nasteid
Band VI, Spalte 832
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nasteid m. a-St., LAl und Nrh: ‚eidliche
Beteuerung der Ehefrau, dass ihr Anspruch auf
die Morgengabe begründet ist‘, eigtl. ‚Zopfeid,
Nesteleid‘ Var.: nahist-; -eit. Im Falle der
Nichtgewährung der Morgengabe konnte die
Frau ihren Anspruch auf die Morgengabe durch
den Eid auf Zopf und Brust erhärten und
durchsetzen (vgl. HRG 3, 860). – Nhd. Nest n.
‚Haartracht, bei der das zusammengeschlunge-
ne, geflochtene Haar auf dem Kopf aufgesteckt
ist‘. Das Wort ist im Vokalismus von Nestel (s.
nestila) beeinflusst und mit Nest in der Bed.
‚Vogelnest‘ (s. nest¹) homonym geworden.

Die Morgengabe war i.d.R. bei der Heirat ein Geschenk
des Mannes an die Frau, das beim Tod des Mannes nicht
in den Nachlass einging und damit zum wesentlichen
Bestandteil der Witwenversorgung wurde (vgl. DRW 9,
892). Auch bei Trennung der Ehe konnte die Frau die
Morgengabe einfordern.

Ahd. Wb. 6, 1069 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 659; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 815; Schützeichel⁷ 234; Seebold, ChWdW8
219. 366; Graff 1, 152; Dt. Wb. 13, 625 f.; Kluge²⁵ s. v.
Nestel. – DRW 9, 1375; HRG 3, 860–862.

Die in dem KVG ahd. nast- bezeugte nicht
umgelautete Wurzel wird außerdem von dem
sw. Verb urgerm. *nast-ie/a- (~ mhd. nesten
‚festbinden, schnüren‘, ae. nestan sw.v. ‚spin-
nen‘, aisl. nesta ‚festbinden, festnageln‘, ndän.
neste ‚befestigen‘, nnorw. nesta ‚befestigen‘,
nschwed. nästa ‚befestigen‘) und dem nur ein-
mal belegten agutn. nast akk.sg. ‚Heftnadel‘
fortgesetzt.

Aufgrund der Beleglage ist sowohl für das ahd. KVG
als auch für das agutn. Subst. eine Vorform urgerm.
*nasta- m./n. oder *nastō- f. denkbar (vgl. Hill 2003:
204). Das denominale sw. Verb urgerm. *nast-ie/a-
spricht jedoch gegen den Ansatz eines *nastō- f.

Zu dem sw. Verb stellt sich im Nordgerm. noch
die deverbale ō-Ableitung urnord. *nest-ō
f. ‚Spange, Nestel‘ (vgl. Krahe-Meid 1969: 3,
§ 74, 2): aisl. nest, nesta f. ‚Nadel, Spange‘,
nnorw. neste m. ‚Spange, Haken‘, nest m. ‚lose
Naht‘ (mit sekundärem m. Genus). Das finn.
Lehnwort nasta ‚Reißzwecke, Gürtelschlaufe,
Stift‘ ist entweder dem im Agutn. nicht um-
gelauteten Subst. nast (frühan. *nast-a-) ent-
nommen oder stammt aus frühan. *nast-ō- vor
dem Eintreten des i-Umlauts (Kylstra, Lehn-
wörter 2, 293). Neben urgerm. *nast- steht mit
aisl. nist(i) n. ‚Heftnadel‘, nisl. nisti n. ‚Schei-
benfibel‘ und dem davon abgeleiteten Verb
aisl., nisl. nista sw.v. ‚zusammenheften‘ der
e-stufige St. urgerm. *nest-ia- n. ‚Heftnadel,
Spange‘ (mit i-Umlaut an. *nist-ia-).
Zu den schwundstufigen Fortsetzern der Wz.
(urgerm. *nust- mit Metathese aus **unst-) s.
nusta, nuska.

Fick 3 (Germ.)⁴ 296 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 234; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 716; Vries, Anord. et. Wb.² 408.
410; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 690 f.; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog 2, 815. 824; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 209. 210; Magnússon, Ísl. Orðsb. 665. 669;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 763; Nielsen, Dansk et.
ordb. 307; Ordb. o. d. danske sprog 15, 192 f.; Torp, Ny-
norsk et. ordb. 456; NOB s. vv. nest, nesta; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 1, 719; Svenska akad. ordb. s. v. nästa;
Kylstra, Lehnwörter 2, 293.

Der St. urgerm. *nast- setzt eine -Bildung
vorurgerm. *Hno-s-- (< *Hnodh-s-- ‚gebun-
den‘) fort. Urgerm. *nest-ia- geht dagegen auf
eine vorurgerm. Abstraktbildung *Hnedh-tio-
zurück. Daneben ist zu der Wurzel uridg.
*Hnedh- ‚binden‘ eine uridg. se/o-Bildung
*Hdh-sé/ó- indirekt in dem Subst. ahd. nu-
ska f. ‚Schnalle, Spange‘ belegt. Entgegen LIV²
227 schließen sich die kelt. Verben air. -naisc,
-nascat ‚binden, befestigen‘ und mbret. naska
‚binden‘ (< urkelt. *nad-ske/o-) nicht an diesen
Verbalst. an, sondern führen wegen des Voka-
lismus die Wz. uridg. *neHd- fort (s. nezzi; so
im LIV² addenda s. v. Hnedh-).

Die Lautfolge urgerm. *nast- könnte auch auf die vor-
urgerm. -Bildung vorurgerm. *noH-s-- (aus älte-
rem *noHd-s-- ‚gebunden‘ zur Wz. uridg. *neHd-) mit
Schwund des Laryngals nach der erweiterten Wetterre-
gel (*VHCC > *VCC; vgl. Neri 2011: 277 Anm. 170)
zurückgehen und so mit der Wortsippe von urgerm.
*nat-a- ‚Netz‘ verbunden werden (s. nezzi).

Uridg. *Hnedh- ‚binden‘ erscheint sonst nur in
dem ai. Verbaladj. -naddha- ‚gebunden‘ (zur
Kontamination mit der Wz. uridg. *Hneĝh- s.
nechala).

Walde-Pokorny 2, 328 f.; Pokorny 758 f.; LIV² 227; Mayr-
hofer, KEWA 2, 147 f.; ders., EWAia 2, 31 f.

S. eid.

MK/LS

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