missa
Band VI, Spalte 480
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missa, messa f. ō-St., in LB, PfB, RB, BB,
FB, Npg und Npw: ‚Messe, Gottesdienst; mis-
sa‘. Das Wort ist aus kirchenlat. missa f. ‚Got-
tesdienst, Messfeier, Feiertag, Heiligenfest‘ ent-
lehnt (s. u.). – Mhd. messe, misse st./sw. f. ‚Mes-
se, kirchlicher Festtag, Jahrmarkt (die Bez.
wurde auf den an hohen Feiertagen in der Nähe
von Kirchen stattfindenden Markt übertragen)‘,
frühnhd. messe f. ‚von einem geweihten Pries-
ter geleiteter Gottesdienst, Messe, Jahrmarkt,
katholisches Gebiet der nachreformatorischen
Zeit‘, die erste messe ‚Primiz‘, nhd. Messe f.
‚katholischer Gottesdienst mit der Feier der Eu-
charistie, Komposition als Vertonung der litur-
gischen Bestandteile der Messe, internationale
Handelsausstellung, (regional) Jahrmarkt‘.

Ahd. Wb. 6, 656; Splett, Ahd. Wb. 1, 628; Köbler, Wb. d.
ahd. Spr. 786; Schützeichel⁷ 225; Starck-Wells 416; See-
bold, ChWdW9 591. 1093; Graff 2, 867; Heffner 1961:
108; Lexer 1, 2121 f.; Frühnhd. Wb. 9, 2359 ff. (messe¹);
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 363 (missa); Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 407 (missa); Dt. Wb. 12, 2110 ff.; Kluge²¹ 475
(Messe¹); Kluge²⁵ s. v. Messe¹; Pfeifer, Et. Wb.² 864 (Mes-
se¹, Messe²). – LM 6, 555–560.

In andere germ. Sprachen wurde das lat. Wort
ebenfalls entlehnt: as. missa f. ‚Messe, (Pat-
ronats-)Fest‘, mndd. misse f. ‚Messe, Messop-
fer, Gottesdienst‘; mndl. misse, messe f. ‚Mes-
se, Kirchenfest‘, nndl. mis ‚katholischer Got-
tesdienst‘; afries. missa, misse, mis f. ‚Messe,
kirchliches Fest, Handelsmesse‘, nwestfries.
mis(se) ‚(kirchliche) Messe‘, saterfries. misse
‚dss.‘.
Bei den nordgerm. Wörtern aisl. messa f.
‚Gottesdienst‘, nisl. messa f. ‚Gottesdienst‘, fär.
messa f. ‚dss.‘, ndän. messe ‚dss.‘, nnorw. mes-
se ‚katholischer Gottesdienst, eine Art Wech-
selgesang, Musikstück auf Grundlage der in
der Messe verwendeten Texte, Handelsmesse‘,
aschwed. mæssa f., nschwed. messa, mässa
‚Messe‘ handelt es sich um Entlehnungen aus
dem Mndd.
Ins Ae. erfolgte die Übernahme aus einer vulg.-
lat. bzw. bereits romanisierten Form *messa:
ae. mæsse f. ‚Messe, Eucharistie‘, me. messe,
masse ‚Eucharistiefeier, Gottesdienst, Sakra-
ment der Eucharistie‘, ne. mass ‚(kirchliche)
Messe‘. Die Entwicklung des Vokalismus im
Engl. hat keine Parallelen, das Wort wurde
wohl zuerst in einen ae. Dial. (vielleicht Kent.)
übernommen, in dem sich altes (früh)ae. æ in
e wandelte. Bei der Übernahme von Wörtern
aus diesem in andere Dial. wurde das e ana-
logisch wieder in æ verwandelt und diese Form
dann verallgemeinert (Campbell [1959] 1997:
§ 208).

Tiefenbach, As. Handwb. 275; Wadstein, Kl. as. Spr.-
denkm. 209; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 994;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 101; VMNW s. v. messe;
Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 1716 ff.; Franck, Et. wb.
d. ndl. taal² 432 (mis¹); Vries, Ndls. et. wb. 446 (mis¹);
Et. wb. Ndl. Ke-R 359 (mis¹); Boutkan, OFris. et. dict.
264; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 331; Richthofen,
Afries. Wb. 930; Fryske wb. 13, 284; Dijkstra, Friesch
Wb. 2, 166; Fort, Saterfries. Wb. 135; Kramer, Seelter
Wb. 145; Holthausen, Ae. et. Wb. 212; Bosworth-Toller,
AS Dict. 661; Suppl. 628; Suppl. 2, 46; eMED s. v. messe
n.¹; Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 944;
eOED s. v. mass n.¹; Vries, Anord. et. Wb.² 385 (mes-
sa¹); Jóhannesson, Isl. et. Wb. 1087; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog 2, 682; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 195 (messa¹); Magnússon, Ísl. Orðsb. 618;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 716 f. (messe¹); Ordb.
o. d. danske sprog 13, 1379 f.; NOB s. vv. messe¹, messe²;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1, 681 f.; Svenska akad. ordb.
s. v. mässa subst.

Lat. missa f. ‚Messe, Entlassung‘, mlat. ‚Verab-
schiedung, Entlassung der Gläubigen am Ende
der Messe, Schlussgebet, Gebet, Gottesdienst,
liturgische Lesung, Messe, Totenmesse, Messe
zur Ehrung eines Heiligen, Brief, Zusammen-
fluss‘ ist eine substantivierte fem. Form des
Part.Perf.Pass. missus zum Verb. lat. mittere
‚schicken, senden, entlassen‘ (zur Wz. uridg.
*meth₂- ‚wechseln, austauschen, entfernen‘; zu
weiteren Anschlüssen zu dieser Wz. s. missi).
Es begegnet ab dem 4./5. Jh. n. Chr. in kirch-
lichem und nichtkirchlichem (Gericht) Kontext.
In den rom. Sprachen wird das Wort sowohl in
der echtrom. Gestalt mit Senkung von lat. i >
rom. e als auch in seiner urspr. Form (aufgrund
von regelmäßiger Neuentlehnung) fortgesetzt;
vgl. mit derselben Bed. afrz. messe, mfrz., nfrz.
messe, prov. mesa, log. missa, engad. messa,
friaul. messa, italien. messa, vegliot. masa,
span. misa, port. missa.
Das lat. Wort wurde als mgr. μίσσα f. ‚Messe‘
übernommen.
Das (m)lat. Wort wurde auch früh über west-
germ.-vorahd. Vermittlung ins Slaw. entlehnt;
vgl. aksl. mьša f. ‚Messe‘, ukrain., wruss., russ.
mša f. ‚katholischer Gottesdienst‘, slowen. má-
ša f., dial. méša f., kroat.-ksl. misa f. (eine junge
Entlehnung des 14. Jh.s), kroat., serb. mȉsa f.
‚katholischer Gottesdienst, Messe‘, dial. mȁ-
ša, mȅša, mȉša, mȋsa, bulg. dial. mísa f. ‚dss.‘,
tschech.-ksl. mьša f., atschech. mšě f. ‚Messe‘,
tschech. mše f. ‚dss.‘, slowak. (o)mša f. ‚dss.‘,
poln. msza f. ‚dss.‘, ält. osorb. meša f., ält.
ndsorb. missa f., osorb., ndsorb. mša, polab.
meißó ‚Predigt‘. Dieser Entlehnungsweg ist
aufgrund des fast allgemein vorhandenen š-
Lautes, der (früh)ahd. /s/ [ṡ] wiedergibt, gut zu
erkennen. Des Weiteren muss die Entlehnung
so früh erfolgt sein, dass (früh)ahd. i noch als
gemeinslaw. *ь integriert wurde. Die Entleh-
nung fand im 7./8. Jh., spätestens um 800, statt.
Über das Poln. gelangte das Wort als mišià
f. ‚Messe‘, meist pl. mìšios ‚Messe, Predigt,
Messamt‘, dial. auch miš (im Žemait.) ‚pro-
testantischer Gottesdienst‘ ins Balt. Zur Aus-
spracheerleichterung wurde in die Kons.gruppe
/mš-/ des Poln. ein -i- eingeschoben. Žemait.
mišė könnte aufgrund seiner Bed. aus dem
Mndd. entlehnt sein. Im Lett. steht misa ‚Mes-
se‘ als Lehnwort aus dem Mndd. neben miša
‚dss.‘, das aus dem Lit. entlehnt sein dürfte.
Aus dem Mlat. bzw. dem Balkanrom. wurde
das Wort auch als alb. meshë f. ‚Messe‘ über-
nommen.

Walde-Pokorny 2, 247 f.; Pokorny 715; LIV² 430; Wal-
de-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 97 ff.; Ernout-Meillet, Dict.
ét. lat.⁴ 407 f.; de Vaan, Et. dict. of Lat. 383 f.; Thes. ling.
lat. 8, 1135 ff.; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 2, 903 f.; Du
Cange² 5, 412 (missa⁴); Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
6219; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 5610; Wart-
burg, Frz. et. Wb. 6, 2, 171 ff.; Orel, Alb. et. dict. 257;
Et. slov. jaz. staroslov. 479 (misa²). 520 (mьša); Bezlaj,
Et. slov. slov. jez. 2, 170; Snoj, Slov. et. slov.² 383 f.;
Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 182; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 3,
22; Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 963; Olesch,
Thes. ling. drav.-polab. 1, 566 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1,
460; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 406; Mühlenbach-
Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 635. 637. – Brückner [1927]
1993: 347; Georgiev 1971 ff.: 4, 122; Skok 1971–74: 2,
430 f.; Haarmann 1972: 136; Machek 1997: 382; Bań-
kowski 2000: 2, 221 f.; Rejzek 2015: 435.

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