nacho
Band VI, Spalte 766
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nacho m. n-St., seit dem 12. Jh. in Gl.,
vorwiegend im SH: ‚Nachen, Kahn, Boot; am-
nica, amnica navis, caudica, litatoria [= li-
toraria] caudex, trabariaVar.: -ck-. Die
Lautfolge -ch- ist Ergebnis der westgerm. Kon-
sonantengemination vor -w- (s. u.). – Mhd. sel-
ten nache sw.m. ‚Nachen‘, frühnhd. nache(n)
m. ‚dss.‘, nhd. Nachen (poetisch) m. ‚Kahn,
kleines Boot‘, nhd. mdartl. mit Aphärese des
anl. Nasals, die durch Verbindungen mit einem
vorangehenden Akk. auf -n oder dem unbe-
stimmten Artikel (wie den Nachen, ein Nachen)
verursacht ist: els., bad. ache, schwab., pfälz.
achen ‚kleines Boot‘ (neben häufigerem na-
chen), lothr. achen, westf. achen, āken m. ‚Na-
chen‘.

Ahd. Wb. 6, 1002; Splett, Ahd. Wb. 1, 1227; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 811; Schützeichel⁷ 232; Starck-Wells
430; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 14; Graff 2,
1014 f.; Lexer 2, 26; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 31 (am-
nicae [naves]). 590 (trabaria); Dt. Wb. 13, 44 f.; Kluge²¹
499; Kluge²⁵ s. v. Nachen; Pfeifer, Et. Wb.² 906. – Wil-
manns [1906–30] 1967: 2, § 183, 3. – Martin-Lienhart,
Wb. d. els. Mdaa. 1, 11; Ochs, Bad. Wb. 1, 21; 4, 4; Fi-
scher, Schwäb. Wb. 4, 1879; Follmann, Wb. d. dt.-lothr.
Mdaa. 1, 3; Christmann, Pfälz. Wb. 5, 8; Woeste, Wb. d.
westf. Mda. 1.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
nako m. n-St. ‚Schiff‘, mndd. āke m. ‚Nachen‘;
mndl. āke ‚Lastschiff‘, nndl. aak ‚großes Las-
tenschiff, das einen flachen Boden hat‘; nwest-
fries. aak ‚seetüchtiges Fischerboot‘; ae. naca
m. ‚Nachen, Boot, Schiff‘; aisl. nǫkkvi m.
‚Schiff‘, nisl. nökkvi ‚Lastenschiff‘, fär. nokki
m. ‚kleines Boot‘: < urgerm. *nak-an- m. ‚fla-
ches Schiff‘. Die mndd. und mndl. Entspre-
chungen zeigen den oft bezeugten Schwund des
anl. n- wegen eines vorhergehenden auf Nasal
ausl. Pron. (z. B. ēn) (Lasch [1914] 1974: § 270;
Vries, Ndls. et. wb. 1).

Kroonen, Et. dict. of Pgm. 382; Tiefenbach, As. Handwb.
285; Sehrt, Wb. z. Hel.² 403; Berr, Et. Gl. to Hel. 293;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 1, 1, 48; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. 1, 46; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 1;
Suppl. 1; Vries, Ndls. et. wb. 1; Et. wb. Ndl. A-E 66; Fry-
ske wb. 1, 8 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 1, 13; Holthausen,
Ae. et. Wb. 229; Bosworth-Toller, AS Dict. 706; Vries,
Anord. et. Wb.² 414; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 697; Fritz-
ner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 857; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 213; Bjorvand, Våre arveord 645;
Bjorvand, Våre arveord² 786; Magnússon, Ísl. Orðsb.
681.

Ausgehend von dem nur bei Monachus Altisio-
dorensis 96 (um 900) bezeugten andfrk. naca
‚Schiff, Boot‘ ist das Wort in das Mlat. als na-
ca f. entlehnt worden und besteht dort auch
als Dimin. nacella f. ‚kleines Schiffchen‘ fort.
Auch das Gallorom. hat das Subst. aus dem
Germ. übernommen: Ae. naca erscheint in den
nordfrz. Dialekten Saintongeais und Poitevin
als accon ‚flacher Kahn‘ mit Diminutivsuf-
fix -on und Abfall des anl. n-, wieder hervor-
gerufen durch das ausl. -n des Artikels (vgl. frz.
naufrage neben dial. aufrage ‚Schiffbruch‘).
Frz. naccon ‚Nachen‘ (Fribourg, 1585) ist hin-
gegen aus frühnhd. nachen entlehnt. Entleh-
nungsbasis für nfrz. aque m. ‚flacher Kahn‘
(1705) ist schließlich nndl. aak (s.o.).
Der Anschluss von ai. nága- m. ‚Berg, Baum‘
an urgerm. *nak-an- ist aus semantischen
Gründen abzulehnen: Im Ai. wäre von einer
Metonymie ‚Baum‘ zu ‚Ort, auf dem Bäume
wachsen‘ und im Germ. von einer Entwicklung
‚Baum‘ > ‚Einbaum‘ > ‚Nachen‘ auszugehen.
Doch bliebe eine solche Bedeutungsentwick-
lung ohne Parallelen. Auch ist eine ursprüng-
liche Bedeutung ‚Einbaum‘ im Germ. auf-
grund der Realien unwahrscheinlich, da Na-
chen, anders als die Schiffsart Einbaum, nicht
aus einem Stück gefertigt waren.

Ai. nága- ist eher als -ga- ‚nicht gehend‘ zu seg-
mentieren. Vergleichbar ist ai. sthāvará- ‚unbeweglich‘,
das zunächst auf Pflanzen und Bäume bezogen war und
dann substantiviert den ‚Berg‘ bezeichnete.

Der urgerm. Labiovelar k des Subst. *nak-
an- könnte durch Verschärfung vor folgendem
aus ererbtem h₂ entstanden sein; zur La-
ryngalverschärfung vor vgl. W. P. Lehmann,
in Winter 1965: 216. Demnach ließe sich ur-
germ. *nak-an- an die Wortsippe von uridg.
*neh₂- f. ‚Schiff, Boot‘ anschließen und würde
dessen thematischen St. uridg. *neh₂--ó- mit
der im Germ. üblichen Erweiterung zum n-St.
fortsetzen; zur fehlenden Wirkung der Lex Dy-
bo vgl. Neri 2011: 195–200. Uridg. *neh₂-
-o- wäre außerdem in dem HG des PN gr.
Κλυτό-νηος und des PN gr. myk. o-ku-na-wo
/ōkú-os/ belegt. Gegen die Annahme ei-
ner Laryngalverschärfung sprechen insbeson-
dere aisl. nór m. ‚Schiff‘ und ae. nōwend
m. ‚Schiffer‘ (Umbildung des Stammausgangs
nach rōwend m. ‚Ruderer‘): Sie setzen eine
Vorform urgerm. *--a- (< *néh₂--o-) ohne
Laryngalverschärfung voraus. Sichere Belege
für das Wirken der Laryngalverschärfung im
Germ. fehlen.

Denkbar wäre, dass Laryngalverschärfung nur unter
bestimmten Akzentbedingungen eintrat, die jedoch an-
hand des germ. Materials nicht mehr ersichtlich sind.
Der dem thematischen Subst. uridg. *neh₂--o- zugrunde
liegende f. u-St. *neh₂-u- ist in den meisten idg. Spra-
chen fortgesetzt: ai. náu- f. ‚Boot, Schiff‘, jav. nav-āza-
m. ‚Schiffer‘, gr. ep. νηῦς f. ‚Schiff, Boot‘, lat. nāvis f.
‚Schiff, Boot‘ (mit Verallgemeinerung des St. nāv- aus
dem Akk.Sg. und dem bei kons. St. üblichen Übergang
zu den i-St.), arm. naw a-/o-St. ‚Schiff, Boot, Navigation,
Trireme‘ (entlehnt ins Georg. als navi ‚Schiff‘), air. nau
f. ‚Schiff, Boot‘. Die in diesen u-St. bezeugte Wz. uridg.
*(s)neh₂- ‚baden, schwimmen‘ ist in der Indogermania
auch verbal fortgesetzt: ai. snti ‚badet‘, jav. snā- ‚wa-
schen, durch Spülen reinigen‘, gr. νήχω ‚schwimme‘ (mit
sekundärem χ; vgl. gr. τρύχω neben τρύω ‚reibe auf‘),
lat. nāre ‚schwimmen‘, mir. snaid ‚schwimmt, durch-
schwimmt‘, toch. B nāskeṃ ‚baden, sich waschen‘
(se/o-Präs.).

Sofern die Laryngalverschärfung nicht wirk-
te und somit eine Verbindung mit der Wz.
uridg. *neh₂- lautlich unmöglich würde, bleibt
das germ. Subst. ohne außergerm. Entsprechun-
gen.

Walde-Pokorny 2, 340; Pokorny 2, 770; LIV² 572 f.; NIL
515 ff.; Mayrhofer, KEWA 2, 125 f. 181; 3, 532 f.; ders.,
EWAia 2, 5. 59. 769 f.; Bartholomae, Airan. Wb.² 1047.
1628; Horn, Grdr. d. npers. Et. 229; Frisk, Gr. et. Wb. 1,
293. 310 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 709 f. 720 f.; Bee-
kes, Et. dict. of Gr. 2, 999. 1012 f.; Aura Jorro-Adrados
1985 ff.: 2, 23; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 148 f.
172; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 431 f. 442 f.; de Vaan,
Et. dict. of Lat. 402 f. 411; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
6482; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 5863; Wartburg,
Frz. et. Wb. 16, 592; Hübschmann, Arm. Gr. 201; Mar-
tirosyan, Et. dict. of Arm. 500 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴ 189;
Holder, Acelt. Spr. 2, 693; Matasović, Et. dict. of Proto-
Celt. 285. 348; Schumacher, Kelt. Primärverb. 596; Hes-
sens Ir. Lex. 2, 146; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc.
S-145; Dict. of Irish N-51 f. 293 f.; Dict. of Welsh 3, 2592;
Deshayes, Dict. ét. du bret. 536; Kronasser, Etym. d.
heth. Spr. 145; Tischler, Heth. et. Gl. 2, 142; Kloekhorst,
Et. dict. of Hitt. 720 f.; CHD Š-162 f.; Windekens, Lex.
ét. tokh. 73. 74; Adams, Dict. of Toch. B² 354.

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