mahal n. a-St., seit dem 8. Jh. in Gl.,
G, M: ‚Gerichtsstätte, (Gerichts-), (Rats-)Ver-
sammlung, Vertrag, Übereinkommen, Bund;
contio, curia, foedus, pactio, pactus, pactum‘
〈Var.: mal-〉. Das Wort ist auch Bestandteil
von PN (Mahal-, Mall-, Madal-) und ON (Ma-
hal-, Mahel-, Mal-, -mal[l]-, -mel[l]-). – Mhd.
mahel, mâl st.n. ‚Gerichtsstätte, gerichtliche
Verhandlung, Gericht, Vertrag‘, frühnhd. mal
n. ‚Gerichtsversammlung, Gerichtsurteil, zur
Rechtsprechung eingehegter Raum‘, nhd. ver-
altet Mahl n. ‚Gerichtsverhandlung, Vertrag‘,
ansonsten in den Komp. Mahlstatt f., Mahl-
stätte f. ‚Gerichts- und Versammlungsstätte
der Germanen im Freien‘ und Mahlschatz
m. ‚Brautgabe‘.
Ahd. Wb. 6, 81 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 583; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 752; Schützeichel⁷ 212; Starck-Wells
394. 826; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 226 f.;
Seebold, ChWdW8 203. 361 f.; ders., ChWdW9 555;
Graff 2, 650; Lexer 1, 2010; 3, Nachtr. 307; Früh-
nhd. Wb. 9, 1648; Dt. Wb. 12, 1452. 1458 f.; Kluge²¹ 454
(s. v. Mahlschatz); Kluge²⁵ s. v. Mahl²; Pfeifer, Et. Wb.²
420 (s. v. Gemahl). – DRW 8, 1592; 9, 85 ff.; LM 6, 175;
Förstemann [1900–16] 1966–68: 1, 1082. 1086 f. 1111 ff.;
2, 2, 181 ff.; Bach 1952 ff.: 1, 1, 225. 229; 2, 1, 406; Kauf-
mann 1968: 254; Tiefenbach 1973: 71–74; Sousa Costa
1993: 127–140.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
lat.-germ. (Matronenbeiname) Machalinehae
(vgl. dazu Neumann 2008: 261), as. mahal n.
‚Gericht, Rede, Urteilsspruch, Versammlungs-
platz (der Volksversammlung), Gerichtsgebüh-
ren‘, mndd. māl- (in mālman m. ‚Dingpflich-
tiger, Gerichtsgenosse, geschworener Beisitzer
des Markgerichts‘); andfrk. māl- (in māldag
‚Hochzeitstag‘ [nur dat.sg. maheldaga]), mndl.
mael ‚Rechtshandlung, Gerichtsverhandlung‘,
nndl. maal ‚Markgenosse‘ (verkürzt aus maal-
man ‚dss.‘); ae. mæđel, međel, mǣl n. ‚Ver-
sammlungsplatz, Versammlung, Rede‘ (zur
spätbelegten Form mǣl, die analogisch nach der
Form mǣlde ‚er sprach‘ gebildet ist, vgl. H.
Weyhe, PBB 30 [1905], 72–74); run. mal, aisl.
mál (hieraus entlehnt in me. mōl [neben mo-
le, moul, male, maile], ne. mail ‚Bezahlung,
Steuer, Miete‘), nisl., fär. mál, ält. ndän. mal,
ndän. maal, nnorw. mål, run.-schwed. (gen.sg.)
mals, aschwed. mal, nschwed. mål ‚Versamm-
lung, Verabredung, Sprache, Rede‘; got. maþl*
n.? ‚Versammlungsort, Markt‘ (nur dat.sg. af
maþla ‚vom Markt‘ [Mk. 7, 4]); langob. -mahal
(in [pl.] gamahalos ‚Eideshelfer‘): < urgerm.
*maþla- n.
Das Nebeneinander von Formen mit -þ- und -h-
im Westgerm. geht auf ein westgerm. Paradig-
ma nom.sg. *maþ² : gen.sg. *maþla/es zurück.
Im Nom. *maþ² mit Syllabifizierung *ma.þ²
blieb *-þ- im Silbenanlaut erhalten, im Gen.
*maþla/es mit Syllabifizierung *maþ.la/es ent-
wickelte sich *-þ- im Silbenauslaut vor *-l- zu
*-χ- (dieser Lautwandel ist wegen Mahalinehae
schon vor dem 2. Jh. anzusetzen). Zur Form
*maχla/es wurde dann sekundär ein neuer
Nom. *maχ² hinzugebildet.
Daneben stehen lautlich abweichende Formen,
die zumeist auf eine Vernersche Var. urgerm.
*mađla- n. zurückgeführt werden: lat.-germ.
PN (teils mit rom. Übergang von -a- zu -e-)
Mallo-, Mello-, GN -mella, lat.-germ. mallus
m., mallum n. ‚Gerichtsstätte, Termin‘, mallo-
(in mallobergus ‚Malberg, Gerichtsstätte‘) (vgl.
auch die Ableitung mallare ‚vor Gericht la-
den‘); anorw., aschwed. mall n. ‚Rede, Spra-
che‘ (die Zusammenstellung findet sich bereits
in Noreen [1923] 1970: 172 [§ 236 Anm.]: „Das
auffallende anorw. (und aschwed.) mall … statt
gew[öhnlich] mál ist wol mit wgerm. mallo- in
Lex Salica u. a. zu vergleichen“).
Jedoch ist die Herleitung der Formen mit -ll-
von einer Var. *-đl- mit der Schwierigkeit be-
lastet, dass man die Assimilation von *-đl-
in eine sehr frühe Zeit verlegen müsste, um
auch die lat.-germ. Namen mit -ll- zu erklä-
ren. Aus diesem Grund sieht N. Wagner, HS
115 (2002), 95 als Ursache für die Schrei-
bung mit -ll- eine rom. Substitution an, die
dann wohl auch in lat.-germ. mallus, mallum
vorliegt. Und auch für die nordgerm. Formen
mit -ll- ist eine andere Erklärung als eine
Rückführung auf urgerm. mađla- denkbar:
Die anorw. Schreibung könnte durch die
aschwed. Form beeinflusst sein. Denn im
Aschwed. wird nach einem stark nebentoni-
gen Vokal (also in der Regel im KHG) ein
einfacher Kons. geminiert. Die ursprünglich
nur dem Komp. zukommende Lautung war
dann auf die lautgesetzliche Simplexform
übertragbar. Ein möglicher Ausgangspunkt
hierfür ist aschwed. giptarmall ‚Heirat‘ (vgl.
dazu Noreen [1904] 1978: § 298 [S. 231–233]).
Sicher abzulehnen ist eine Trennung der ein-
zelnen germ. Formen voneinander, wie es Tie-
fenbach 1973: 73 f. vornimmt.
Fick 3 (Germ.)⁴ 306; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 358;
Tiefenbach, As. Handwb. 254; Sehrt, Wb. z. Hel.² 355;
Berr, Et. Gl. to Hel. 261; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
205; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 893; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. 3, 15 f.; ONW s. v. māldag; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 962 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 184 (s. v. gemaal); Vries, Ndls. et. wb. 419; Et. wb.
Ndl. F-Ka 218 f. (s. v. gemaal²); Holthausen, Ae. et. Wb.
213; Bosworth-Toller, AS Dict. 664; Suppl. 629; Suppl.
2, 46; eMED s. v. mōl n.²; eOED s. v. mail n.¹; Vries,
Anord. et. Wb.² 376; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 679; Fritz-
ner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 621; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 190; Magnússon, Ísl. Orðsb. 600;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 685 f.; Nielsen, Dansk
et. ordb. 296; Ordb. o. d. danske sprog 13, 675 ff.;
Bjorvand, Våre arveord² 773 f.; Torp, Nynorsk et. ordb.
416; NOB s. v. mål; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1, 674 f.;
Svenska akad. ordb. s. v. mål subst.¹; Feist, Vgl. Wb. d.
got. Spr. 349 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. M-37; Bruck-
ner, Spr. d. Langob. 205; Rhee, Die germ. Wörter i. d.
langob. Gesetzen 70 f. – E. Sievers, IF 4 (1894), 336 f.;
Schönfeld [1911] 1965: 88. 127. 158–160; Lühr 1982:
420; Reichert 1987–90: 1, 272. 420. 485 f.; 2, 570;
Bammesberger 1990: 89; N. Wagner, MSS 57 (1997),
179–183; Francovich Onesti 2000: 90; Schaffner 2001:
243–246; N. Wagner, HS 115 (2002), 93–98; Hill 2003:
14; Casaretto 2004: 405; R. Schuhmann, Denkströme 2
(2009), 120–123; W. Haubrichs, FS Steuer 2009: 309.
Urgerm. *maþla- steht in der Indogermania al-
lein und hat keine gesicherte Etymologie. Heute
wird die Form in der Regel (vgl. u. a. Schaffner
2001: 245 f.; Casaretto 2004: 405) als Nomen
loci-Bildung mit dem Suff. uridg. *-tlo- zur
Wz. uridg. *mad- ‚begegnen, treffen‘ (s. muo-
zan), im Sinne von ‚Ort der Begegnung, Ver-
sammlung‘ gestellt. Dabei ist für die Bildung
*mád-tlo- Vereinfachung von *-dtl- zu *-tl- an-
zunehmen (s. dazu sedal ‚Sitz‘ [< *séd-tlo-]).
Für die Form urgerm. *mađla- setzt Schaffner
2001: 246 eine Kollektivbildung uridg. *mad-
tléh₂ voraus (anders Mottausch 2011: 161: vor-
urgerm. *matlón sei ein Nomen actionis mit der
Bed. *‚das Sich-Versammeln‘ „zu dem wegen
der konkreten („Instrumental“-)Bed. ein bary-
tones *mátlon *‚Einrichtung zum Reden, Rich-
ten‘ hinzugebildet wurde“).
Die Anbindung an die Wz. *med- ‚messen‘ (s.
mezzan; bzw. an *meh₁- ‚messen‘) lehnt Ca-
saretto 2004: 405 dagegen als „[s]emantisch
problematisch“ ab. Jedoch findet sich bei Tac.,
germ. 11 folgende Angabe: coeunt, nisi quid
fortuitum et subitum inciderit, certis diebus,
cum aut inchoatur luna aut impletur. nam agen-
dis rebus hoc auspicatissimum initium credunt.
nec dierum numerum ut nos, sed noctium com-
putant: sic constituunt, sic condicunt „man ver-
sammelt sich, außer es sollte etwas Unerwar-
tetes und Unvermutetes vorgefallen sein, an
festgesetzten Tagen, wenn der Mond entweder
neu wird oder sich rundet. Denn dies halten sie
für den glücklichsten Zeitpunkt, eine Unterneh-
mung zu beginnen. Dabei berechnen sie nicht
wie wir die Anzahl der Tage, sondern der Näch-
te: auf diese Weise beraumt man Termine an,
auf diese Weise setzt man sie fest“. Urgerm.
*maþla- (entweder < *mod-tlo- oder *mh₁-tlo-)
könnte dann die Örtlichkeit bezeichnet haben,
wo man sich auf Grund von nach dem Mond
bemessenen Terminen trifft.
Andere vorgeschlagene Verbindungen, wie et-
wa mit heth. mēmai ‚spricht‘, sind mit Casaretto
2004: 405 zurückzuweisen.
Aus dem Germ. gelangte das Wort ins Mlat. als
mallus, mallum (s. o.). Es ist dort in frz. mal (in
mal public ‚öffentliche Gerichtsverhandlung‘)
fortgesetzt.
Walde-Pokorny 2, 304 f.; Pokorny 746 f.; Thes. ling.
lat. 8, 192 f.; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 2, 825 ff.;
Du Cange² 5, 191 f. 199 f.; Meyer-Lübke, Rom. et.
Wb.³ Nr. 5268a. – Lühr 1982: 419–421; Stotz 1996–
2004: 1, 3 § 32, 7. 4 §§ 53, 2. 70, 3.
RS