mago², maho m. n-St., seit dem 9. Jh. in
Gl.: ‚(Schlaf-)Mohn; folliculosa, micon, papa-
ver‘ (Papaver somniferum L.) 〈Var.: man〉.
Zum fehlerhaften Ansatz mâho s. u. – Mhd.
mâge sw.m., mâgen, mâhen st.m. ‚Mohn‘, früh-
nhd. mage, magen, man m. ‚Mohn‘, nhd. Mohn
m. ‚Milchsaft enthaltende Pflanze mit roten,
violetten, gelben oder weißen Blüten und Kap-
selfrüchten, aus deren ölhaltigen Samen be-
ruhigende und betäubende Stoffe gewonnen
werden, Klatschmohn, Samen des Mohns‘.
Ahd. Wb. 6, 74 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 583; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 752; Schützeichel⁷ 212; Starck-Wells 394.
826; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 223 f.; Seebold,
ChWdW9 554 f.; Graff 2, 652; Lexer 1, 2005; 3, Nachtr.
307; Frühnhd. Wb. 9, 1603 ff.; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
410 (papaver); Dt. Wb. 12, 2469 f.; Kluge²¹ 484; Kluge²⁵
s. v. Mohn; Pfeifer, Et. Wb.² 883 f. – Heyne 1899–1908:
2, 71; Marzell [1943–79] 2000: 3, 561ff.; Genaust 1996:
453; LM 6, 718 f.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
maho m., magon- (in magonhōvud ‚Mohn-
kopf‘), mndd. maen m. ‚Mohn‘; mndl. maen-
(in maencop ‚Mohnkopf‘, maensaet ‚Mohnsa-
men‘), frühnndl. (Kiliaan) maen ‚Mohn‘, nndl.
maan- (in maankop ‚Mohnkopf‘, maanzaad
‚Mohnsamen‘), dial. māne ‚Mohnsamen‘; ne.
maw (in maw seed ‚Mohnsamen‘): < urgerm.
*maǥan-/*maχan- m.
In älterer wie auch in neuerer Literatur wurden
die ahd. und as. Form als mâho und māho
angesetzt und auf urgerm. *mēχan- zurückge-
führt (vgl. u. a. R. Lühr, Sprachw 10 [1985],
293 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 255); wie je-
doch Schaffner 2001: 559 ff. nachgewiesen hat,
sind sämtliche einzelsprachliche Formen, die
einen Langvokal aufweisen, das Resultat von
sekundären Entwicklungen, die zeitlich später
als das Ahd. und As. einzuordnen sind. In die-
sen beiden Sprachstufen gibt es somit nur kurz-
vokalische Formen.
Demgegenüber gehen die nordgerm. Formen
adän. -mu(gh)æ, -mæ, -mugha (in walmu[gh]æ,
walmæ, walmugha ‚Schlafmohn‘), ndän. -mue
(in valmue ‚Schlafmohn‘; hieraus sind nisl. val-
múi, fär. valmua und nnorw. valmue entlehnt),
aschwed. -moghe, -mogha (in valmoghe m.,
valmogha f. ‚Schlafmohn‘), nschwed. -mó (in
vallmo ‚Schlafmohn‘), gutn. -moge (in vallmo-
ge f. ‚Schlafmohn‘) auf urgerm. *mōǥan- m.
zurück.
Fick 3 (Germ.)⁴ 303; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 371;
Tiefenbach, As. Handwb. 254 f.; Wadstein, Kl. as. Spr.-
denkm. 205; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 896;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 19; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 4, 990 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 407;
Suppl. 106; Vries, Ndls. et. wb. 420; eOED s. v. maw seed
n.; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 1346; Nielsen,
Dansk et. ordb. 484; Ordb. o. d. danske sprog s. v. val-
mue; NOB s. v. valmue; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2,
1304 f. – Thomsen 1919–31: 4, 127. 340; L. Vaba, Bal-
tistica 10 (1974), 159. – RGA² 20, 154 ff.
Urgerm. *maǥan-/*maχan- bzw. *mōǥan- < ur-
idg. *méh₂kon- : *mh₂k-n-´ stellen sich zu: gr.
ion., att. μήκων f., dor., arkad. μκων f. ‚Mohn‘
(wohl mit sekundärem Übertritt in die Fem. aus
einem älterem *méh₂kon-); aksl. makъ, nruss.,
ukrain., wruss., tschech. mák, slowak., poln.
mak, serb., kroat. mȁk, slowen. màk, bulg. mak,
osorb., ndsorb. mak ‚Mohn‘ (< urslaw. *m-
ka-); unklar ist, ob apreuß. moke ‚Mohn‘ aus
dem Slaw. (Poln.?) entlehnt ist oder urbalt.
*mak- fortsetzt. Vermutlich aus dem Slaw. ist
die Basis mak- in der dimin. Weiterbildung alb.
makth, mokth ‚eine Art Klee‘ (daneben auch:
‚Junges des Hasen; Alp, Alpdruck, Mahr‘)
übernommen.
Alle Formen stammen von einem urspr. o-St.
*méh₂ko-, der im Slaw. fortgesetzt ist. Von
diesem wurde mit individualisierendem n-Suff.
ein sekundärer n-St. uridg. (nom. sg.) *méh₂kō,
(akk.sg.) *méh₂k-on- : (Obliquus) *mh₂k-n-´
(lok.sg. *mh₂k-én±i) (mit analogischer Syllabi-
fizierung anstelle von *h₂k-) gebildet. Dabei
wurde im Gr. (offenbar mit sekundärem Über-
tritt ins Fem.; wohl analogisch nach anderen
fem. PflN) die Ablautstufe des Nom./Akk.Sg.
im gesamten Paradigma durchgeführt. Im Germ.
lautete das ursprüngliche Paradigma urgerm.
(nom.sg.) *mōχō : (Obliquus) *maǥen-, das un-
terschiedlich ausgeglichen wurde. Eine ē-Stufe
passt also nicht in das Ablautsystem.
Uridg. *méh₂ko- weist auf eine uridg. Wz.
*meh₂k- ‚Beutel, Schlauch‘, die wohl auch in
mago¹ ‚Magen‘ (s. d.) vorliegt. Benennungsmo-
tiv der Pflanze wäre dabei der charakteristische
Mohnkopf gewesen.
Aus dem Germ. sind mlat. mahonus, nfrz. dial.
mahon ‚Mohn‘ übernommen, vermutlich eben-
so auch lit. aguonà f., (dial.) mãguonė f., lett.
maguône f. ‚Mohn‘. Dagegen können estn. ma-
gun, liv. maggon ‚Mohn‘ sowohl aus dem
Germ. wie aus dem Balt. entlehnt sein.
Teilweise hierher gestelltes (vgl. u. a. Peder-
sen [1909–13] 1976: 1, 159) air., mir. meccon
‚(essbare) Wurzel, Mohrrübe‘, nir. meacan
‚Möhre‘ sind mit R. Lühr, Sprachw 10 (1985),
293 ff. zu trennen und zu ahd. smâhi ‚klein,
gering‘ (s. d.) zu stellen.
Da im Paradigma des Wortes ,Mohn‘ keine Ab-
lautstufe urgerm. *-ē- vorkommt, ist das Wort
nicht als ein mediterranes Wanderwort anzu-
sehen (so u. a. D. Boutkan, ABäG 52 [1999],
17 f.; Kluge²⁵ s. v.: „eine Entlehnung aus einer
nicht-indogermanischen Sprache [die mit eini-
ger Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist]“).
Walde-Pokorny 2, 225; Pokorny 698; Frisk, Gr. et. Wb.
2, 225; Chantraine, Dict. ét. gr.² 667 f.; Beekes, Et. dict.
of Gr. 2, 942 f.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 5804; Meyer-
Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 5232; Demiraj, Alb. Et. 254;
Orel, Alb. et. dict. 242; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 166;
Berneker, Slav. et. Wb. 2, 9 f.; Trubačëv, Ėt. slov. slav.
jaz. 17, 149 ff.; Derksen, Et. dict. of Slav. 299 f.; Bezlaj,
Et. slov. slov. jez. 2, 162; Snoj, Slov. et. slov.² 374; Vas-
mer, Russ. et. Wb. 2, 89; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 2, 560;
Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 879; Fraenkel, Lit.
et. Wb. 1, 2; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 3; Mühlen-
bach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 547; Karulis, Latv. et.
vārd. 1, 557 f.; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 380;
Mažiulis, Apreuß. et. Wb.² 609 f. – Hirt 1921: 45. 193.
271; Bertsch-Bertsch 1949: 194 ff.; Schaffner 2001:
557 ff.; Kroonen 2011: 311 ff.
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