders., EWAia 2, 665;
Bartholomae, Airan. Wb.² 1637f.; Cheung, Et. dict. of
Iran. verb 354 f.; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 873 ff.; Chan-
traine, Dict. ét. gr. 543 f.; Beekes, Et. dict. of Gr. 1,
716 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 234 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 127 f.; de Vaan, Et. dict. of Lat.
121; Orel, Alb. et. dict. 99; Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 208 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1004; Smoczyski,
Słow. et. jz. lit. 644 ff.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-
dt. Wb. 3, 939 f.; Karulis, Latv. et. vārd. 2, 225 f.;
Windekens, Lex. ét. tokh. 202; Adams, Dict. of Toch.
B 174f. Gotō 1987: 313 f.; Werba 1997: 245 f.; Lühr
2000: 199; Seldeslachts 2001: 67 ff.; K. Praust, FS
Ritter 2004: 369 ff.

S. leinen, lêo.

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