melda
Band VI, Spalte 276
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melda f. ō-St., in Gl. 1,493,50 (Anfang
des 9. Jh.s., alem.[-frk.]). 587,30 (9. Jh., alem.);
2,346,42 (Hs. zwischen 820/830, Zeit des Gl.-
eintrags unbekannt): ‚Offenbarung, Ankündi-
gung, Anzeige, Verrat; delatio, delatura, pro-
ditio‘. Das Wort zeigt die für Teile des Frk. und
auch I typische unverschobene Gruppe -ld-
< urgerm. *-- (Braune-Reiffenstein 2004: §
163, bes. Anm. 1). – Mhd. melde st.f. ‚Verrat,
Angeberei, Verleumdung‘, frühnhd. melde f.
‚Kunde, Nachricht, Bericht‘, nhd. dial. bair.
melde, rhein. melde ‚Ansage, Meldung‘.

Ahd. Wb. 6, 397 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 610; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 771; Schützeichel⁷ 219; Starck-Wells 406;
Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 322; Bergmann-Stri-
cker, Katalog Nr. 296 (III). 590. 725 (IV); Seebold,
ChWdW9 577; Graff 2, 724; Lexer 1, 2093 f.; Frühnhd.
Wb. 9, 2180 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 462 (prodi-
tio); Dt. Wb. 12, 1991; Kluge²¹ 473 (s. v. melden); Klu-
ge²⁵ s. v. melden; Pfeifer, Et. Wb.² 858 (s. v. melden). –
Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 1592; Müller, Rhein. Wb. 5,
1063. – DRW 9, 506 (Melde¹).

In den anderen westgerm. Sprachen entspricht
nur: mndd. melde f. ‚Mitteilung‘: < westgerm.
*meldō-. Das Wort ist sonst nur indirekt in dem
denominalen Verb ahd. meldôn, -ên (s. dd.) und
seinen Verwandten fortgesetzt.

Fick 3 (Germ.)⁴ 317; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
2, 1, 947 (melde²); Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 421 f. (s. v.
melden); Vries, Ndls. et. wb. 436 (s. v. melden); Et. wb.
Ndl. Ke-R 331 (s. v. melden); Boutkan, OFris. et. dict.
254 (s. v. -meldia); Holthausen, Ae. et. Wb. 218; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 677; eOED s. v. †meld v.¹. – Le-
vickij 2010: 1, 382.

Westgerm. *meldō- < urgerm. *melđō- hat bis-
lang zwei Erklärungen gefunden: Die eine geht
von einer Wz. uridg. *meldh- ‚verkünden, feier-
lich sprechen‘ aus. Dazu gehören heth. mald(a)-:
3.sg.präs. māldi < uridg. *móldhe ‚rezitiert, ge-
lobt‘, 3.pl. maltant < uridg. *mdh-ent-, lit. mal-
daũ, maldýti ‚bitten, anflehen‘, lit. meldžiù,
mesti ‚bitten, beten‘, maldà ‚Bitte‘. Apreuß.
madlit[wie] ‚bitten‘, maddla ‚Bitte, Gebet‘ sind
dagegen nicht ererbt, sondern aus dem Poln.
entlehnt. Hierher stellt sich auch arm. małtˁem
‚bitte, bete‘. Semantisch passen auch poln.
modlić, tschech. modlit se etc. < urslaw. *mod-
lītī ‚bitten, beten‘ (das Verb ist gemeinslaw.).
Doch erfordert diese Verbindung zusätzliche
Annahmen: Entweder hat eine singuläre ur-
slaw. Metathese *-ld- > *-dl- stattgefunden
oder das Verb ist denominal und von urslaw.
*mold-- > westslaw. *modla- (mit dissimila-
torischer Vereinfachung des Konsonantenclus-
ters) > atschech. modla ‚Idol, Götze‘, tschech.
modla ‚Statue, Idol‘, slowak. modla ‚dss.‘ (viel-
leicht aus dem Tschech. entlehnt), osorb. modla
‚dss.‘ (vielleicht aus dem Tschech. entlehnt),
poln. modła ‚Opferdarbringung (veraltet), Idol,
Gebet, Ehrbezeugung‘ abgeleitet. Aksl. etc.
moljǫ, moliti () ‚bitten, flehen‘, serb., kroat.
mòliti ‚bitten, beten‘, russ. molit’sja ‚beten‘
(und entsprechende Formen in den anderen
süd- und ostslaw. Sprachen) sind von den west-
slaw. Formen nicht zu trennen und zeigen wohl
die reguläre Vereinfachung von urslaw. *-dl- >
südslaw., westslaw. *-l- (zu einer anderen Erklä-
rung s. u.). Alternativ wurde erwogen, urgerm.
*melđō- zu einer Wz. uridg. *mel(H)- ‚bitten,
sagen‘ bzw. ‚lügen‘ (vgl. etwa lit. mẽlas ‚Be-
trug‘) o. ä. zu stellen, die aufgrund der Bed. von
uridg. *melh₃- ‚hervorkommen‘ (LIV² 433 f.) und
uridg. *melh₂- ‚mahlen, zerreiben‘ (LIV² 432 f.)
zu trennen ist. Die Vorform von aksl. etc. moljǫ,
moliti ‚bitten, flehen‘ wäre dann vorurslaw. ite-
ratives *mol(H)-e(e/o)- und von den d-haltigen
westslaw. Formen wie tschech. modlit etc. zu
trennen. Für das Germ. (und Balt.) wäre dann
ein verdunkeltes Komp. uridg. *me/ol(H)-dhh₁-
o/eh₂- ‚(öffentliche) Bitt-Setzung‘ > urgerm.
*melđō- ‚Ankündigung‘ bzw. urbalt. *moldā-
‚Bitte‘ anzusetzen. Lit. meldžiù, mesti ‚bitten,
beten‘ müsste dann als Rückbildung aus dem
Subst. uridg. *me/ol(H)-dhh₁-o/eh₂-, genauer
dann der e-stufigen Variante uridg. *mel(H)-
dhh₁-o/eh₂- erklärt werden.

Auch arm. małtˁem ‚bitte, erbete, erflehe‘ wird zwar
traditionell mit lit. maldýti ‚bitten‘ etc. verbunden, aber
aufgrund des ausl. Dentals im Arm., der uridg. *-t(h)- er-
fordert, ist ein direkter Zusammenhang nicht möglich
(auch Entlehnung des Wortes wurde deshalb schon
erwogen). Vielmehr ist das arm. Verb denominal zum
i-St. arm. małtˁ ‚Bitte, Gebet‘ gebildet. Für arm. małtˁ
ist aber nicht zu entscheiden, ob es vorurarm. *m--
oder *mdh-- fortsetzt.

Die Herleitung des ahd. Worts aus einem ver-
dunkelten Komp. benötigt also mehr Zusatzan-
nahmen. Daher ist die erste Erklärung, nach der
eine eigene Wz. uridg. *meldh- ‚verkünden, fei-
erlich sprechen‘ zugrunde liegt und die von ur-
idg. *mel(H)- ‚bitten, sagen‘ zu trennen ist, vor-
zuziehen.

Walde-Pokorny 2, 291; Pokorny 722; LIV² 432; Hübsch-
mann, Arm. Gr. 472; Martirosyan, Et. dict. of Arm. 445 f.
725; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 177; Berneker, Slav. et.
Wb. 2, 65 f.; Trubačëv, Ėt. slov. slav. jaz. 19, 85 f. 87 ff.;
Derksen, Et. dict. of Slav. 320; Et. slov. jaz. staroslov.
487 f.; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 2, 193; Snoj, Slov. et.
slov.² 412; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 149 (molitʼ¹); ders.,
Ėt. slov. russ. jaz. 2, 642 (molitʼ¹); Schuster-Šewc, Hist.-
et. Wb. d. Sorb. 939; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 432; Smo-
czyński, Słow. et. jęz. lit. 386 f.; ALEW 1, 610. 632 f.;
Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 373; Mažiulis, Apreuß.
et. Wb.² 570. 571 f.; Smoczyński, Lex. d. apreuß. Verb.
228 ff.; Kronasser, Etym. d. heth. Spr. 522; Tischler,
Heth. et. Gl. 2, 109 f.; Kloekhorst, Et. dict. of Hitt. 550 f.;
CHD L-N 132 ff. – Brückner [1927] 1993: 343; Georgiev
1971ff.: 4, 220–223; Skok 1971–74: 2, 451 f.; Oettinger
1979: 444; Machek 1997: 371 f.; Bańkowski 2000: 2,
205; Orel 2011: 2, 284; Rejzek 2015: 425.

S. meldên, meldôn.

HB

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