muot n./m. a-St., seit Abr in weiteren
Gl. und in I, MF, T, OT, WK, MH, B, GB, BG,
O, WB, M, G, N, Npg, WH, Ph: ‚Gesamtheit
des seelisch-geistigen Vermögens, Inneres, Ge-
müt, Sinn, Sinnesart, Gesinnung, Überzeugung,
innere Fassung, Beherztheit, Verlangen, Wol-
len, Erregung, Unmut, (metonymisch) Mensch;
anima, animadversio, animadvertere [= muot
werban], animus, cogitatio, conscientia, con-
turbare [= des muotes truoben], conturbari [=
truobes muotes wesan, truobes muot giwin-
nan, sih sînes muotes irfallen], cor, defensio,
halitus, mens, motus, pectus, sententia, spiri-
tus, teneritudo [= zart muot], voluntas, zelus‘
〈Var.: mo(o)-, moa-, mua-, mu(h)-, muoh-;
-th-, -d(-)〉. Das Wort ist ein häufiger Bestand-
teil von PN (Förstemann [1900–16] 1966–68:
1, 1126–1131) und erscheint ebenfalls in et-
lichen verbalen Verbindungen: in muot (gi-)
gangan / queman / birînan, zi muote bique-
man ‚in den Sinn kommen, bemerken‘, (daz/
sîn) muot kêren / gikêren / gilâzan / rihten /
(zuo-)wenden / werben ‚seinen Sinn auf etw.
richten, lenken, etw. wahrnehmen‘, in/zi muote
kêren, in muot (gi-)kêren / lâzan / (gi-)neman /
tuon ‚(sich) etw. zu Herzen nehmen, in den Sinn
kommen lassen, beherzigen, bedenken, erwä-
gen‘, in muote habên ‚etw. im Inneren, im Sinn
tragen, bewahren‘, in muote wesan ‚im Sinn
liegen‘, zi muote wesan ‚innerlich denken an‘,
muotes gieinôt ‚innerlich gesammelt‘, daz muot
habên, in muot fuoren ‚etw. im Sinn haben,
beabsichtigen, nach etw. streben, trachten‘, in
muot festen / festinôn / bi-, gikleiben, zi muote
geben / tuon, in muot werfan ‚etw. (jmdm.) in
den Sinn, ins Gedächtnis schreiben, eingeben,
einprägen‘, ûzar muote queman ‚aus dem Sinn
gehen‘, sînes muotes (gi-)irren / truoben ‚jmds.
Sinn verwirren‘, muotes elilenti tuon ‚jmdn.
von der (ihm eigenen) Ansicht, vernünftigen
Betrachtungsweise abbringen‘, muote gigan-
gan ‚verrückt‘. Dazu werden Kasusformen des
Wortes adverbiell verwendet, und zwar: muo-
tes, muote ‚von / mit / im Herzen, mit / im Sinn‘,
in muote ‚zu Herzen, am Herzen, von Herzen,
im Sinn, zumute‘, mit muotu ‚von Herzen‘, zi
muote ‚zumute‘. – Mhd. muot st.m./n. ‚Kraft
des Denkens, Empfindens, Wollens, Sinn, See-
le, Geist, Gemüt, Gemütszustand, Stimmung,
Gesinnung, Entschlossenheit, Mut, trotziger Ei-
genwille, Selbstsucht, Erwartung, Hoffnung‘,
nhd. Mut m. ‚Fähigkeit, in einer gefährlichen,
riskanten Situation seine Angst zu überwinden,
Furchtlosigkeit angesichts einer Situation, in
der man Angst haben könnte, [grundsätzliche]
Bereitschaft, angesichts zu erwartender Nach-
teile etw. zu tun, was man für richtig hält‘.
Ahd. Wb. 6, 865 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 640; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 802; Schützeichel⁷ 229; Starck-Wells
425. 827; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 464 ff.; See-
bold, ChWdW8 215. 424. 502; ders., ChWdW9 598 f. 1095;
Graff 2, 679 ff.; Lexer 1, 2241 f.; 3, Nachtr. 324; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 36 (animus). 130 (cogitatio). 356
(mens); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 42 (animus). 112 (co-
gitatio). 136 (conscientia). 149 (conturbare). 153 (cor).
400 (mens). 414 f. (motus). 472 (pectus). 602 f. (senten-
tia). 624 (spiritus). 719 (voluntas); Dt. Wb. 12, 2781 ff.;
Kluge²¹ 496 f.; Kluge²⁵ s. v. Mut; Pfeifer, Et. Wb.² 903. –
Froschauer 2003: 242–246; Braune-Reiffenstein 2004:
§§ 163 Anm. 1. 194 Anm. 3. 210 Anm. 5.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
lat.-germ. (in PN) Mod-, -mod; as. mōd (auch
-uo-) m. ‚Sinn, Herz, Gemüt, das Innere, Seele,
Geist, Jähzorn, Wut, Mut‘, mndd. mōt (neben
moet, moyt, mout), můt (neben muyt) m. (selten
f.) ‚innere Einstellung, innere Lage des Men-
schen, Charakter, Gemüt, Seelenhaltung, Ge-
sinnung, Hochmut, (übertragen) Frische, innere
Stimmung‘; andfrk. muot (neben m[u]od-) m./
n. ‚Gemüt, Geist‘, frühmndl. moet (neben mod-,
moed, moit, mud-, mu[e]t) m. ‚Leidenschaft,
Selbstvertrauen, Stolz, Stimmung, Gemütszu-
stand, Gemüt, das Innere‘, mndl. moet (neben
muet, moed) ‚Leidenschaft, Selbstvertrauen,
Gemütszustand, Gemüt‘, nndl. moed ‚Gemüt,
Mut, Tapferkeit‘; afries. mōd m./n. ‚Sinn, Mut,
Absicht, Wunsch, Zustimmung, Erlaubnis, Be-
friedigung‘, nwestfries. moed ‚Mut, Tapferkeit,
Hoffnung, Vertrauen, Lebenslust‘, saterfries.
moud m. ‚Mut‘; ae. mōd n. ‚Mut, Gemüt, Sinn,
Geist, Stimmung, Stolz, Macht‘, me. mọ̄d (ne-
ben mode, modde, mud[e], frühme. moda)
‚Geist, Charakter, Persönlichkeit, Wunsch,
Mut, Tapferkeit, Zorn‘, ne. mood ‚Stimmung,
Laune, Gemütslage‘; aisl. móðr m. ‚aufgeregter
Sinn, Zorn‘, nisl., fär. móður, adän., ndän. mod,
nnorw. mot, norn. mud, muud, aschwed. moþ,
nschwed. mod ‚Mut‘; got. moþs* (-d-) m. oder
n. ‚Zorn‘ (das Genus steht nicht fest, da nur der
Gen./Dat.Sg. überliefert sind); langob. (in PN)
Mod-, -modus: < urgerm. *mōđa-.
Fick 3 (Germ.)⁴ 322; Tiefenbach, As. Handwb. 276 f.;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 392 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 30 f.; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 209; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 1026 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3,
125 f.; ONW s. v. muot; VMNW s. v. moet¹; Verwijs-Ver-
dam, Mndl. wb. 4, 1809 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
435; Vries, Ndls. et. wb. 448; Et. wb. Ndl. Ke-R 365 f.;
Boutkan, OFris. et. dict. 265 f.; Hofmann-Popkema,
Afries. Wb. 332 f.; Richthofen, Afries. Wb. 931; Fryske
wb. 13, 349 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 2, 173; Fort, Sater-
fries. Wb. 136; Holthausen, Ae. et. Wb. 224; Bosworth-
Toller, AS Dict. 693; Suppl. 640 f.; eMED s. v. mọ̄d n.;
Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1101; eOED
s. v. mood n.¹; Vries, Anord. et. Wb.² 391; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 655; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2,
727; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 199; Magnús-
son, Ísl. Orðsb. 629; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1,
726; Nielsen, Dansk et. ordb. 287; Ordb. o. d. danske
sprog 14, 197 ff.; Bjorvand, Våre arveord² 760 f.; Torp,
Nynorsk et. ordb. 429 f.; NOB s. v. mot; Jakobsen, Et.
dict. of the Norn lang. 2, 574 f.; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 1, 655; Svenska akad. ordb. s. v. mod subst.¹; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 365 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict.
M-77; Bruckner, Spr. d. Langob. 286. – Meyer 1926; Be-
cker 1964: 156–159; H. Beck, in Bergmann 1987: 2,
985–999; Reichert 1987–90: 2, 576 f.
Urgerm. *mōđa- hat in den anderen idg. Spra-
chen keine Entsprechungen. Die weitere Ety-
mologie bleibt daher unklar.
Sämtliche bei Pokorny 704 f. angeführten Ent-
sprechungen sind jedenfalls zu trennen: So ge-
hört gr. μαίομαι ‚taste, untersuche, erstrebe‘ zur
uridg. Verbalwz. *mes- ‚den Arm ausstrecken‘
(< *s-i̯é/ó- mit Restitution von m-; vgl. LIV²
441), die anderen Wörter, lat. mōs m. ‚die Sitte,
das Herkommen, die Gewohnheit, der Ge-
brauch, die Mode‘, lit. matýti ‚sehen‘, lett. mast
‚wahrnehmen‘, aksl. motriti ‚schauen, sehen‘,
aksl. sъ-měti ‚wagen‘, wohl sämtlich zur Ver-
balwz. uridg. *meh₁- ‚(ab-)messen‘ (vgl. LIV²
424 f.; de Vaan, Et. dict. of Lat. 390; Derksen,
Et. dict. of Balt. 307).
Auch das von Et. wb. Ndl. Ke-R 365 f. an-
geführte Wort toch. B maiyyo ‚Kraft, Stärke‘ ist
sicher nicht zugehörig, da dies eine Ableitung
von maiwe ‚jung, Jugend‘ (< *moh₁iu̯o-) mit
erst sekundärer semantischer Entwicklung von
‚jung‘ → ‚kraftvoll‘ ist (vgl. Adams, Dict. of
Toch. B² 508 f.).
Daneben wurde das Wort auf die Wz. uridg.
*meh₃- ‚Mühe bereiten, zur Last fallen‘ zu-
rückgeführt (s. muoen). Jedoch bleibt hier die
semantische Entwicklung unklar (vgl. Casa-
retto 2004: 457: „Die Semantik ist allerdings
noch klärungsbedürftig“), so dass beide Grup-
pen wohl nicht miteinander vereinbar sind.
Lühr 2000: 53 führt die germ. Gruppe dage-
gen auf eine offensichtlich abweichende Ver-
balwz. vorurgerm. *moh₃- ‚erregt sein‘ zurück,
die dann ohne weiteren Anschluss bleibt.
Walde-Pokorny 2, 238 f.; Pokorny 704 f.
RS