nenden sw.v. I, Gl. 1,298,28 (letztes
Drittel des 9. Jh.s, mfrk.); 2,146,58 (2. Drittel
des 9. Jh.s), in MF, bei O, in Nps, Npw und
WH: ‚sich wenden (an), sich erkühnen, sich ge-
gen jmdn. erheben, vermessen sein; audēre, in-
niti, insurgere, praesumere, temptare‘ 〈Var.: 3.
sg.prät. nandta〉. Auf der Grundlage der bei
O bezeugten 3.sg.prät. ginand wurde biswei-
len ein st.v. III angesetzt (vgl. z. B. Seebold,
ChWdW9 624). Doch handelt es sich bei ginand
um eine Reimform zu fánd (als korrekte Form
für ein sw.v. I wäre *ginanta zu erwarten).
Auch in Gl. 2,710,21 (10./11. Jh., mfrk.) beleg-
tes (3.pl.prät.) genandun (zur Wiedergabe von
lat. adorti 3.pl.perf.ind.dep.) spricht für den
Ansatz eines sw.v. I, da der Wz.vokalismus
kaum mit dem Ablaut der st.v. III vereinbar ist
(zu erwarten wäre *ginundun); vgl. F. Heider-
manns, Sprachw 40 (2015), 162 f.
Ahd. Wb. 6, 1171; Splett, Ahd. Wb. 1, 669; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 818 f.; Schützeichel⁷ 236; Starck-Wells
435; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 58 f.; Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 157. 741; Seebold, ChWdW9 624;
Graff 2, 1092; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 60 (audere);
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 63 (audēre). 345 (insurgere).
514 (praesumere).
In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
nāthian sw.v. I ‚sich wagen, erstreben; (desi-
derare)‘ im Hel und Gl. 1,298,28 (letztes Drit-
tel des 9. Jh.s), mndd. nēden sw.v. ‚wagen, in
Streit, in Ärger bringen‘; andfrk. nenden sw.v.
‚richten auf‘ im LeidW, mndl. nenden ‚wagen‘;
afries. nētha sw.v. ‚wagen‘; ae. nēđan sw.v.
‚den Mut haben, etw. zu tun, jmdn. herausfor-
dern, etw. zu tun, riskieren, wagen‘; aisl. nenna
sw.v. ‚Lust haben, sich bereit erklären‘, nisl.,
fär. nenna ‚dss.‘, ält. ndän. nende, ndän. nænne
‚Mitleid haben‘, nnorw. (nn.) nenne ‚etw. über
das Herz bringen‘, nschwed. nännas ‚dss.‘; got.
-nanþjan sw.v. I (zu den präf. Verben s. u.): <
urgerm. *nanþ-ii̯e/a-.
Fick 3 (Germ.)⁴ 292; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 383;
Seebold, Germ. st. Verben 359; Tiefenbach, As. Handwb.
286; Sehrt, Wb. z. Hel.² 402; Berr, Et. Gl. to Hel. 291 f.;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1075 (nēden¹);
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 168 (neden²); ONW s. v.
nenden; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 2334; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 351; Bosworth-Toller, AS Dict.
716; Suppl. 649 f.; Suppl. 2, 48; Vries, Anord. et. Wb.²
407; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 685; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog 2, 813; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 209; Magnússon, Ísl. Orðsb. 663 (nenna²); Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 762 f.; Nielsen, Dansk et.
ordb. 306; Ordb. o. d. danske sprog 14, 97 f.; Bjorvand,
Våre arveord² 797 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 455; NOB
s. vv. (bm.) nenne, (nn.) nenna, nenne; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 1, 715; Svenska akad. ordb. s. v. nännas; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 43; Lehmann, Gothic Et. Dict. A-
149. – Riecke 1996: 558 f. (Einordnung als st.v.).
Bei urgerm. *nanþ-ii̯e/a- handelt es um eine de-
nominale Ableitung mit dem Suff. *-i̯e/o- zu ei-
nem vorurgerm. Nominalst. *nont(i)-/*nant(i)-.
Hierher gehört auch das Subst. mir. néit m.
‚Kampf, Schlacht‘, das aufgrund seines Voka-
lismus entweder auf einer schwundstufigen
Bildung vorurkelt. *nt-i- beruht oder auf ei-
nem a-stufigen vorurkelt. *nant-i-. Zu dem mir.
Nomen gehört auch der GN Néit m. (Name ei-
nes Kriegsgottes). Innerhalb der kelt. Wortsip-
pe schließt sich wahrscheinlich auch das KVG
Nanti- in gall. PN an, das folglich von dem
Subst. urkelt. *nantu- ‚Tal‘ aufgrund des i-St.
zu trennen ist (vgl. Irslinger 2002: 226). Fern
bleibt jedoch air. nía m. ‚Krieger‘: Eine Ver-
bindung dieses Subst. mit mir. néit würde ei-
ne nt-Bildung und sekundären i-St. vorausset-
zen. Die nt-Ableitungen flektieren im Ir. aber
nach den t-St. (vgl. Irslinger 2002: 226). Auch
der weitere Anschluss der vom Germ. und
Kelt. vorausgesetzten Wurzel uridg. *nent- an
toch. A nati ‚Macht‘ und toch. B nete ‚dss.‘ ist
wegen des fehlenden Nasals der Wz. un-
wahrscheinlich (Matasović, Et. dict. of Proto-
Celt. 283).
Schwierig ist die Herleitung der kelt. und germ. Wörter
aus einer Vorform *n-anti- ‚im Gegenüber‘ (so F. Hei-
dermanns, Sprachw 40 [2015], 167): Nach Heidermanns,
a. a. O. würde es sich dabei um eine Verbindung des Adv.
uridg. *en ‚in, drinnen‘ mit der Präp. *h₂enti ‚gegenüber‘
handeln. Doch die Bezeugung in den germ. und kelt.
Sprachen setzt eine Bildung dieser Univerbierung zu-
mindest vor dem Zeitpunkt des Verlusts der Laryngale
voraus. Dann wäre aber eine Vorform *-h₂enti zu er-
warten gewesen, die jedoch weder mit dem germ. noch
mit dem kelt. Wort lautlich vereinbar ist. Alternativ
könnte es sich um zwei unabhängige voreinzelsprach-
liche Bildungen, zusammengesetzt aus dem Adv. *n- und
dem Fortsetzer von uridg. *h₂enti, also urkelt. und ur-
germ. *anti, handeln. Dagegen spricht jedoch zum einen,
dass im Kelt. der Lokativ *h₂enti nicht bezeugt ist, und
zum anderen, dass weder im Germ. noch im Kelt. das
Adv. uridg. *en voreinzelsprachlich in der schwundstu-
figen Form *n- rekonstruierbar ist.
Walde-Pokorny 2, 317; Pokorny 755; Holder, Acelt. Spr.
2, 684 f.; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 283; Hessens
Ir. Lex. 2, 148; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. N-7; Dict.
of Irish N-26; Adams, Dict. of Toch. B² 363. – de Ber-
nardo Stempel 1999: 284 Fn. 10.
LS