nazza f. ō(n)-St., Gl. 3,573,51 (2. Hälfte
des 9. Jh.s, alem.): ‚Brennnessel; urtica‘ (Ur-
tica dioica L. oder Urtica urens L.).
Ahd. Wb. 6, 1086; Splett, Ahd. Wb. 1, 665; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 816; Schützeichel⁷ 234; Starck-Wells 433;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 40; Bergmann-Stri-
cker, Katalog Nr. 225; Seebold, ChWdW9 615; Graff 2,
1116; Dt. Wb. 13, 618 (s. v. nessel); Kluge²¹ 508 (s. v.
Nessel); Kluge²⁵ s. v. Nessel; Pfeifer, Et. Wb.² 919 (s. v.
Nessel). – Marzell [1943–79] 2000: 4, 913 f. 921 f.; Nord-
strandh 1954: 21.
Ahd. nazza hat nur in aisl., nisl. nata f. ‚Speer‘
(daneben mit Verallgemeinerung des u-Um-
lautes aus dem Dat. aisl. nǫt), fär. nota ‚dss.‘
und nnorw. nate ‚dss.‘ direkte Entsprechungen.
Die Wörter gehen auf eine Vorform urgerm.
*nat-ō- zurück. Zu der in den germ. Sprachen
weitverbreiteten Ableitung *nat-ilō- s. nezzila.
Fick 3 (Germ.)⁴ 291; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 384;
Vries, Anord. et. Wb.² 405; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 691;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 207; Magnússon, Ísl.
Orðsb. 660. – Marzell [1943–79] 2000: 4, 913 ff.; Sau-
erhoff 2001: 98.
Die in urgerm. *nat-ō- zugrunde liegende Wur-
zel ist innerhalb der Indogermania nur in gr.
ἀδίκη f. ‚Nessel‘ (< *d-ikā; zum Suffix -ikā
in PflN vgl. gr. ἑλίκη f. ‚Weide‘) sicher bezeugt.
Fraglich ist, ob aufgrund des gr. Beleges die Bed. ‚Nes-
sel‘ uridg. Alters ist. Dann hätte sich die Bed. ‚Speer‘ im
Nordgerm. sekundär über eine Zwischenstufe ‚Nessel‘
> ‚Stechende Pflanze‘ > ‚Stecher, Speer‘ entwickelt. Eine
solche Entwicklung bliebe aber ohne Parallelen. Wahr-
scheinlicher ist, dass die Wz. uridg. *ned- ‚stechen‘ be-
deutete und die ursprüngliche Bed. im Nordgerm. be-
wahrt ist, während sich im Ahd. und Gr. unabhängig von-
einander die Bed. ‚Brennnessel‘ herausgebildet hat.
Schwierig ist hingegen der Anschluss der se-
mantisch nahestehenden kelt. und balto-slaw.
Subst.: Air. nenaid f. ‚Nessel‘, mkymr. dynat
pl. ‚Nessel‘ (mit Dissimilation n – n > d – n),
mbret. lenhat pl. ‚Nessel‘ und akorn. linha-
den ‚dss.‘ (mit Dissimilation n – n > l – n) wei-
sen auf eine laryngalhaltige Vorform *ni-nә₂-
ti- (mit auffälliger Präsensreduplikation). Eben-
so setzt der Langvokal der balto-slaw. Wörter
eine Wz. *neh₂- voraus: apreuß. noatis f. ‚Nes-
sel‘ (< urbalt. *nā-ti-), lit. nõterė f. ‚Brennnes-
sel‘, lett. nâtre f. ‚Nessel‘ (Weiterbildung zu ei-
nem urbalt. *nā-ter-); russ. natína f. ‚Kraut von
Kartoffeln und anderem Wurzelgemüse‘, slo-
wen. nȃt f. ‚dss.‘, poln. nać f. ‚dss.‘, tschech.
nat’ f. ‚dss.‘, osorb. nać, ndsorb. naś f. ‚dss.‘ (<
urslaw. *nā-ti-). Aufgrund des t und des vo-
rausgesetzten Laryngals bleiben diese PflN von
den gr. und germ. Belegen fern und stellen sich
wahrscheinlich zu der s-mobile-haltigen Wz.
uridg. *(s)neh₂- ‚sich drehen, winden‘ (s. nâen).
Auch die Annahme einer Wurzelerweiterung mit stimm-
haftem Dental im Vorurgerm. und stimmlosem Dental im
Kelt. und Balto-Slaw. ermöglicht keinen Anschluss der
balto-slaw. und kelt. Wörter, da gr. ἀδίκη eindeutig gegen
den Ansatz eines wurzelhaften Laryngals spricht. Die
Annahme eine Entlehnung der Wortsippe aus einer nicht-
idg. Sprache (so Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 291)
ist nicht nachweisbar.
Walde-Pokorny 2, 329; Pokorny 759; Frisk, Gr. et. Wb.
1, 21; Chantraine, Dict. ét. gr.² 19; Beekes, Et. dict. of
Gr. 1, 21; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 149; Trubačëv, Ėt.
slov. slav. jaz. 23, 149 f.; Derksen, Et. dict. of Slav. 346;
Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 2, 215; Vasmer, Russ. et. Wb.
2, 201; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 3, 48 f.; Schuster-Šewc,
Hist.-et. Wb. d. Sorb. 979; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 509 f.;
Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 428; ALEW 2, 712; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 702 f.; Karulis, Latv.
et. vārd. 1, 619; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 385;
Mažiulis, Apreuß. et. Wb.² 644; Fick 2 (Kelt.)⁴ 191 f.;
Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 290 f.; Hessens Ir. Lex.
2, 149; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. N-9 f.; Dict. of
Irish N-34; Dict. of Welsh 1, 1141.
S. nezzila.
LS