naffezzen
Band VI, Spalte 744
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naffezzen sw.v. I, seit Ende des 8./An-
fang des 9. Jh.s in Gl., im T, in Nps: ‚schläfrig
werden, dösen, einschlafen, schlafen, schlum-
mern; conivēre, dormire, dormitare‘, substan-
tiviert ‚Schläfrigkeit; dormitatioVar.: hn-;
-ez-, -azz-, -iz-, -ic-. In hnaffezen in Gl. 2,223,
49 (noch vor Mitte des 9. Jh.s, bair.) ist anl.
hn- bewahrt (vgl. Braune-Reiffenstein 2004:
§ 153 Anm. 1). – Mhd. nafzen, naffatzen sw.v.
‚schlummern‘, frühnhd. nafzen sw.v. ‚ein we-
nig schlummern‘, nhd. mdartl. schweiz. napfzen
sw.v. ‚einschlummern, schläfrig tun‘, schwäb.
naffzen sw.v. ‚schlafen, schlummern, schnar-
chen, stöhnen, ächzen‘, vorarlb. näpfen sw.v.
‚einschlafen, schlummern‘, bair. naffezen sw.v.
‚einschlummern‘, kärnt. nàpf‧n sw.v. ‚einni-
cken, schlummern‘, tirol. napfezen ‚dss.‘, kon-
trahiert thür. nätzen ‚leicht schlummern, du-
seln‘; vgl. bad. nappen sw.v. ‚einnicken, ein-
schlafen‘, siebenbürg.-sächs. nap(s)en sw.v.
‚ein Nickerchen machen‘, rhein. nuppen sw.v.
‚sitzend einschlummern‘, nuppsen sw.v. ‚ni-
ckend schlummern‘, osächs. nappen, nuppen
sw.v. ‚nicken‘.

Ahd. Wb. 6, 1060; Splett, Ahd. Wb. 1, 658; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 809; Schützeichel⁷ 232; Starck-Wells 429;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 8 f.; Bergmann-Stri-
cker, Katalog Nr. 652; Seebold, ChWdW8 219. 502;
ders., ChWdW9 613; Graff 2, 1053; Lexer 2, 15; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 190 (dormitare); Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 212 (dormitare); Dt. Wb. 13, 350; Kluge²¹ 501;
Kluge²⁵ s. v. nafzen. – Schweiz. Id. 4, 776; Ochs, Bad.
Wb. 4, 29; Fischer, Schwäb. Wb. 4, 1924; 6, 2 Nachtr.
2656; Jutz, Vorarlberg. Wb. 2, 516; Schmeller, Bayer.
Wb.² 1, 1729; Lexer, Kärnt. Wb. 196; Schöpf, Tirol. Id.
461; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 2, 445; Müller, Rhein.
Wb. 6, 281. 282; Spangenberg, Thür. Wb. 4, 838; Frings-
Große, Wb. d. obersächs. Mdaa. 3, 284. 311; Schullerus,
Siebenbürg.-sächs. Wb. 8, 59.

Bei dem ahd. Wort zeigt sich die übliche un-
gleiche Verteilung des Suffixes *-ata- (vgl.
Riecke 1996: 213): Lediglich im Ahd. ist das
Verb mit diesem Suffix bezeugt. Daneben er-
scheint die verbale Ableitungsbasis in mhd.
napfen sw.v. ‚schlafen, schläfrig sein‘ und nhd.
schwäb., kärnt. napfen ‚dss.‘. Diesen Verben
entsprechen genau ae. hnappian sw.v. ‚schlum-
mern, schlafen, dösen‘, me. nappen ‚dss.‘ und
ne. nap ‚dss.‘. Die ne. Wendung take a nap ‚ein
Schläfchen machen‘ war außerdem Ausgangs-
punkt für die Lehnprägung nnorw. dial. tage en
nap ‚ein Schläfchen machen‘. Die westgerm.
sw. Verben setzen urgerm. *χnapp-ō-e/a- fort,
eine Intensiv-Iterativ-Bildung mit expressiver
Geminata zu einer Wz. urgerm. *χnep-. Die
Iterativität der Handlung zeigt sich in den Be-
deutungen ‚schläfrig sein, dösen, schlummern‘,
die ein immer wieder kurzes Einschlafen be-
zeichnen (zur Semantik und Entstehungsweise
dieses Bildetyps vgl. Lühr 1988: 347–350).
Urgerm. *χnapp-ō-e/a- ist auch in ält. ndän.
nappe ‚kneifen, klemmen‘, nnorw. nappe ‚er-
greifen, zwingen‘ und nschwed. nappa ‚klem-
men, schlagen‘ fortgesetzt; zur Bed.entwick-
lung s. u. Bei dem erst seit dem 16. Jh. belegten
Verb ne. nap ‚greifen, packen, erhalten‘ handelt
es sich wahrscheinlich um ein Lehnwort aus
dem Nnorw. (eOED s. v. nap³). Auch bei dieser
Wortsippe liegt das übliche Nebeneinander von
ō-a-Bildung und sw. a-Verb vor, wie es bei-
spielsweise bei ahd. stapfôn sw.v. II ‚stapfen,
vorgehen‘ neben stepfen sw.v. I ‚treten, be-
treten‘ der Fall ist (Lühr 1988: 359 f.): So setzen
aisl., nisl. hneppa sw.v. ‚klemmen, zwingen‘,
nnorw. dial. neppa ‚einklemmen, kneifen, fal-
ten‘ und ae. hnæppan sw.v. ‚schlagen‘ ein sw.v.
urgerm. *χnapp-e/a- ‚klemmen, kneifen‘ fort,
das wie auch urgerm. *χnapp-ō-e/a- eine ex-
pressive Geminata hat. In semantischer Hin-
sicht ist von einer Entwicklung von ‚zusam-
menkneifen‘ > ‚die Augen zusammenkneifen,
schlafen‘ auszugehen; vgl. lat. cōnīveo ‚schlie-
ße, drücke, drücke die Augen zu, schlafe‘.
Mhd. nipfen sw.v. ‚einschlafen‘ und mndd. nip-
pen ‚die Augen schließen‘ schließen sich hin-
gegen an das Verb urgerm. *χnip-e/a- ‚zusam-
menkneifen, drücken‘ unter Annahme einer Be-
deutungsspezialisierung von ‚zusammenknei-
fen‘ > ‚die Augen zusammenkneifen, schlafen‘
(zur Semantik s. o.) an. Eine Verbindung mit
der oben genannten Wortsippe würde wegen
der in mhd. nipfen und mndd. nippen belegten
e-Stufe der Wz. eine denominale faktitive Ab-
leitung von einem nicht mehr bezeugten Subst.
voraussetzen, da es sich hierbei nicht um das
oben genannte Nebeneinander der ō-a-Bil-
dung und einem sw. a-Verb handelt: urgerm.
*χnep-e/a- sw.v. neben dem Subst. *χnep-a-.
Dann wäre aber die Intensiv-Iterativ-Bildung
me. nippen ‚kneifen, packen‘ (ne. nip ‚dss.‘)
von dem mhd. und mndd. Verb der Bed. ‚die
Augen schließen‘ zu trennen, da sich das me.
Verb wegen seiner Bed. deutlich als deverbale
Intensiv-Iterativ-Bildung zu dem in mndl. ni-
pen st.v. ‚kneifen, packen, greifen‘ und nndl.
nijpen st.v. ‚dss.‘ fortgesetzten st. Verb urgerm.
*χnip-e/a- ‚kneifen, drücken‘ stellt (mit Län-
gung des kurzen Vokals in offener betonter Sil-
be im Mndl.). Doch ist das dann für mhd. nipfen
sw.v. ‚einschlafen‘ und mndd. nippen ‚die Au-
gen schließen‘ vorausgesetzte Subst. *χnep-a-
im Germ. nicht bezeugt.

Schwierig ist der Anschluss von ae. hnipian sw.v. I ‚ni-
cken, den Kopf beugen‘ (mit Übergang von den sw.v. I
zu II; vgl. Brunner 1965: § 411 Anm. 7) und aisl. hnípa
sw.v. ‚den Kopf hängen lassen, beugen‘. Das Part.Prät.
aisl. hnipinn ‚missmutig, biegsam‘ deutet auf ein ehe-
mals st. Verb hnípa; zum Übergang von st. Verben zu
den sw. vgl. Noreen [1904] 1978: § 473 Anm. Auch weist
die fehlende Konsonantengemination von ae. hnipian
auf ein st. Verb ae. *hnīpan, das, wie beispielsweise das
st. Verb hnīgan ‚biegen, krümmen‘ für ae. hnigian
‚beugen, biegen‘, die Ableitungsbasis ist. Wahrschein-
lich beruhen sowohl das ae. als auch das aisl. Verb
auf einem Verb mit ursprünglichem Diphthong urgerm.
*χnep-e/a-. Das Verb urgerm. *χnep-e/a- kann auf-
grund des e nicht mit der Wortsippe von urgerm.
*χnapp-ō-e/a- in Verbindung gebracht werden.

Zu den innergerm. s-mobile Varianten dieser
Wz. vgl. snopfizzen ‚schluchzen‘ (s. d.).

Seebold, Germ. st. Verben 266 f.; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 1104; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 2452;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 459; Vries, Ndls. et. wb. 472;
Et. wb. Ndl. Ke-R 425; Holthausen, Ae. et. Wb. 166; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 546 f.; Suppl. 555; eMED s. v. nap-
pen v.; Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1027.
1049; eOED s. v. nap v.¹; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 214;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 121; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1, 754; Torp, Nynorsk et. ordb. 449;
NOB s. v. neppa; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1, 510; Sven-
ska akad. ordb. s. v. nappa. – Richter 1909: 135 ff.; Wiss-
mann 1932: 183; Riecke 1996: 230.

Die Wz. urgerm. *χnep- ‚zusammenkneifen‘
setzt eine Vorform vorurgerm. *kneb- ‚zusam-
menkneifen‘ voraus, die keine Entsprechung
außerhalb des Germ. hat (zu lautsymbolischen
*kn-Formen im Germ. vgl. Krahe-Meid 1969:
3, § 9; Lühr 1988: 88 f.).

Walde-Pokorny 1, 492; Pokorny 561.

S. snopfizzen.

LS

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