muozan
Band VI, Spalte 670
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muozan prät.-präs. (muoz, muost, muo-
zun, muozi, muosa [spätahd. muosta]; Inf. nicht
belegt), seit Abr in Gl. und in MF, FP, AB, BG,
O, H, M, N, Npg, DH, OG, WH: ‚etw. tun kön-
nen, etw. tun können und/oder dürfen, etw. tun
dürfen, genötigt sein, etw. zu tun, etw. tun müs-
sen; carēre [= ni muozan], contingere, fas esse,
ius esse, licēre, necesse esse, oportēre, prohi-
bēri [= ni muozan]‘ Var.: mo-, moa-, mua-;
-zz-, -t(t)-. – Mhd. müezen (md. mûzen, mô-
zen) an.v. ‚göttlich bestimmt sein, sollen, mö-
gen, können, dürfen, notwendigerweise tun,
müssen‘, nhd. müssen unreg.v. ‚einem [von au-
ßen kommenden] Zwang unterliegen, gezwun-
gen sein, etw. zu tun, zwangsläufig notwendig
sein, dass etw. Bestimmtes geschieht, aufgrund
gesellschaftlicher Normen, einer inneren Ver-
pflichtung nicht umhinkönnen, etw. zu tun, ver-
pflichtet sein, sich verpflichtet fühlen, etw. Be-
stimmtes zu tun, aufgrund bestimmter voran-
gegangener Ereignisse, aus logischer Konse-
quenz o. Ä. notwendig sein, dass etw. Bestimm-
tes geschieht‘.

Ahd. Wb. 6, 902 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 644; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 804; Schützeichel⁷ 230; Starck-Wells
426; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 470; Seebold,
ChWdW8 216; ders., ChWdW9 604; Graff 2, 905 ff.; Le-
xer 1, 2217; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 398 (oportere,
oportet); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 146 (contingere). 256
(fas). 361 (ius¹). 375 (licēre). 425 (necesse). 451 (opor-
tēre). 527 (prohibēre); Dt. Wb. 12, 2748 ff.; Kluge²¹ 496;
Kluge²⁵ s. v. müssen; Pfeifer, Et. Wb.² 902. – Klarén 1913
(zur Bed.entwicklung); H. Beckers, ABäG 5 (1973), 178;
Braune-Reiffenstein 2004: §§ 95 Anm. 1. 170 Anm. 1.
301 Anm. 5. 306 Anm. 5. 307 Anm. 1. 376.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
mōtan (mōt, mōtun, mōsta; Inf. nicht belegt)
‚dürfen, Erlaubnis haben, können, in der Lage
sein, vermögen, müssen, wollen‘ (Gallée 1993:
§ 421), mndd. mȫten (neben moeten) ‚müssen,
gezwungen sein/werden, dürfen, berechtigt
sein, Erlaubnis haben, können, die Freiheit ha-
ben, mögen‘ (Lasch [1914] 1974: § 445); andfrk.
muotan (muoz, muzen, muoste; Inf. nicht be-
legt) ‚können, die Möglichkeit / Gelegenheit ha-
ben, mögen, müssen‘, frühmndl. moeten (ne-
ben moten) (moet, moete, moeste) ‚müssen,
mögen, verlangen, wollen, sollen‘, mndl. moe-
ten (neben moten, mueten) ‚müssen, mögen,
sollen, können‘ (Franck 1910: § 162), nndl. moe-
ten ‚verpflichtet sein, müssen‘; afries. mōta,
motta (mōt, mōten, mōste; Inf. nicht belegt)
‚dürfen, sollen, können, mögen (in Wünschen,
Aufforderungen), müssen‘ (Helten 1890: § 307ζ;
Steller 1928: § 104), nwestfries. moatte, matte
‚müssen, verpflichtet sein, notwendig sein‘, sa-
terfries. moute ‚müssen‘; ae. mōtan (mōt, mō-
ton, mōsta; Inf. nicht belegt) ‚dürfen, kön-
nen, müssen‘ (Brunner 1965: § 424), me. mōten
‚dürfen, müssen, gezwungen sein‘, ne. (veralt.)
mote, must ‚müssen‘; got. -motan (nur in ga-
motan ‚Raum finden, Erlaubnis haben, dür-
fen‘; belegt sind lediglich 3.sg.ind.präs. ga-
mot, 1.pl.opt.präs. gamoteima, 3.pl.ind.prät. ga-
mostedun) (Braune-Heidermanns 2004: § 202):
< urgerm. prät.-präs. VI *mōt, *mōtum, (prät.)
mōstōn.

Fick 3 (Germ.)⁴ 323; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 372;
Seebold, Germ. st. Verben 354; Tiefenbach, As. Handwb.
280; Sehrt, Wb. z. Hel.² 396 ff.; Berr, Et. Gl. to Hel.
287 f.; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 209; Lasch-Borch-
ling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1028 f.; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 3, 126 f.; ONW s. v. muotan; VMNW s. v.
moeten; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 1825 ff.; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 437; Vries, Ndls. et. wb. 450; Et. wb.
Ndl. Ke-R 369; Boutkan, OFris. et. dict. 271; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 339; Richthofen, Afries. Wb. 937;
Fryske wb. 13, 341 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 2, 148. 172;
Fort, Saterfries. Wb. 136; Holthausen, Ae. et. Wb. 226;
Bosworth-Toller, AS Dict. 699; Suppl. 642; eMED s. v.
mọ̄ten v.²; Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2,
1007. 1018; eOED s. vv. mote v.¹, must v.¹; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 193; Lehmann, Gothic Et. Dict. G-45.

Urgerm. *mōt hat eine nicht ganz klare Etym.
Üblicherweise wird es, obwohl die „seman-
tische Entwicklung im Einzelnen unklar“ sei
(LIV² 423), als sekundäres Perf. *me-mōd- zum
Präs. *mḗd-/méd- zur Verbalwz. uridg. *med-
‚messen, für Einhaltung sorgen, sich kümmern‘
gestellt (s. mezzan). Die Grundbedeutung müss-
te im Germ. dann ‚frei zugemessener Besitz an
Raum‘ sein; eine solche ist jedoch nicht er-
weisbar.
Näher an der Bed. ‚Raum finden‘, die im Got.
erscheint, sind in den anderen idg. Sprachen
Wörter vorhanden, deren Bed. auf ‚den Raum
behaupten‘ zurückgeführt werden können, und
zwar heth. mat- ‚aushalten, ertragen, wagen‘
und arm. matčˁim ‚trete heran, trete herzu, nä-
here mich‘ (< vorurarm. *mh₃d-eh₁-se/o-). An-
ders Kloekhorst, Et. dict. of Hitt. 567, der dieses
Verb von den anderen trennt und es auf uridg.
*móh₃dh-s- zurückführt und zu der Gruppe um
ahd. muot (s. d.) stellt; jedoch ist dessen Etym.
unklar und eine Wz. *meh₃dh- lässt sich für
muot nicht wahrscheinlich machen.
Diese Formen weisen sämtlich auf eine Wz.
uridg. *meh₃d- (wohl besser als uridg. *mad-)
‚den Raum behaupten‘. Urgerm. *mōt würde
dann mit Verlust der Reduplikationssilbe das
Perf. uridg. *me-móh₃d- ‚habe den Raum be-
hauptet, habe Stand gefasst‘ fortsetzen (vgl. da-
zu Lühr 1982: 692 Anm. 2; dies. 2000: 126).

Walde-Pokorny 2, 260; Pokorny 706; LIV² 423; Mar-
tirosyan, Et. dict. of Arm. 451 f. 723 f.; Kronasser, Etym.
d. heth. Spr. 393; Tischler, Heth. et. Gl. 2, 163 f.; Kloek-
horst, Et. dict. of Hitt. 566 f.; CHD L-N 213 f. – Klin-
genschmitt 1982: 70 f. 77 f.

RS

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