minio
Band VI, Spalte 447
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minio m. jan-St., Gl. 2,681,1 (1. Viertel
des 12. Jh.s); 3,503,30 (11./12. Jh.). 691,27
(letztes Viertel des 13. Jh.s): ‚Zinnober, Men-
nige; fenix/phoenix, minium‘. Das Wort ist aus
lat. minium ‚dss.‘ entlehnt (s. u.). Die ahd. Form
steht dabei wohl für /mino/, /minə/ und setzt
damit vulg.lat./frührom. *minu(m) voraus. Die
Entlehnung hat nach der Wirkung der west-
germ. Kons.gemination stattgefunden, also
wohl frühestens im 6. Jh. n. Chr. – Mhd. minig,
menig(e) st.m. ‚Zinnober, Mennige‘, frühnhd.
mennig m., mennige f. ‚Mennige, Bleirot‘, da-
neben noch frühnhd. minie f. ‚Mennige, Bleirot,
Erz, metallhaltiges Material‘, nhd. Mennige f.
‚Bleirot, rotes Bleioxyd‘ deutet dagegen auf ei-
ne entlehnte Form vulg.lat./frührom. *miniu(m),
teilweise mit Lautersatz rom. *-i- : mhd. *-e-.
Dabei entstand mhd. -g- aus nachtonig intervo-
kalisch unsilbisch gewordenem -i-. Es fanden
somit wohl zwei verschiedene Übernahmen
von vulg.lat./frührom. *min(i)u(m) statt, wobei
die ältere, *minu(m), ins Ahd. nicht fortgesetzt
wurde: Sonst hätte sich mhd. *minje, *ming(e)
ergeben. Vielleicht sind diese Formen aber in
mhd. und frühnhd. mingen, menge, meny, me-
nye, mynge, mynye, miny fortgesetzt (neben
menige, menginge, menning, minig, minin,
meining), falls nicht Synkope des mittleren -i-
eingetreten ist.
Im Weiteren kam es zu Angleichungen an
Subst., Adj. auf ahd. -îg (s. d.), mhd. -ig, so
dass der Wortauslaut -ig fest werden konnte.

Ahd. Wb. 6, 608 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 1226; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 784; Schützeichel⁷ 224; Starck-Wells
415; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 380 f.; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 67. 600 (I). 849; Lexer 1,
2101. 2144; Frühnhd. Wb. 9, 2217; 6, 2498 f.; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 362 (minium); Dt. Wb. 12, 2020.
2020 f.; Kluge²¹ 474; Kluge²⁵ s. v. Mennige; Pfeifer,
Et. Wb.² 861. – Lüschen 1979: 273; LM 6, 519; RGA²
34, 572 f. (Zinnober).

In den anderen germ. Sprachen entsprechen
als ebenfalls aus dem Lat. entlehnte Formen:
mndd. mēnie, minie, minic, men(i)ge; früh-
mndl. minie, mndl. minie, menie, nndl. menie
‚Bleirot, rostabwehrender Farbstoff‘. Die For-
men der nordgerm. Sprachen, ält. dän. menie,
ndän. mønje, nnorw. mønje, aschwed. menia,
nschwed. mönja sind aus dem Mndd. entlehnt.
Ne. minium ‚Mennige‘ ist aus dem Lat. neu
entlehnter Fachterminus der Chemie, daneben
auch schon me. mineus, minius, minis ‚dss.‘,
das aber aus dem zu lat. minium gehörigen
Zugehörigkeitsadj. mineus ‚Zinnober-‘ über-
nommen ist. Des Weiteren ist aus mfrz. minion
(als Nebenform zu afrz. mine, mfrz. miniem
[14. Jh.]), ne. obs. minion ‚Zinnober, Bleirot,
kalziniertes Eisenerz zur Herstellung von Ze-
ment‘ entlehnt. Im Mfrz. (ab dem 16. Jh.) und
nfrz. ist minium ‚dss.‘ aus dem Lat. neuentlehnt.
Bei den mndd. und mndl. Formen liegen eben-
falls wohl Übernahmen aus dem Mfrz. vor.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 955. 982; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. 3, 92; VMNW s. v. minie; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 1408 f. 1619; Franck, Et. wb.
d. ndl. taal² 423; Vries, Ndls. et. wb. 437; Et. wb. Ndl.
Ke-R 334; Fryske wb. 13, 191; eMED s. v. mineus; Klein,
Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 984; eOED s. vv.
minion n.², minium; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1,
749; Ordb. o. d. danske sprog 14, 745 f.; NOB s. v. møn-
je¹; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1, 684; Svenska akad.
ordb. s. v. mönja.

Die germ. Wörter sind direkt oder indirekt
aus lat. minium ‚Zinnober‘ (u. U. über mfrz.,
die nordgerm. Wörter über mndd. Vermittlung)
entlehnt. Lat. minium könnte urspr. iberischer
Herkunft sein und zum Namen des Flusses
span. Rio Miño, port. Minho (< lat. Minius) in
Galizien/Nordwestspanien gehören, wobei aber
die Benennungsrichtung unklar bleibt: ‚roter
Fluss‘ nach dem lat. Wort für ‚Zinnober‘ oder
‚Zinnober‘ nach einem rötlichen Fluss, an des-
sen Lauf Zinnober (rötliches Schwefelqueck-
silber bzw. Cinnabarit als trigonale Modifika-
tion von Quecksilbersulfid [HgS]) gewonnen
wurde. Immerhin finden sich nordöstlich des
Einzugsgebiets des Rio Miño noch heute Zin-
noberminen. Trotzdem bleibt vorerst offen, ob
die zuerst von Isidor von Sevilla (12, 21, 32)
hergestellte Verbindung des FlussN mit der
Farbe nicht einfach eine Volksetym. darstellt.
Das lat. Wort lebt in den rom. Sprachen wei-
ter; vgl. afrz. miniem, frz. mine, italien. minio
‚Mennige‘; daneben finden sich auch Ab-
leitungen, deren Bedeutungen v. a. auf die Rot-
färbung des Zinnobers verweisen; vgl. etwa ita-
lien. mignata ‚Blutegel‘, span. miñosa ‚Regen-
wurm‘ etc. Aus dem Italien. wurde das Wort
auch ins Slowen. entlehnt; vgl. aslowen. meni
(16. Jh.), nslowen. mínij ‚Zinnober‘.

Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 91 f.; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 404; Thes. ling. lat. 8, 998. 1026 f.; Meyer-
Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 5591; Wartburg, Frz. et. Wb. 6,
2, 122 f.; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 2, 184; Snoj, Slov. et.
slov.² 403.

HB

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