naz adj., in Gl. 1,553,25 (Ende des 8./
Anfang des 9. Jh.s), in der Sam (1,127,37) und
weiteren Gl., in NBo und NMC: ‚nass, feucht,
flüssig, triefend; infusus, irriguus, liquens, li-
quidum (subst.), liquidus, madidus, rorans, ro-
scidus, udus, umectus, umens, umerosus, umi-
dus [= humidus], uvidus‘, subst. nazzaz ‚Feuch-
tigkeit, Nass; umidum [= humidum]‘ 〈Var.: -zz-,
-z-, -sc〉. – Mhd. naz, -zzes adj. ‚nass, durch-
nässt‘, phras. naz bichen ‚sich vergeblich be-
mühen‘, frühnhd. nass adj. ‚nass, feucht‘, über-
tr. ‚(durch vieles Zechen) liederlich, ohne Geld‘,
nasser knabe ‚Trunkenbold‘, nhd. nass adj.
‚von Feuchtigkeit durchtränkt, verregnet‘, ugs.
in für nass ‚umsonst, ohne Eintrittsgeld‘.
Ahd. Wb. 6, 1084 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 660; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 816; Schützeichel⁷ 234; Starck-Wells
433; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 39 f.; Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 296 (II); Seebold, ChWdW8 219.
502; ders., ChWdW9 614. 1096; Graff 2, 1114; Lexer 2,
42 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 281 (humidus). 309 (ir-
riguus). 342 (madidus). 608 (udus); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 377 (s. v. liquidus). 685 (umidus); Dt. Wb. 13, 421 ff.;
Kluge²¹ 504; Kluge²⁵ s. v. nass; Pfeifer, Et. Wb.² 912. –
Friedrich 2006: 310. – Götze [1930] 1971: 165; Röhrich
2003: 2, 1084 f.
Das ahd. Adj. hat nur im Westgerm. direkte
Entsprechungen: mndd. nat ‚nass, durchfeuch-
tet‘; andfrk. nat ‚nass, feucht‘, frühmndl., mndl.
nat ‚nass, feucht, durchweicht‘, nndl. nat ‚dss.‘:
< urgerm. *nat-a-. Außerhalb des Westgerm.
erscheint das Adj. in dem FlussN als sekundärer
u-St. aisl. Nǫt f. und in dem deadj. Subst.
nschwed. nata ‚Nässe‘. Das nschwed. Subst.
liegt auch den schwed. Seenamen Nätaren und
Nätterhövden zugrunde (A. Lindqvist, FS Hei-
nertz 1956: 69). Aus dem Idg. ererbt (s. u.) ist
die i̯ā-Bildung zu der Wz. urgerm. *nat-i̯ā-, die
in dem FlussN ndd. Nette und nhd. Netze
fortgesetzt ist (vgl. Krahe, BNF 7 [1956], 1). Zu
den verbalen Bildungen s. u. nezzen.
Das Subst. ahd. nezzî ‚Nässe‘ (s. d.) ist im Gegensatz zu
dem FlussN Netze nicht aus dem Idg. ererbt, sondern geht
auf eine sekundäre Ableitung im Ahd. zurück, wie bei-
spielsweise ahd. hôhî ‚Höhe‘ zu hôh ‚hoch‘ (vgl. Krahe,
BNF 7 [1956], 1 Fn. 1.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 291; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 384;
Heidermanns, Et. Wb. d. germ. Primäradj. 422; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1070; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 3, 161; ONW s. v. nat; VMNW s. v. nat; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 2191 ff.; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 452 f.; Vries, Ndls. et. wb. 464; Et. wb. Ndl. Ke-
R 406; Faltings, Et. Wb. d. fries. Adj. 408 f.; Vries, Anord.
et. Wb.² 415; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 493; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 271; Magnússon, Ísl. Orðsb. 681;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1, 512; Svenska akad. ordb.
s. v. nate. – W. P. Schmid, RGA² [E] 1, 161; Udolph
1990: 245 f.
Dem urgerm. Adj. *nat-a- entspricht direkt
kymr. nodd m./n. ‚Feuchtigkeit‘, substantiviert
aus einem urkelt. Adj. *nod-o-. Die Wörter
sind Fortsetzer einer Verbalwurzel uridg. *ned-
‚rauschen, dröhnen‘ (mit metonymischer Be-
deutungsentwicklung), die verbal direkt von ai.
nad- ‚dröhnen, brüllen, schreien, rauschen‘ und
dem Part. gav. nadaṇt- ‚schreiend, prahlend‘
fortgeführt ist (zu dem gav. Beleg vgl. KS Hoff-
mann 1975/76: 1, 270). Urgerm. *nat-i̯ā- ent-
spricht genau dem ai. Subst. nad- f. ‚Fluss‘ und
dem Adv. jav. anaiδīm ‚quer über den Strom‘
(haplologisch aus *ana-naiδīm). Die Wz. ist
außerdem in dem gr. FlussN Νέδα f. ‚Gebirgs-
bach in Arkadien‘, Νέδων m. ‚Fluss- und Orts-
name in Messenien‘ (~ gr. myk. ne-do-wo-te
Lok.Sg.m. ‚in Nedōn‘ oder als FlussN ‚im
Nedōn‘ [vgl. Th. Steer, Sprache 50 [2012/13],
142) und gr. myk. ne-da-wa-ta /Nedu̯tās/ m.
‚Einwohner von Nedwa‘ belegt. Die gr. Namen
setzen eine Adjektivbildung mit Suffix *-u̯o-
vorurgr. *ned-u̯o- ‚rauschend, nass‘ voraus. Die
so vorausgesetzte Wz. *ned- erscheint auch in
dem thrak. FlussN Νέστος (vgl. H. Krahe, IF
58 [1942], 209 ff.; Th. Steer, a. a. O. 144). Die
thrak. Herkunft des FlussN ergibt sich dabei
wohl aus der Verehrung des Flusses Νέδα als
männlichen Flussgott (A. Mayer, FS Boisacq
1938: 2, 134).
Fraglich ist die Verbindung mit den Subst. heth. nāta-
c. ‚Rohr, Pfeil, Trinkhalm‘, ai. nadá- m. ‚Schilfrohr‘ und
arm. net ‚Pfeil‘: Wegen der Ausgangsbed. ‚Rohr‘ der äl-
testen Belege wäre bereits für das uridg. *nód-o- eine
Grundbedeutung ‚Rohr‘ anzusetzen, die sich im Idg. aus
‚Rauscher‘ entwickelt haben müsste. In dem Fall wäre
jedoch die Grundbedeutung ‚Flöte‘ und nicht ‚Rohr‘ an-
zusetzen, die erst im späteren Ai. erscheint.
Verfehlt ist der Vorschlag von E. P. Hamp, NOWELE 3
(1984), 49–51, nach dem die vorliegende Wortsippe zu
der Wz. uridg. *u̯ed- ‚quellen‘ gehört: Das Nasalinfix-
präsens uridg. *u-né-d-/*u-n-d- wäre im Urgerm. zu
*unet-/*unt- geworden, woraus dann eine Wz. urgerm.
*net- reanalysiert wurde, die wiederum Anlass zur Bil-
dung des Kausativs urgerm. *nat-i̯a- und des Adj. ur-
germ. *nata- gegeben hätte. Hierbei bleibt vor allem die
Ursache für die Reanalyse zu einer Wz. *net- unklar. Das
von E. P. Hamp gelieferte Parallelbeispiel ist neben sind
ist nicht vergleichbar; sind ist ein athematisches Wurzel-
präsens und kein Nasalinfixpräsens.
Pokorny 759; LIV² 448; Mayrhofer, KEWA 2, 8 f.; ders.,
EWAia 2, 129 f.; Bartholomae, Airan. Wb.² 115. 1038;
Cheung, Et. dict. of Iran. verb 276 f.; Frisk, Gr. et. Wb.
2, 296; Chantraine, Dict. ét. gr.² 712; Aura Jorro-Adrados
1985 ff.: 1, 467 f.; Hübschmann, Arm. Gr. 478; Martiro-
syan, Et. dict. of Arm. 502 f.; Kronasser, Etym. d. heth.
Spr. 144. 148. 262; Tischler, Heth. et. Gl. 2, 283; Kloek-
horst, Et. dict. of Hitt. 597; CHD L-N 406 ff.; Melchert,
Luv. lex. 156; Krahe, Spr. d. Illyrier 93.
LS