nesso
Band VI, Spalte 908
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nesso m. an-St., in PNe: ‚Wurm‘. – Ält.
nhd. nesselwurm m. Bez. für den Bandwurm
(Taenia). Nicht hierher gehörig ist homonymes
nesselwurm m. Bez. für einen Nachtfalter (Pha-
laena verticalis Linn.), der nach dem durch Ent-
zündungserscheinungen hervorgerufenen Juck-
reiz benannt ist (vgl. Kemper 1959: 280).

In der Heraldik des Mittelalters hat der Nesselwurm ei-
nen Wolfsrachen, Schlangenleib und Fischschwanz (vgl.
Höfler 1899: 443).

Ahd. Wb. 6, 1185 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 665; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 819; Schützeichel⁷ 236; Dt. Wb. 13, 621. 629.

Das ahd. Subst. hat nur in as. nesso m. an-
St. ‚Wurm‘ und andfrk. nesso m. ‚Wurm‘ di-
rekte Entsprechungen und ist jeweils allein im
sogenannten Wurmsegen bezeugt. Es handelt
sich um ein substantiviertes Verbaladj. urgerm.
*ness-an- ‚der Gedrehte‘ (< vorurgerm. *Hnédh-
to- mit Oppositionsakzent und sekundärer Voll-
stufe). Zur Entwicklung von vorurgerm. Den-
talclustern zu urgerm. *ss vgl. Hill 2003: 74 ff.
In das Komp. nesselwurm ist im ält. Nhd. das
Subst. nestel ‚Band, Schnur‘ eingedrungen (s.
nestila): ält. nhd. nestelwurm ‚Bandwurm, Me-
dinawurm‘. Aufgrund der Bed. bleibt ahd. nezzi-
la
‚Nessel‘ (s. d.) fern.

Das ahd. Subst. bezeichnet den sogenannten Medina-
wurm, der sich, aufgenommen durch Trinkwasser, in Ge-
lenknähe im menschlichen Körper einnistet und durch
Aufwickeln des aus dem Körper herausschauenden En-
des schrittweise entfernt werden muss. So soll der Wurm
nach dem Wurmsegen das Mark verlassen und in die
Pfeilspitze gehen. Das Benennungsmotiv für ‚der Ge-
drehte‘ geht wahrscheinlich auf das starke Winden des
Wurmes zurück. Andernfalls könnte auch das weit ver-
breitete Aufwickeln des Wurms beim Entfernen aus dem
Körper ursächlich für die Bezeichnung sein.
Die Deutung von nesso als Lehnwort aus mlat. nescius
‚unbekannter‘ (so Haubrichs 1995: 352) ist wegen der un-
erklärten Bed.entwicklung von ‚Unbekannter‘ zu ‚Wurm‘
abzulehnen. Auch die Annahme von Steiner-Welz 2005:
128 f., es handle sich um eine Entlehnung aus mlat.
nescia, nessia, einer Krankheitsbez., ist wegen fehlender
Bezeugung eines solchen mlat. Wortes unwahrschein-
lich. Abwegig ist aufgrund der Bed. auch der Vorschlag
im HDA 6, 1013, wonach nesso eine Kontamination aus
dem genannten nescius und lat. scia ‚Hüfte‘ sei.

Fick 3 (Germ.)⁴ 296; Tiefenbach, As. Handwb. 288; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 211; ONW s. v. nesso.

Die germ. Subst. weisen aufgrund der e-stu-
figen Wz. gegen eine Verbindung mit der
Wz. uridg. *neHd- ‚binden‘ (s. nezzi). Urgerm.
*ness-an- setzt vielmehr die substantivierte to-
Bildung vorurgerm. *Hnédh-to- ‚gedreht, ge-
bunden‘ fort, die in den sabell. und kelt. Su-
perlativen bezeugt ist: osk., umbr. nessimas
‚die Nächsten‘; air. nessam ‚nächster‘, akymr.,
mbret. nessaff ‚dss.‘, korn. nessa ‚nahe‘, gall.
neddamos gen.pl. ‚der nächsten‘. Die Wurzel
*Hnedh- erscheint sonst nur als suppletives
Part. naddha- ‚gebunden‘ in dem Paradigma
von ai. nah- ‚binden‘ (s. nechala). Zu air. -naisc
s. nezzi.

Walde-Pokorny 2, 328 f.; Pokorny 758 f.; LIV² 227;
Mayrhofer, KEWA 2, 147 f.; ders., EWAia 2, 31 f.; Unter-
mann, Wb. d. Osk.-Umbr. 493 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴ 191; Ma-
tasović, Et. dict. of Proto-Celt. 283. 289; Delamarre,
Dict. gaul.³ 232; Hessens Ir. Lex. 2, 150; Vendryes, Lex.
ét. de l’irl. anc. N-12; Kavanagh-Wodtko, Lex. OIr.
Gl. 29 f. (accus); Dict. of Irish N-38; Dict. of Welsh 3,
2573 f.; Deshayes, Dict. ét. du bret. 535.

S. nechala, nestila, nezzi.

LS

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