luzziAWB adj. ja-St., Gl. 2,242,22 (Hs. An-
fang des 9. Jh.s, Zeit des Gl.eintrags unbe-
kannt), Gl. in Rom, Ottob. lat. 3295 (3. Vier-
tel des 9. Jh.s, südrheinfrk.): ‚klein, winzig,
gering; parvus, unicus‘ 〈Var.: luci〉. — Mhd.
lütze, lüz adj. ‚klein, gering, wenig‘, nhd.
mdartl. rhein., märk., mittelelb. lütt, sie-
benbürg.-sächs. lütz, lüneb., schlesw.-holst.,
meckl., preuß. lütt.
Ahd. Wb. 5, 1461; Splett, Ahd. Wb. 1, 578; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 748; Schützeichel⁷ 211; Starck-Wells
392. 826; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 208;
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 693. 792; Seebold,
ChWdW9 549; Lexer 1, 1999. — Müller, Rhein. Wb. 5,
655; Bretschneider, Brandenb.-berlin. Wb. 3, 166f.;
Kettmann, Mittelelb. Wb. 2, 926 f.; Schullerus, Sie-
benbürg.-sächs. Wb. 6, 200; Kück, Lüneb. Wb. 2,
336 f.; Mensing, Schleswig-holst. Wb. 3, 551 f.; Wos-
sidlo-Teuchert, Meckl. Wb. 4, 1036 ff.; Riemann,
Preuß. Wb. 3, 1028.
In anderen germ. Sprachen entsprechen le-
diglich: as. lut ‚wenig‘ (Hel); ae. lyt ‚wenig,
klein‘, falls bei beiden der Wz.vokal kurz ist:
< urgerm. *lut-i̯a-.
Fick 3 (Germ.)⁴ 374; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 390 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 253;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 353; Berr, Et. Gl. to Hel. 259;
Holthausen, Ae. et. Wb. 209; Bosworth-Toller, AS
Dict. 651; Suppl. 624; OED² s. v. little adj., noun, adv.
Ahd. luzzi ‚klein, winzig, gering‘ ist mit
westgerm. Konsonantengemination aus ur-
germ. *lut-i̯a- entstanden und setzt eine ur-
idg. Adj.bildung *lud-i̯o- ‚geduckt, gebeugt,
niedergekauert‘ fort.
Mit einem bedeutungsähnlichen uridg. Adj.-
suff. *-no- stehen der Adj.ableitung uridg.
*lud-i̯o- > ahd. luzzi in anderen idg. Spra-
chen am nächsten: lit. lidnas ‚traurig, ge-
bückt, niedergeschlagen‘ < uridg. *lud-no-
(der palatalisierte Anlaut des Lit. kann aus
einer nicht bezeugten Vollstufe lit. *liaud- <
uridg. *leu̯d- stammen); diese Bildung stimmt
— außer dem sekundär geneuerten Anlaut im
Lit. — genau zu kymr. llwdn m. ‚Tierjunges‘
< urkelt. *lud-no- und llydnes f. ‚weibliches
Tierjunges‘ < urkelt. *lud-n-issā. Die Bedeu-
tung der beiden Adj.bildungen uridg. *lud-
i̯o- und *lud-no- hat sich aus *‚niederge-
kauert, gebückt‘ aufgespalten in ‚traurig,
niedergeschlagen‘ (im Balt.) und ‚klein‘ (im
Germ. und Kelt.; s. dazu auch unten).
Eine uridg. Ableitung *lou̯d-o- ‚gebückte
Haltung, das Sich-Niederkauern‘ ist in kymr.
lludd subst. ‚Müdigkeit, Erschöpfung‘ < ur-
kelt. *lou̯d-o-, di-ludd adj. ‚munter, frisch‘ <
urkelt. *dī-lou̯d-o- ‚keine Müdigkeit habend‘
und ksl. ludъ ‚töricht‘, russ. lud ‚Narr‘, serb.,
kroat., slowen. lȗd, bulg. lud ‚töricht, dumm‘
< urslaw. *lȗdъ < vorurslaw. *lou̯d-o- mit
den verbalen Ableitungen russ. ludit’ ‚be-
trügen‘, poln. łudzić ‚betrügen, täuschen‘
fortgesetzt. Urkelt. *lou̯d-o- könnte aber auch
auf eine uridg. Form *leu̯d-o- zurückgehen
und dann genau zu got. liuts adj. ‚heim-
tückisch, heuchlerisch, kriecherisch‘ (s. u.)
stimmen.
Ein uridg. Femininum *lud-eh₂- ‚das Sich-
Niederkauern, Bücken‘ ist im kymr. Komp.
lloddwedd (Var. llodredd) ‚Kleinigkeit, wert-
lose Sache‘ < urkymr. *ludā-u̯edu- ‚Klein-
Sache‘ bezeugt (zur semantischen Entwick-
lung von *‚niedergekauert‘ zu ‚klein‘ s. o.);
auf dem uridg. Fem. *lud-eh₂- beruht auch
die verbale Ableitung *lud-eh₂-i̯e-, die in
got. luton sw.v. II ‚täuschen‘ enthalten ist.
Daneben steht noch got. liuts Adj. ‚heim-
tückisch, heuchlerisch, kriecherisch‘ < ur-
germ. *leut-a- ‚katzbuckelnd, heuchlerisch,
kriecherisch‘ < uridg. *leud-o- adj. ‚sich bü-
ckend‘. Wie bei dem got. Verb lutōn und den
o.g. slaw. Nomina ist hier eine einzelsprach-
liche semantische Entwicklung von *‚ge-
bückte Haltung, das Sich-Niederkauern‘ >
‚das Katzbuckeln; Täuschung‘ eingetreten.
Aisl. lútr ‚gebeugt, erniedrigt, demütig‘ kann
mit analogischem Langvokal wie im Verb
aisl. lúta ‚sich ducken, sich beugen, nieder-
kauern‘ erklärt werden (s. lûzên) und stammt
dann entweder aus urgerm. *lut-a- < uridg.
*lud-o- oder aus urgerm. *leu̯t-a- < uridg.
*leu̯d-o-.
Von urgerm. *lut-i̯a- sind im Ahd. noch ab-
geleitet: luzzî f. ‚Kleinigkeit‘; luzzîg ‚winzig,
gering, schmächtig‘ < urgerm. *luta- (ae.
lytig, lyteg ‚schlau, verschlagen, betrüge-
risch‘); luzzil ‚klein, kurz, gering, leicht‘ <
urgerm. *lutila- (ae. lytel) sowie das kausa-
tivische sw.v. I luzzen (< urgerm. *lut-i̯e/a-)
‚herabsetzen, schmähen, tadeln‘ < *‚jmdn.
klein machen‘.
Diesen Formen liegt die uridg. Wurzel
*leu̯d- ‚sich ducken, sich beugen, sich zu-
sammenkauern‘ zugrunde, die als primäres
Verb nur in aisl. lúta (Prät. laut) und ae.
lútan (Prät. leát) ‚sich ducken, sich beu-
gen, niederkauern‘ < uridg. themat. Präsens
*léu̯d-e- mit Perfekt *le-lou̯d-e sowie in
lit. liūdti ‚niedergeschlagen, traurig sein‘
(mit sekundärem palatalisierten Anlaut wie
bei lit. lidnas; s.o) bezeugt ist (Weiteres
dazu s. lûzên).
Walde-Pokorny 2, 415 f.; Pokorny 684; LIV² 415;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 151; Berneker, Slav. et.
Wb. 1, 743 f.; Trubačëv, Ėt. slov. slav. jaz. 16, 167.
168 f.; Derksen, Et. dict. of Slav. 290 f.; Bezlaj, Et.
slov. slov. jez. 2, 155; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 65;
ders., Ėt. slov. russ. jaz. 2, 528; Fraenkel, Lit. et. Wb.
389 f.; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 360 f.; Fick 2
(Kelt.)⁴ 258; Dict. of Welsh 2219 (lludd). 2234
(llwdn). 2252 (llydnes).
S. lûzên.