neizen sw.v. I, seit Ende des 8./Anfang
des 9. Jh.s in Gl., B, GB, Nps, Npg und Npw:
‚quälen, plagen, bestrafen, vernichten, zer-
stören; afficere, affligere, atterere, conficere,
conterere, damnare, interficere, torrēre‘, part.
prät. gineizit ‚erschöpft, geschwächt; confec-
tus‘ 〈Var.: -zz-〉. – Mhd. neizen, auch neisen
sw.v. ‚bedrängen, plagen, beschädigen, ver-
derben‘, frühnhd. neisen ‚dss.‘, nhd. mdartl.
bad. neisen sw.v. ‚nörgeln, quengeln, mürrisch
sein‘, vorarlb. †neissen sw.v. ‚bedrängen, pla-
gen‘, südhess. neizen sw.v. ‚immerfort quälend
bitten oder fordern (bes. von Kindern)‘, osächs.
neisen tr. ‚jmdn. necken, plagen, quälen‘, intr.
‚nörgeln, mäkeln‘, schles. neisen ‚nicht achten,
necken, quälen, belästigen‘, mit l-Suffix in in-
tensiv-iterativer Funktion rhein. neizeln sw.v.
‚krangeln, unzufrieden, ungeduldig sich äu-
ßern‘, neiseln sw.v. ‚nörgeln, kritteln‘, südhess.
neißeln sw.v. ‚immerfort quälend bitten oder
fordern (bes. von Kindern), unzufrieden nör-
geln‘; vgl. schweiz. geneizgen sw.v. ‚zanken,
mit Worten streiten‘.
Ahd. Wb. 6, 1102 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 661; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 817; Schützeichel⁷ 235; Starck-Wells
434; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 45; Seebold,
ChWdW8 219; ders., ChWdW9 615; Graff 2, 1128 f.; Le-
xer 2, 52; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 25 (affligere). 668
(torrēre); Dt. Wb. 13, 594. – Schweiz. Id. 4, 894; Martin-
Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. 1, 787; Ochs, Bad. Wb. 4, 51;
Jutz, Vorarlberg. Wb. 2, 531; Müller, Rhein. Wb. 6, 145;
Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 4, 957; Frings-Große, Wb.
d. obersächs. Mdaa. 3, 292; Mitzka, Schles. Wb. 2, 926.
Das ahd. Verb hat in ae. nǣtan sw.v. ‚plagen,
bedrängen, zerstören, unterwerfen‘ und sonst
nur noch im Nordgerm. direkte Entsprechun-
gen: aisl., nisl. hneita sw.v. ‚schlagen, über-
winden, beleidigen‘, fär. neita ‚reizen, berüh-
ren, stoßen‘, nnorw. neita ‚stoßen, schlagen‘,
nschwed. dial. näit ‚stoßen, schlagen‘: < ur-
germ. *χnai̯t-ii̯a-. Ein sw. Verb urgerm. *χnai̯t-
ii̯a- wird auch als Basis der nordgerm. sōn-
Ableitung aisl., nisl. hneisa sw.v. ‚beschimp-
fen, beschmähen‘, nnorw. dial. neisa ‚durch
Sticheleien reizen‘, nschwed. dial. nesa ‚reizen‘
und ndän. dial. nese ‚zurechtweisen‘ fortgesetzt
(zu den sōn-Bildungen im Nordgerm. vgl.
Krahe-Meid 1969: 3, § 187 und s. -isôn). Dane-
ben steht ein st.v. urgerm. *χnīt-e/a-, das in ae.
hnītan st.v. ‚stoßen, schlagen‘, as. afnītan st.v.
‚abreißen‘, aisl., nisl. hníta st.v. ‚stoßen, schla-
gen‘, fär. níta ‚stoßen‘, nnorw. níta ‚dss.‘ fort-
lebt.
Lautlich könnte ahd. neizen auch zu got. ganaitjan sw.v.
I ‚schmähen‘ gehören. Die Bedeutung des ahd. Verbs
spricht jedoch gegen diese Verbindung: Während eine
semantische Entwicklung von ‚stoßen‘ zu ‚schmähen, ta-
deln‘ weit verbreitet ist (vgl. lat. incessō ‚greife an, stoße
an, stichele‘ neben ‚schmähe, tadele‘), ist die umgekehrte
Entwicklung ohne Parallelen. Eine Kontamination der
Verben urgerm. *nai̯t-ii̯e/a- und *χnai̯t-ii̯e/a- kann auf-
grund des frühen Verlusts des anl. h- für das Ahd. jedoch
nicht ausgeschlossen werden (vgl. Heinertz 1927: 80 ff.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 297; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 236; See-
bold, Germ. st. Verben 267 f.; Tiefenbach, As. Handwb.
172; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 213; Holthausen, Ae.
et. Wb. 231; Bosworth-Toller, AS Dict. 420. 547. 708;
Suppl. 646; Vries, Anord. et. Wb.² 242 f. 244; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 215 f.; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske
sprog 2, 824; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 121;
Magnússon, Ísl. Orðsb. 346; Torp, Nynorsk et. ordb. 454;
NOB s. v. níta; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 194 f.; Leh-
mann, Gothic Et. Dict. G-49. – Riecke 1996: 555 f.
Während das sw.v. urgerm. *χnai̯t-ii̯e/a- die
uridg. Iterativbildung *knoi̯d-éi̯e/o- fortführt,
geht das st.v. urgerm. *χnīt-e/a- auf ein uridg.
Präsens *knéi̯d-e/o- zurück. Die diesen Ablei-
tungen zugrunde liegende Wz. erscheint auch in
dem i̯o-Präsens gr. κνίζω ‚kratze, steche, krän-
ke, peinige‘ und lett. knidēt ‚jucken, keimen,
kriechen, sich bewegen‘. Neben dem lett. Verb
setzen die Abstrakta lett. kniẽde, lit. kniẽdė f.
‚Niete, Stift‘ zusammen mit den denominalen
Verben lett. kniẽdēt ‚(ver-)nieten‘ und lit. kniẽ-
dyti ‚vernieten‘ die vollstufige Wurzel fort.
Ein schwundstufiges Kollektivum *knid-eh₂ be-
zeugt hingegen das mir. Subst. cned f. ‚Wunde‘.
Wegen des ī ist der Anschluss von gr. κνίδη ‚Nessel‘
unwahrscheinlich, da das ī eine Wz. *knei̯Hd- vorausset-
zen würde. Zwar könnte der kurze Stammvokal von gr.
κνίζω auf der Wirkung der Wetterregel (*VHCR/i̯/u̯V́ >
*VCR/i̯/u̯V́; vgl. Neri 2011) beruhen (mit *kniHd-i̯é/ó- >
*knid-i̯é/ó-), der Kurzvokal in dem mir. Subst. cned f.
‚Wunde‘ bliebe aber unerklärt. Auch gr. κνση ‚Fett-
dampf‘ und lat. nīdor ‚Duft, Dampf, Geruch, Qualm‘ sind
wegen des langen Wz.vokals und der stark abweichenden
Bedeutung von der Wz. uridg. *knei̯d- ‚kratzen, stoßen‘
zu trennen. Zuletzt vergleicht Beekes, Et. dict. of Gr. 1,
724 f. die Bedeutungsentwicklung ‚Stoß, Stechen, Krat-
zen‘ zu ‚Geruch, Dampf‘ mit der der beiden untereinan-
der verwandten Verben got. stigqan ‚schlagen‘ und ahd.
stinkan ‚riechen, stinken, duften, nach Fäulnis riechen‘.
Doch weist die Benennung eines Geruchs mit einer Wz.
der Grundbedeutung ‚schlagen‘ auf einen sehr intensiven
Gestank und nicht auf Dampf. Weiterhin deuten die
beiden Subst. gr. κνση ‚Fettdampf‘ und lat. nīdor ‚Duft,
Dampf, Geruch, Qualm‘ auf eine Grundbed. ‚Dampf‘.
Walde-Pokorny 1, 395; Pokorny 608; LIV² 366; Frisk,
Gr. et. Wb. 1, 884 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 526 f.; Bee-
kes, Et. dict. of Gr. 1, 724 f.; Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. 1, 518; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 441; de Vaan,
Et. dict. of Lat. 408; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 279; Smo-
czyński, Słow. et. jęz. lit. 303; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. 2, 246; Karulis, Latv. et. vārd. 1, 410; Fick
2 (Kelt.)⁴ 95; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-131; Dict.
of Irish C-266.
S. niz.
MK/LS