meil
Band VI, Spalte 234
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meil n. a-St., meila f. ō(n)-St., seit An-
fang des 9. Jh.s in Gl., WH und Npw: ‚Fleck,
Makel, Sünde, Schuld; macula, plaga, que-
rela‘, ânu meilun ‚makellos, rein; sine macula
Var.: meigil. – Mhd. meil st.n. ‚Fleck, Mal,
Befleckung, Schande‘, frühnhd. meil n. ‚Mal,
Fleck‘. Das Wort schwindet in frühnhd. Zeit
allmählich ganz aus der Schriftsprache, indem
es in dem lautlich ähnlichen Fortsetzer von ahd.
mâl ‚Fleck, Zeichen‘ (s. d.) aufgeht, hält sich
aber in ererbter Lautform in obd. Maa.; vgl.
tirol. mail n. ‚Mal, Makel, das Schwarz auf
der Scheibe, Narbe, Wundmal‘, kärnt. mâl (<
*meil) n. ‚Spur, Fleck, Schmutzflecken, Fehler
in sinnlicher und geistiger Beziehung‘, bair.
meilen f. ‚Fleck, Mal, Makel‘.
Das ahd. Wort ist ein Erbwort und nicht,
wie bisweilen angenommen, aus lat. macula
‚Fleck, Makel‘ entlehnt. Eine solche Entleh-
nung ist erst in spätmhd. Zeit (um 1300) er-
folgt; vgl. mhd. makel st.m., nhd. Makel m., ält.
nhd. auch f. (Lexer 1, 2014; Dt. Wb. 12, 1988 f.;
Kluge²¹ 456; Kluge²⁵ s. v. Makel; Pfeifer, Et.
Wb.² 827).

Ahd. Wb. 6, 334 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 605; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 768; Schützeichel⁷ 218; Starck-Wells
404; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 304; Seebold,
ChWdW9 572 f.; Graff 2, 720; Lexer 1, 2076; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 342 (macula); Dt. Wb. 12, 1906 f.;
Kluge²¹ 456 (s. v. Mal); Kluge²⁵ s. v. Mal; Pfeifer, Et.
Wb.² 829 (Mal²). – DRW 9, 431. – Schmeller, Bayer. Wb
1, 1584 f.; Lexer, Kärnt. Wb. 188; Schöpf, Tirol. Id. 482;
Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 2, 411.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. il n. ‚Fleck‘; ae. māl n. ‚Makel, Merk-
mal, Fleck, Farbfleck, Zeichnung‘, me. mōl,
mo(i)le, moule ‚Fleck‘, ne. mole ‚(Haut-)Fleck,
Makel, Merkmal‘; got. mail* n. (nur gen.pl.
maile) ‚Runzel; ῥυτίς‘: < urgerm. *mala-.

Fick 3 (Germ.)⁴ 302; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
2, 1, 947 (il¹); Holthausen, Ae. et. Wb. 214; Bosworth-
Toller, AS Dict. 666; eMED s. v. mōl n.³; eOED s. v. mole
n.¹; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 340 f.; Lehmann, Gothic Et.
Dict. M-8. – Casaretto 2004: 400; Levickij 2010: 1, 369.

Urgerm. *mala- geht auf eine Vorform uridg.
*(H)mo(H)-lo- zurück. Traditionell dazuge-
stellt werden die Pluralia tantum lit. miẽlės f.,
lett. mìeles f. ‚Hefe‘ < urbalt. *maĩliās, wobei
die Bed. der balt. Wörter auf das schmutzig-
graue Aussehen des Hefepilzes weisen könnte.
Dieser Anschluss entfällt, wenn lit. miẽlės, lett.
mìeles ‚Hefe‘ zu lit. miẽlas m. ‚Gips, Kalk,
Kreide‘ gehören, das lit. Wort nicht aus dem
Ostslaw. entlehnt und die weiße Farbe das
eigentliche Benennungsmotiv ist. Das weiter
bisweilen damit verbundene lit. máiva f.
‚Sumpfboden‘ < urbalt. *m-ā- bereitet zwar
semantisch keine Probleme, auch hier kann eine
Benennung nach dem schmutzig-grauen Aus-
sehen erfolgt sein, in der Wz. aber entweder im
Gegensatz zu den Wörtern für ‚Hefe‘ einen
Laryngal (uridg. *moiH-eh₂-), der dann trotz
der o-Stufe (neben der der ‚Saussure-Effekt‘,
also der Schwund des Laryngals zu erwarten
gewesen wäre) nicht geschwunden wäre, oder
einen sekundär innerbalt. entstandenen Lang-
diphthong (urbalt. *-ā-), vielleicht auf-
grund einer Vddhi-Bildung, aufweisen. Eben-
falls problematisch ist der Anschluss der Sippe
um gr. μιαρός ‚besudelt, befleckt‘: Ist dieses
Wort mit ai. mtra- n. ‚Harn‘, jav. mθra-
‚Exkremente, Unrat‘ < uridg. *m()uH-tro- (mit
regulärem Schwund des * nach Labial, wenn
keine Morphemgrenze dazwischen liegt; vgl.
dazu Neri 2011: 144 mit Anm. 285. 288) zu
verbinden, wäre als Vorform ein (e)ro-Adj. ur-
idg. *mih₂-eró- > urgr. *miaro- > gr. μιαρός
anzusetzen (ein reguläres schwundstufiges ro-
Adj. zu dieser uridg. Wurzel ist auszuschließen,
da eine Syllabifizierung *muh₂-- zu erwarten
gewesen wäre). Dabei ergäbe sich die Schwie-
rigkeit, dass die Zusammengehörigkeit von gr.
μιαρός mit myk. mi-ja-ro (unklarer Bed., im
Zusammenhang mit Stoffen gesagt; Hapax-
legomenon KN Ln 1568.1a) in lautlicher Hin-
sicht nicht mehr gegeben wäre, es sei denn, man
postuliert ad hoc eine Assimilation urgr. *-ia-
> myk. -ija-. Das zugehörige Verb gr. μιαίνω
‚besudele, beflecke‘ müsste dann ein Nasalin-
fixverb sein, das ebenfalls umstrukturiert wor-
den wäre: uridg. *mu--h₂-, *mu-n-h₂-´ →
*mi--h₂-´ > urgr. *mian- + *-e/o-. Ähnliche
Zusatzannahmen sind erforderlich, geht man für
die gr. Sippe von einem urspr. r/n-Heterokli-
ton zu dieser Wz. aus: uridg. *méh₂-, gen.
*muh₂-én-s hätten so umstrukturiert werden
müssen wie das eben angeführte Nasalinfixverb.
Näher liegt eine Wz. uridg. *meh₂- ‚beschmut-
zen‘ für die gr., balt. und germ. Wörter, die
indo-iran. Sippe um ai. mtra- bleibt dann
freilich fern: Somit ergeben sich uridg. *moh₂-
lo- > urgerm. *mala-, uridg. *moh₂-eh₂- > ur-
balt. *ā- > lit. máiva, uridg. *mih₂-eró- >
urgr. *mi()aro- > myk. mi-ja-ro /miaro-/ > gr.
μιαρός, uridg. *mi--h₂-, *m--h₂-´ > vorurgr.
*mi--h₂- > urgr. *mian- + *-e/o- > gr. μιαί-
νω. Die balt. Wörter für ,Hefe‘ gehören hierher,
wenn eine in urbalt. iā-Stämmen häufige mé-
tatonie douce, d. h. Wandel des alten Akuts in
eine zirkumflektierte Intonation, eingetreten ist.

Walde-Pokorny 2, 243; Pokorny 697; Frisk, Gr. et.
Wb. 2, 235 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 674. 1329;
Beekes, Et. dict. of Gr. 2, 950 f.; Aura Jorro-Adrados
1985 ff.: 1, 451; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 398 (máiva).
448 f. (miẽlas¹); Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 397
(miẽlas, miẽlės); Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb.
2, 652; Karulis, Latv. et. vārd. 1, 590.

HB

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